2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Will mit Holstein nach oben: Der neue Trainer Markus Anfang.
Will mit Holstein nach oben: Der neue Trainer Markus Anfang.

Holstein Kiels Trainer Anfang freut sich auf die neue Liga

»Wir kommen, um zu bleiben«

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Die Vorfreude ist ihm anzumerken. Trotz kurzer Urlaubszeit braungebrannt, lächelnd und entspannt erscheint Markus Anfang am Freitag zum Interviewtermin. Der Holstein-Coach steht nach dem größten Erfolg seiner noch jungen Trainerlaufbahn vor dem Vorbereitungsstart mit den „Störchen“ für die erste Saison seit 36 Jahren in der 2. Bundesliga. Wir sprachen mit dem 43-Jährigen über Entspannung in der Sommerpause, die Veränderungen in der täglichen Arbeit, die Personalplanung im Kader des künftigen Zweitligisten und über die Erwartungshaltung für die kommende Saison.

Markus Anfang, wie war Ihre Sommerpause nach den ganzen Aufstiegsfeiern? Haben Sie auch mal etwas entspannen können?
Nach dem Pokalfinale haben Tom Cichon und ich noch die Relegationsspiele in Regensburg und München gesehen, um uns einen Eindruck zu verschaffen: Was kommt das auf uns zu? Von da aus sind wir nach Hause gefahren und jeder hat mal ein paar Tage mit der Familie gehabt. Abschalten ist schwer, weil einen zwischendurch Diskussionen um neue Spieler begleiten. Aber es gab den einen oder anderen Moment, in dem man mit einem Glas Wein in der Hand auch mal alles Revue passieren lassen konnte.

Gab es auch mal Phasen, in denen Sie den Fußball komplett ausblenden konnten?
Fußball ist nicht nur mein Job, sondern auch meine Leidenschaft. Der Erfolg wirkt nach, aber man ist schon wieder mit dem Neuen beschäftigt. Das war schon mein ganzes Leben lang so. Aber im Urlaub war es schon so, dass auch mal die Themen der Familie im Vordergrund standen.

Seit Mittwochabend sind Sie wieder in Kiel, hier beginnt jetzt die Kieler Woche. Haben Sie eine Beziehung dazu?
Tom und ich waren am Freitag bei Amy MacDonald und am Sonnabend zur Eröffnung im Rathaus eingeladen. Und unser Funktionsteam kennt hier ja alles. Da wird man sicher abends mal gucken, ob man da noch was macht. Aber da lasse ich mich gerne führen.

Ist ein Abend auf der Kieler Woche für die Spieler verboten?
Jeder Spieler muss das für sich selbst entscheiden. Wir sind in der Vorbereitung auf eine Zweitliga-Saison. Da gibt es Dinge, die wären einfach kontraproduktiv. Wir sollten alles versuchen, um als Neuling bestmöglich vorbereitet in die Liga starten.

Das regeln die Spieler aber eigenverantwortlich?
Kiel ist ja nun keine Millionenstadt. Wir bekommen schon mit, was da abends passiert. Wenn jemand am Abend mit seiner Frau irgendwo Essen geht und ein Glas trinkt, ist das kein Thema. Die Spieler sind ja keine kleinen Kinder. Aber der eine oder andere junge Kerl sollte schon wissen, wo die Grenze ist.

Auf Holstein wartet die 2. Bundesliga. Große Gegner, volle Stadien, besondere Atmosphäre – gibt es etwas in der Liga, worauf Sie sich besonders freuen?

Auf die Liga allgemein freue ich mich. Wir haben die Möglichkeit, Holstein Kiel auf so einer Bühne zu präsentieren. Es wird große Stadien geben, auch volle Stadien. Der eine oder andere wird sich damit vielleicht erst einmal auseinander setzen müssen. Das muss jedem einfach Spaß machen.

War wird sich in Ihrer täglichen Arbeit ändern?
Inhaltlich wird es fast gleich bleiben. Wir sind jetzt etwas breiter aufgestellt. Es war in der 3. Liga schon viel Arbeit. Es gibt neue Probleme, die auf uns zukommen können. Wir werden vielleicht auch mal zwei Tage unterwegs sein, und dann müssen beispielsweise auch die Spieler, die in Kiel bleiben, trainiert werden. Es kommt dabei nicht nur auf die Quantität im Trainerteam an, sondern auch auf die Qualität. Deshalb haben wir jetzt mit Patrick Kohlmann einen dazu genommen, der den Verein auch lebt. Wir werden auch noch einen Scout im Süden dazunehmen, der zuletzt auch schon für uns gearbeitet hat. Wir müssen uns insgesamt als Verein entwickeln, ähnlich wie mit der Mannschaft, die auch im Kern zusammen bleibt und ergänzt wird.

Sie sprechen den Kader an. Was erhoffen Sie sich von den jungen Neuzugängen für die Defensive, David Kinsombi und Atakan Karazor?
David kann eine gute Ergänzung zu unseren Innenverteidigern sein und spielt eher den aggressiveren Part wie Dominik Schmidt. Er hat Einsätze in der 2. Liga gehabt, kann auch auf der Sechs spielen. Es ist gut, dass wir einen dabei haben, der flexibel ist und die Mannschaft an die erste Stelle setzt. Mit Atakan haben wir einen klassischen Sechser dazu geholt. Von der Erfahrung eines Dominic Peitz kann er sicher profitieren. Atakan kommt über fußballerische Qualität, die auch sehr hoch eingeschätzt wird, die er aber auf dem Niveau bisher noch nicht zeigen konnte. Er kann uns auf der Position sehr gut tun.

Im Tor haben Sie mit Lukas Kruse aus Paderborn einen erfahrenen Mann dazu geholt. Wird es einen offenen Konkurrenzkampf geben oder hat Kenneth Kronholm als Aufstiegstorwart weiter die Nase vorn?

Wir haben lange darüber diskutiert, wie wir die Position am besten besetzen. Kenneth hat noch keine Zweitliga-Erfahrung, hat aber eine Top-Saison in der 3. Liga gespielt. Wir haben nicht viele Tore bekommen, und Kenneth hat sich immer wieder steigern können. Wir glauben, dass er auch in der 2. Liga eine richtig gute Saison spielen kann und erstmal starten wird. Wir brauchen aber auch einen, der auch sofort spielen könnte. Alles andere könnten wir uns schwer erlauben. Lukas bringt viele Faktoren mit, hat viel Erfahrung. Er weiß um seine Rolle, geht unseren Weg mit und kann um seinen Platz kämpfen.

Sie haben davon gesprochen, dass Sie Ihren Spielern die 2. Bundesliga zutrauen. Auf welchen Positionen wünschen Sie sich dennoch weitere Verstärkung?
Wir haben noch Ideen, beobachten den Markt. Aber es müssen Spieler sein mit Qualität, die auch mannschaftlich passen. Wir wollen noch stärker werden und uns verbessern. Wir wollen auch einigen, die eine gute Stellung im Team haben, jetzt vermitteln: Du musst schon Gas geben. Das heißt nicht, dass wir Ersatz für jemanden holen, sondern Spieler sollen sich auch positiv reiben, um besser zu werden und uns die Entscheidungen schwieriger zu machen. Es ist noch nicht das Ende der Transferaktivitäten. Aber wir haben keine Not, weil der Kern der Mannschaft steht.

In den letzten Monaten haben Sie eine erfolgreiche Gruppe gebildet, die geschlossen aufgetreten ist, vom Trainer bis zum Betreuer, von Nummer 1 bis 23. Das war vielleicht der wichtigste Faktor des Erfolgs. Wie schwierig ist es, das jetzt auch bei möglichen Misserfolgen aufrecht erhalten zu können?
Das geht nur über ein Thema: Vertrauen. Wie sehr vertrauen die Öffentlichkeit und wir Trainer der Mannschaft? Wie sehr vertraut die Mannschaft dem Trainer? Wie sehr vertraut die Öffentlichkeit dem Trainer? Ich mag auch diese Nummern nicht. Bei mir gibt es nur Kaderspieler, von denen jeder das Vertrauen bekommt, auch spielen zu können. Zuletzt war es so, dass es funktionierte. Und da werde ich nicht aus Aktionismus zu viel verändern. Die anderen haben ihren Beitrag geleistet und sind auch so wichtiger Bestandteil. Jeder kannte seine Rolle und hat die Mannschaft über sich gestellt. Wenn man Kontinuität und Stabilität in die Mannschaft bringen will, muss man Ruhe haben. Wenn wir an uns glauben und in entscheidenden Phasen Ruhe ausstrahlen, wird es auch funktionieren. Wenn Leute glauben, wir sind planlos, wird es schwierig. Die Jungs müssen wissen, was sie machen sollen. Und sie müssen Fehler machen dürfen. Ansonsten verstecken sie sich – das sind dann Unterlassungsfehler, die wir nie machen dürfen.

In der Vorbereitung stehen Holstein mit den Spielen gegen Odense, Schachtjor Donezk und den HSV drei etablierte Profi-Vereine gegenüber. Kommt dem HSV-Spiel eine besondere Bedeutung zu?
Es ist aufgrund des Zeitpunkts sehr wichtig für uns. Das Spiel ist eineinhalb Wochen vor dem Liga-Start. Es wird ein Härtetest für uns, wie weit wir zu dem Zeitpunkt dann schon sind. Während in den ersten Partien alle Akteure gleichmäßig Spielanteile bekommen sollen, wird es in diesen Wochen dann darum gehen, dass sich die Startformation herauskristallisiert.

Nach 36 Jahren Abstinenz wurde die 2. Bundesliga für Holstein teilweise schon als Abenteuer bezeichnet. Können Sie mit dem Begriff etwas anfangen?
Es ist für einige Neuland, das sie betreten. Aber gesehen haben schon, was die 2. Liga bedeutet. Wir wissen also, was auf uns zukommt. Wir wollen das Jahr genießen und für uns nutzen. Jetzt wollen wir hier unseren Weg weitergehen, ohne uns davor zu verschließen, dass andere Vereine in diesem Bereich schon länger gewachsen sind, wo wir gerade noch wachsen. Es wäre schön zu erleben, dass das Stadion irgendwann fertig ist, und wir fester Bestandteil der Profiligen sind. Abenteuer wäre kurz etwas zu erleben. Wir kommen, um zu bleiben.

Wie würden Sie denn das Ziel für die neue Saison formulieren? Klassenerhalt?
Das ist bei vielen Aufsteigern so. Aber Nichtabstieg bedeutet ja Verhinderung. Also sollen wir etwas verhindern? Nein. Das will ich nicht. Ich nehme damit den Gedanken weg, dass wir etwas gewinnen können. Das mache ich nicht. Wir sind bisher zu jedem Spiel gefahren, um es zu gewinnen. Wir haben in der 3. Liga schon anders gespielt, dominant gespielt, um in die 2. Liga zu kommen. Jetzt zu sagen, dass wir nur nicht verlieren wollen, wäre nicht das richtige Zeichen. Das soll nicht arrogant klingen. Es heißt nicht, dass wir die Liga aufmischen werden. Ich will eine gute Saison spielen. Wir wollen rausgehen mit Selbstbewusstsein und das Optimum rausholen. Was das am Ende ist, kann man heute noch nicht sagen.
Aufrufe: 023.6.2017, 15:00 Uhr
SHZ / Interview: Chr. Jessen;Oleg StrebosAutor