2024-04-24T07:17:49.752Z

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Ich bin der Meinung, ich bin spitze!

Interview mit Stadionsprecher Thomas Schubert

Thomas Schubert war die Stimme des SV Sonsbeck in der Oberliga. Dann hat er eine neue Herausforderung gesucht – per Kleinanzeige. Sein neuer Klub: der MSV Duisburg.
Herr Schubert, Sie sind Berufskraftfahrer. Wie sind Sie zum Stadionsprecher geworden?

Schubert: Ich habe mir ein Spiel des SV Sonsbeck in der Landesliga angeschaut. Wenn ein Tor fiel, lief jedes Mal ein anderer in irgendein Häuschen. Dort standen ein fest installiertes Megaphon und ein alter Stereo-Receiver. Der Klang war grausam, der Torschütze nicht zu verstehen. Ich habe das dann mal vorsichtig beim Vorstand angemerkt.

Wie hat der SV Sonsbeck auf Ihre Kritik reagiert?

Schubert: Der Vorstand meinte: Wenn du es besser kannst, mach es halt selbst. Ich habe dann zu jedem Heimspiel meine eigene Soundanlage mitgebracht. Zu der Zeit habe ich in der Band Free Wheeler gespielt und konnte mich im Proberaum bedienen. Zu meinem Equipment gehörten zwei Lautsprecher, zwei Kabel und ein 8-Kanal-Mischpult. Warum eigentlich Sonsbeck? Ich wohne in Sonsbeck, es ist alles schön grün hier und die Leute sind freundlich. Und es hatte handfeste sportliche Gründe. Der SV Sonsbeck hat es damals sensationell von der Kreisliga in die Oberliga geschafft, als Dorfverein.

Die Nationalspieler stehen ja eher auf Helene Fischer. Was für Musik haben Sie der Dorfjugend mitgebracht?

Schubert: Ich bin davon ausgegangen, dass die 22 Mann auf dem Platz noch bekloppter sind als ich – und jünger. Ich habe also überwiegend Stadionrock gespielt, von AC/ DC über die Foo Fighters bis zu U2. Nachschub war überhaupt kein Problem, ich habe 140.000 Lieder auf meiner Festplatte. Die älteren Zuschauer fanden es aber manchmal schon zu laut.

Was haben Sie gespielt, als die Mannschaften eingelaufen sind?

Schubert: „Whatever You Want“ von Status Quo, ähnlich wie auf Schalke. Ich habe aber zusätzlich noch ein Schlagzeugsolo von Bon Jovi reingemischt. Zuvor hatte ich gestoppt, wie lange die Mannschaften von der Kabine auf den Platz brauchen. Ich kam auf eine Durchschnittszeit von 58 Sekunden. Die Spieler sagten hinterher, sie hätten Gänsehaut gehabt.

Was haben Sie zur Begrüßung ins Mikro gesagt?

Schubert: Standard war: „Herzlich willkommen beim geilsten Klub der Welt, herzlich willkommen beim SV...“ Und dann hat das ganze Stadion gebrüllt: „Sonsbeck!“ Das ganze Stadion? Wie viele Zuschauer waren das denn beim Dorfverein? In der Oberliga kamen zwischen 400 und 650, das war schon ganz enorm.

Was durften Sie den Sonsbeckern sonst noch verkünden?

Schubert: Ich habe natürlich auch die Werbung gesprochen. Für ein Taxiunternehmen, einen Elektrohandel oder einen Malerbetrieb, je nachdem wer Tagessponsor war.

Klingt alles sehr professionell. Was war denn überhaupt anders als in der Bundesliga?

Schubert: Die Torhymne. Die habe ich selbst geschrieben und in meinem eigenen Studio eingesungen.

Beschreiben Sie bitte mal, wie sich die Hymne anhörte!

Schubert: Die Melodie habe ich mir einfach bei „Ruhrgebiet“ von Wolfgang Petry ausgeliehen. Mein neuer Text war: „Du hast ein Tor gemacht/das in Sonsbeck jeden glücklich macht/Wir woll´n noch mehr davon/und schon haben wir gewonn’“. Klingt jetzt vielleicht etwas komisch, hat aber funktioniert.

Wie viel Zeit hat Sie Ihr Zweitjob gekostet?

Schubert: Der Spieltag fing bereits am Samstag an. Per Google und YouTube habe ich bis zu drei Stunden lang geschaut, wie die Spielernamen auszusprechen sind. Einmal kam ein Spieler hinterher zu mir auf die Tribüne und hat sich persönlich bedankt. Ich war der erste Stadionsprecher, der seinen Namen richtig ausgesprochen hatte.

Wie lange haben Sie dem SV Sonsbeck die Treue gehalten?

Schubert: Ich habe im Sommer 2013 abgedankt, nach insgesamt neun Jahren. Schließlich habe ich auch noch eine Familie. Und ein Honorar wollte mir der Klub bis zum Schluss nicht bezahlen, nicht einmal eine kleine Summe.

Dann haben Sie eine Kleinanzeige geschaltet, dass Sie einen neuen Klub suchen?

Schubert: Ja, und prompt kam eine konkrete Anfrage, allerdings aus Frankfurt. Ich kann doch nicht alle zwei Wochen nach Frankfurt fahren!

Wie haben Sie nach einem anderen Klub gefahndet?

Schubert: Ich habe den MSV Duisburg bei Facebook geliked und mitbekommen, dass dort manchmal jemand dem Stadionsprecher assistiert. Ich habe dann sofort eine schriftliche Bewerbung eingereicht.

Mit welchem Ergebnis?

Schubert: Ich habe lange nichts gehört und hatte es fast schon abgehakt, aber kurz vor Saisonbeginn haben sich die Duisburger bei mir gemeldet. Ich bin jetzt zunächst für die U17- und U19-Bundesliga-Mannschaften zuständig. Das dient zur Einarbeitung. Später kann das auf die U23-Mannschaft erweitert werden.

Wovon träumen Sie?

Schubert: Träumen ist vielleicht das falsche Wort, aber sollte der Stadionsprecher der 1. Mannschaft einmal krank werden, stehe ich als Ersatz bereit.

Aufrufe: 023.10.2014, 08:20 Uhr
Thorsten SchaarAutor