2024-04-19T07:32:36.736Z

Im Nachfassen
Wieder einmal zweiter Sieger: Der indisponierte Denis-Danso Weidlich (links) verfolgt Würzburgs Torschützen Nejmettin Daghfous.imago/foto2press
Wieder einmal zweiter Sieger: Der indisponierte Denis-Danso Weidlich (links) verfolgt Würzburgs Torschützen Nejmettin Daghfous.imago/foto2press

Holstein Kiel: Hollerbach deckt Weidlichs Schwächen auf

Nach der Niederlage gegen Würzburg: Neitzel hat ein Innenverteidiger-Problem

Ein cleverer Aufsteiger, ein einfallsloser Ex-Aufstiegsanwärter, eine verdiente Heimniederlage - der Sonnabendnachmittag im Holstein-Stadion war ein typischer für die bisherige Saison. Ohne die Schlüsselmomente zur richtigen Zeit auf der eigenen Seite - wie zuletzt bei den Freistoß-Führungstreffern gegen Großaspach und Stuttgart oder bei der ersten vergebenen Großchance für Großaspach - ist für Holstein Kiel derzeit wenig zu holen. ,,Wir müssen endlich Konstanz in unsere Leistungen und in die Abläufe bekommen", sagte Trainer Karsten Neitzel und attestierte drei, vier Spielern ,,eine seit Wochen schlechte Form" und einigen weiteren eine schlechte Tagesform. ,,Das war zu wenig, um in der 3. Liga Spiele zu gewinnen", sagte der Holstein-Coach.

Dem Kieler Trainer hatte zudem sein Würzburger Gegenüber Bernd Hollerbach mit einem Aufstellungskniff das Wasser abgegraben. Statt im üblichen 4-2-3-1 ließ er sein Team in Kiel in einem 4-4-2 mit Mittelfeldraute beginnen. ,,Wir wussten, dass die Kieler dann hinten Mann gegen Mann spielen würden", erklärte Hollerbach, ,,und wir haben uns mit den beiden schnellen Spitzen Vorteile erhofft." Das ging auf. Am Ende bilanzierte der Gäste-Coach zufrieden: ,,Als Aufsteiger hier ein so gutes Spiel abzuliefern, ist nicht selbstverständlich. Wir hatten noch Möglichkeiten, um mehr Tore zu erzielen."

Mit dem taktischen Wechsel der Gäste wurde deutlich, wo nicht die einzige, aber die entscheidende Schwäche im Kieler Team liegt: auf der rechten Innenverteidiger-Position. Während Rafael Czichos zwar einige ungewohnte Nachlässigkeiten einstreute, insgesamt aber keine entscheidenden Fehler beging, und die beiden Außenverteidiger auch die veränderte Aufgabe (gegen die sehr weit innen spielenden Mittelfeldspieler Benatelli und Karsanidis) souverän lösten, scheint Denis-Danso Weidlich der Manndecker-Rolle endgültig nicht gewachsen. Schon im bisherigen Saisonverlauf fiel der Ex-Rostocker durch Unsicherheit auf (Nord-Sport-Durchschnittsnote 4,17). Gegen Würzburg beging er drei schwer wiegende Patzer. Einmal rettete ihn Keeper Niklas Jakusch noch, als er gegen Adam Jabiri das 1:2 verhinderte.

Doch wie amateurhaft Weidlich zuvor einen einfachen langen Ball unterschätzte und anschließend nicht in den Zweikampf fand, war Ursache des 1:1. Und dass dem Verteidiger - trotz lautstarker Anweisung von Co-Trainer Jan Sandmann wenige Sekunden zuvor - bei der Ecke zum 1:2 Jabiri mit zwei kurzen Schritten im Rücken entwischte, lässt sich auch durch den Fehler von Jakusch, der den Treffer ebenfalls begünstigte, nicht entschuldigen. Dass Weidlichs Zweikampfführung auch ansonsten allzu oft weder die nötige Entschlossenheit noch das richtige Timing zeigt, passt ins Bild.

Neitzel wollte - verständlicherweise - nicht öffentlich in die Einzelkritik gehen. ,,Wer die Fehler macht, ist letztlich egal. Es ärgert mich einfach, dass wir wieder solche Gegentreffer kassieren", sagte er.Dass Hollerbachs überraschende Taktik auch andere Folgen hatte, spielte da fast eine Nebenrolle. ,,Es wirkte so, als wenn nicht alle Spieler immer den Ball haben wollten", bemängelte Neitzel. ,,Bei eigenem Ballbesitz muss man nicht so eng bei seinem Gegenspieler bleiben."

Neben Kapitän Maik Kegel fanden vor allem die beiden offensiven Außenbahnen nicht so statt wie erhofft. Ob das daran lag, dass Manuel Janzer und Steven Lewerenz - aufgrund der in der Mitte gebundenen Außenverteidiger - defensiv fast allein die Außenbahnen beackern mussten und es offensiv an Mut fehlte? ,,Das kann eigentlich nicht sein. Dass wir in der Defensive ein 4-4-2 mit Raute aufnehmen müssen, ist ja nicht so außergewöhnlich", sagte Neitzel völlig zu Recht. Die Elf des Vorjahres, in den Disziplinen Offensivtempo und fußballerische Fähigkeiten schlechter aufgestellt als die jetzige, hätte binnen weniger Minuten von selbst die richtigen Schlüsse gezogen. Intuitiv und selbstverständlich hätten Kazior, Vendelbo, Krause & Co. die richtigen Umstellungen vorgenommen. Für die benötigte es nun kurz nach Spielbeginn noch detaillierte Anweisungen des Trainers an den Kapitän.

Die Konsequenz dieser Erkenntnisse: Es fehlt letztlich eben doch an Qualität. Beim zweiten Innenverteidiger, derzeit auch grundsätzlich im Angriff (das letzte Tor der drei gelernten Stürmer datiert vom 3. Spieltag), in der defensiven Selbstverständlichkeit auf den offensiven Außen. Sagen mag Neitzel das nicht. Er braucht auch die Spieler, die - ob nur derzeit oder grundsätzlich - nicht die erhoffte Qualität zeigen, noch weiterhin.

Ändern muss er dennoch etwas: Für Weidlich ist zumindest die Zeit als Innenverteidiger abgelaufen. Auch wenn am Sonnabend in Erfurt dazu noch Czichos fehlt - größer als mit Weidlich wird das Risiko in der Viererkette nicht. Dominik Schmidt und Manuel Hartmann stehen als Alternativen noch bereit. Und selbst die kreative Lösung, die hieße, dem mit der Taktik vertrauten Abwehrnovizen Tim Siedschlag (,,Er kann alles spielen", so Neitzel) die Innenverteidigerrolle neben Schmidt zukommen und Evans Nyarko wieder die Mittelfeldzentrale besetzen zu lassen, wäre eine bessere als am Status Quo festzuhalten.
Aufrufe: 01.12.2015, 17:00 Uhr
SHZAutor