2024-05-02T16:12:49.858Z

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Der Trainer und sein Kapitän: Holstein Kiels Coach  Karsten Neitzel (li.) und Neu-Kapitän  Rafael Czichos.cje
Der Trainer und sein Kapitän: Holstein Kiels Coach Karsten Neitzel (li.) und Neu-Kapitän Rafael Czichos.cje

Holstein Kiels Kapitän Czichos: "Jeder muss bissig sein"

Vom Neuzugang über Führungsspieler zum Kapitän

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Führungsspieler war er schon im Verlauf der Vorrunde. Jetzt ist Rafael Czichos auch der neue Holstein-Kapitän. Der 25-jährige Niedersachse, der vor Saisonbeginn von Rot-Weiß Erfurt kam, wurde im Trainingslager vor Urgestein Tim Siedschlag von der Mannschaft gewählt. Wir sprachen mit dem Verteidiger, der im Saisonverlauf von der linken Außenseite ins Abwehrzentrum wechselte.

Rafael Czichos, herzlichen Glückwunsch zur Wahl als neuer Kapitän. Haben Sie damit gerechnet?
Ich hatte den Eindruck, dass ich in der Mannschaft durch meine Leistungen akzeptiert bin. Dass ich nach einem halben Jahr bereits so ein Standing habe, freut mich riesig.

Was kommt als Kapitän jetzt auf Sie zu?
Auf dem Platz wird sich nicht so viel verändern. Ich habe immer schon relativ viel geredet. Als Kapitän bin ich jetzt außerhalb des Platzes der erste Ansprechpartner, wenn jemand Schwierigkeiten hat und vielleicht nicht mit dem Trainer darüber reden mag. Jeder weiß, dass ich kein Problem habe, auch bei schwierigen Themen nach oben zu gehen, ob ins Trainerbüro oder auch zu Herrn Schwenke.

Hat sich in den ersten Tagen als Kapitän schon etwas verändert?
Nein. Mich spricht jetzt keiner anders an und ich behandle hoffentlich auch keinen anders. Im Spiel gegen Duisburg das Team als Kapitän zu führen, hat allerdings 150 Euro in die Mannschaftskasse gekostet. Das zahlt jeder, der das erste Mal die Binde trägt.

Haben Sie schon Erfahrung als Spielführer?
In Erfurt war ich drei Spiele lang Kapitän. Aber nur, weil damals drei andere verletzt waren. Auch in der Jugend war ich nie Kapitän. Das war meist der Trainersohn (lacht).

Wie würden Sie das Trainingslager zusammenfassen? War alles gut oder gab es Dinge, die besser hätten laufen sollen?
Von der Anreise über die Trainingsplätze bis zum Wetter hätte es kaum besser laufen können. Die Zimmer sind völlig ausreichend, das Essen ist Türkei-Standard, reichhaltig und gut. Aber das Wichtigste sind die Plätze. Ich habe mit einigen Spielern von Halle gesprochen. Die mussten sich drei Plätze mit fünf Mannschaften teilen - und so sieht der Rasen dann auch aus. Das Problem hatten wir hier überhaupt nicht.

Was ist anders als in früheren Trainingslagern Ihrer Karriere?
Ich bin früher auch schon mal 500 Kilometer im Trainingslager gelaufen, aber hier wird das Training anders gesteuert. Wir erarbeiten uns die nötige Fitness nicht mit Strandläufen, sondern durch spielnahe Trainingsformen. Die Trainingssteuerung ist eine andere als bei manch anderem Trainer in der Vergangenheit. Jeder hat seine eigenen Methoden.

Kleine Blessuren hier und da gehören zu einem Trainingslager dazu?
Die Belastung ist ein bisschen höher. Da gibt es manchmal kleine muskuläre Probleme. So war es auch bei mir. Es war eine Reizung aus dem Hallenturnier. Da muss man den richtigen Zeitpunkt finden, wann man sich eine Pause nimmt, damit das nicht schlimmer wird. Da habe ich halt einen Tag Ruhe genommen.

Kommen wir zur sportlichen Situation: Die Mannschaft steht auf Platz 15. Welchen Einfluss hat das auf die Psyche der Mannschaft?
Jeder hat sich am Anfang der Saison etwas anderes vorgestellt. Die Hinrunde lief aus keiner Sicht so wie jeder Spieler und jeder Fan sich das erhofft hat. Natürlich ist es dann schwierig, wenn man immer wieder Nackenschläge kriegt, obwohl die Spiele gar nicht so schlecht waren. Sieht man das 0:4 gegen Halle noch einmal an, dann fragt man sich ja, warum wir nicht zur Pause 3:0 führen, sondern 0:2 hinten liegen. So etwas zieht dann schon runter. Wir alle wissen, dass wir eigentlich richtig gut sind, wenn wir 90 bis 100 Prozent unserer Leistung abrufen.

Im Test gegen Halle gab es wieder zwei Gegentore nach Standards. Das zog sich wie ein roter Faden durch die Vorrunde...
Das geht einfach nicht. Das darf nicht sein. Ich weiß nicht, ob sich das durch Nervosität eingeschlichen hat. Wenn man Angst hat, Fehler zu machen, dann macht man welche. Wir werden da ein bisschen was ändern in der Rückrunde. Aber das Wichtigste ist, dass jeder bissig sein muss und unbedingt das Tor verhindern will.

Ihre persönliche Vorrunde war ordentlich bis gut.
Ich bin ja von links nach innen gezogen worden und habe auch das Gefühl, dass ich eine recht gute Hinrunde gespielt habe. Aber das bringt mir wenig, wenn wir auf dem 15. Platz stehen und so viele Gegentore kriegen. Da sieht kein Abwehrspieler gut aus.

Fühlen Sie sich denn inzwischen als ,,richtiger" Innenverteidiger?
Ich habe die Position so akzeptiert, das ist vom Trainerteam so gewollt. Ich wurde ja vor der Saison auch gefragt, ob ich das kann. Und ich habe schon da gesagt, dass ich das gerne spiele. Jetzt wird auch das durchgezogen. Ich bin zurzeit Innenverteidiger, und wie das nächste Saison ist, wird man sehen. Wenn der Trainer mich wieder nach links stellt, dann mache ich das.

Der Druck für die Rückrunde ist als 15. und angesichts der großen Erwartungshaltung nicht gerade gering. Wie geht die Mannschaft damit um?
Jeder hat den Anspruch, eine bessere Rückrunde zu spielen. Die Neuzugänge helfen uns auch wirklich weiter. Außerdem glaube ich, dass es kaum unglücklicher laufen kann als in den einzelnen Spielen. Die Gegner haben auch Fehler gemacht. Aber wir haben die nicht so hart bestraft wie wir oft bestraft wurden. Wenn wir als Mannschaft zusammenhalten und weiter so Fußball spielen, werden wir Selbstvertrauen erarbeiten und Erfolg haben. Die Fans müssen da auch zu uns halten und Geduld haben. Es ist einfach unser Spiel, dass wir auf Ballbesitz spielen.

In der Innenverteidigung wird Eidur Sigurbjörnsson Ihr neuer Partner. Wird das funktionieren?
Ob wir zusammen spielen, wird der Trainer entscheiden. Mit Dominik funktioniert es ja auch. Sigi spricht bisher ja nur Englisch. Das ist kein Problem, meine Freundin ist Amerikanerin. Ich finde es richtig gut, wie er das macht. Er hat das Spielsystem superschnell verinnerlicht. Er wird uns auf jeden Fall weiterhelfen.

Haben Sie den Eindruck gehabt, dass durch die schwierige Vorrunde in der Mannschaft Probleme geben könnte, die den Erfolg gefährden? Grüppchenbildung oder extrem unzufriedene Spieler?
Neben dem Platz auf gar keinen Fall. Ich kenne niemanden, der den anderen nicht leiden kann. Es ist ganz normal, dass man auf dem Platz auch mal unzufrieden wird, wenn es nicht so läuft. Dann sieht man jeden Fehler bei anderen und spricht das auch an. Damit muss man professionell umgehen. Das Wichtigste ist, dass der Mitspieler erst versucht, den Fehler auszubügeln und nicht sofort anfängt zu meckern. Die Gefahr sehe ich bei uns aber auch nicht.

Ist das Spiel in Bremen am kommenden Sonntag schon gleich ein Schlüsselspiel?
Es ist auf jeden Fall für die Psyche wichtig. Wir sollten möglichst nicht ohne Zählbares nach Hause fahren. Es ist zwar noch früh in der Rückrunde, aber schon eine Tendenz, wie man dann startet. Für das Team wäre es wichtig, dort zu gewinnen. Ich bin da auch guter Dinge. Wir haben zu Hause gegen Bremen auch ein gutes Spiel gemacht.

Aufrufe: 020.1.2016, 14:30 Uhr
SHZ / Interview: Christian JessenAutor