2024-04-25T14:35:39.956Z

Holstein Spezial
Starkes Duo in Holsteins Führung: Geschäftsführer Wolfgang Schwenke (re.) und Sportlicher Leiter Ralf Heskamp
Starkes Duo in Holsteins Führung: Geschäftsführer Wolfgang Schwenke (re.) und Sportlicher Leiter Ralf Heskamp

Heskamp: "Die 2. Liga ist leichter zu finanzieren"

Ein Blick auf Holstein Kiels Finanzen und die wirtschaftliche Entwicklung

Finanziell gesund – dieses Attribut erhält Holstein Kiel bereits seit Jahren in der Öffentlichkeit. Die „Störche“ stehen für pünktlich gezahlte Gelder, ein gutes (aber nicht mehr überzogenes) Gehaltsniveau, keine Skandale und keine Lizenzsorgen, dafür aber für potente Hauptsponsoren und inzwischen auch für grundsolide Etatplanung. Im Fall eines Aufstiegs würde dies umso mehr gelten.

„Die 2. Liga lässt sich für jeden Verein deutlich leichter finanzieren als die 3. Liga“, weiß Holsteins Sportlicher Leiter Ralf Heskamp, der jahrelang als Geschäftsführer beim VfL Osnabrück über die Finanzen eines Vereins wachte, der eben zwischen jenen beiden Ligen pendelte. „Inzwischen haben sich die finanziellen Bedingungen für die Zweitligisten noch einmal verbessert“, weiß er. „Sollten wir den Aufstieg schaffen, könnten wir im nächsten Jahr mit bis zu 5,3 Millionen Euro Fernsehgeld planen.“ Zum Vergleich: In der 3. Liga erhalten die Kieler derzeit 753.000 Euro.

Das Fernsehgeld macht einen Großteil der Mehreinnahmen aus und sorgt auch dafür, dass für jeden Profi-Verein ein Aufstieg immer einen finanziellen Anreiz darstellt. In unteren Klassen, insbesondere an der Schwelle von der Oberliga zur Regionalliga und von der Regionalliga zur 3. Liga, sieht das teilweise anders aus. Dort fressen nötige Infrastruktur- und Professionalisierungsausgaben den größten Teil der Aufstiegsgewinne – oder sogar mehr als das. In der 3. Liga, die in allen Bereichen eine Profiliga ist, verfügen ohnehin alle Vereine über fast alle in der 2. Bundesliga benötigten Rahmenbedingungen. „Wir wären auf einen Aufstieg gut vorbereitet“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Schwenke.

Nicht zuletzt, weil auch im Werbebereich die Möglichkeiten größer werden und die Einnahmen steigen. „Von der Fernsehpräsenz her ist die 2. Liga der Hammer“, sagt Schwenke. „Da werden wir für Werbepartner noch einmal interessanter.“ Seine Arbeit war schon in der Regionalliga und in der 3. Liga erfolgreich. In Schwenkes Amtszeit seit 2009 hat sich der „Störcheclub“, der Zusammenschluss vor allem kleinerer und mittlerer Sponsoren, von gut 70 auf knapp 230 Partner vergrößert. „Das ist die Basis dafür, um unabhängig vom sportlichen Erfolg in Kiel guten Fußball anbieten zu können“, ist der 47-Jährige überzeugt.

Für diese Basis wurde schon in den letzten Jahren Investitionen getätigt, die sich auszahlen. „Wir haben die LED-Wand geschaffen, seit einigen Jahren Werbeflächen an den neuen Flutlichtmasten, zum nächsten Heimspiel stellen wir erstmals 244 Meter Rollbanden auf“, zählt Schwenke Entwicklungsschritte für die Präsentation der Partner auf. Und auch für die Fans wurde nach und nach „besserer Service geboten“, wie Schwenke erklärt. So wird im Stadion Kinderbetreuung angeboten, zuletzt wurde der Online-Fanshop runderneuert. Vor allem gibt es das Park&Ride-Ticket, mit dem jeder Fan, der im Besitz einer Eintrittskarte ist, aus dem gesamten Land (ob aus Sylt, Flensburg oder Itzehoe) mit Bus und Bahn kostenlos zu den Spielen anreisen kann. „Das ist ein Service, den in dieser Form kaum ein Verein bietet“, betont Schwenke.

Dass die Kieler da stehen, wo sie jetzt stehen, ist aber nicht nur der breiteren Basis zu verdanken. Jahrelang sorgten die millionenschweren Handelsunternehmer Gerhard Lütje, Inhaber der Citti-Märkte, und Dr. Hermann Langness, Besitzer der famila-Gruppe, für die nötige Unterstützung. „Wie die beiden sich seit Jahren für Kultur und Sport in Kiel engagieren, nicht nur bei Holstein, das ist vorbildlich“, stellt Schwenke heraus. Weit über das Sponsorenengagement mit ihren Firmen hinaus leisteten die beiden wichtigsten Mitglieder des Holstein-Aufsichtsrats dem Verein immer dann Hilfe, wenn finanziell der Schuh drückte. Das war seit der Neustrukturierung im Kieler Fußball im Jahr 2000 vor allem in den ersten Jahren regelmäßig der Fall. „Der Verein hätte ohne die beiden ganz sicher nicht diese Entwicklung nehmen können“, weiß Schwenke. Ohne Finanzspritzen aus dem Privatvermögen der beiden Kaufleute wäre Holstein heute kein wirtschaftlich gut aufgestellter Drittligist. Insgesamt floss in den vergangenen 15 Jahren eine zweistellige Millionensumme in die Unterstützung des Vereins und den Ausgleich defizitärer Saisonbilanzen.

Sichtbar ist das schon seit langer Zeit in Projensdorf, wo ein modernes Geschäftsstellengebäude entstanden ist. Dass zuletzt „in Steine statt in Beine“ investiert wurde, belegen zudem der Kabinentrakt, Fitnessräume und Sporthalle auf dem Gelände. Optimale Rahmenbedingungen für das Training der Profis und das Nachwuchsleistungszentrum wurden geschaffen. Mehrere Rasen- und Kunstrasenplätze bilden ein ohne Wenn und Aber zweitligareifes Vereinsgelände.

Ein Zweitliga-Aufstieg wäre auch im sportlichen Bereich der verdiente Lohn für das Engagement von „L&L“, wie Lütje und Langness im Vereinsumfeld gern genannt werden. Angepeilt war die 2. Liga bereits mehrfach. Gehälter wie in der 2. Bundesliga wurden bei Holstein hier und da schon vor zehn Jahren gezahlt. Unter Trainer Frank Neubarth war man einmal nah dran, mit der Verpflichtung von „Sonnenkönig“ Falko Götz wurde einst der Zweitliga-Aufstieg im Jahr 2012 als Ziel ausgegeben. Von „Klein-Hoffenheim“ war damals in der überregionalen Presse schon oft zu lesen. „Wir haben damals sicher einige Dinge falsch eingeschätzt“, weiß Präsident Roland Reime heute.

Nach dem schnellen Ende der Ära Götz wurden Weichen gestellt. Die Installation von Schwenke als Geschäftsführer und Andreas Bornemann als Sportlicher Leiter, dem Heskamp vor einigen Monaten nachfolgte, war der entscheidende Schritt. Mit den beiden hauptamtlichen Präsidiumsmitgliedern gelang die Entwicklung von reiner finanzieller Potenz hin zu Solidität und Nachhaltigkeit. „Beide haben im Tagesgeschäft weitgehend freie Hand. Das hat sich als der richtige Weg erwiesen“, erklärt Reime, der in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden ist, aber inzwischen vor allem als Repräsentant wirkt.

Das andauernde finanzielle Engagement von „L&L“ wirkt seit der Strukturveränderung endlich wie erhofft als Anschubfinanzierung, auch wenn das dem einen oder anderen nach dem Abstieg 2010 nicht schnell genug ging. Die Spieler werden gut und angemessen, aber nicht mehr fürstlich entlohnt. „Wir machen nicht alles mit“, stellt Schwenke klar, der als früherer Handball-Nationalspieler die Befindlichkeiten einer Profi-Mannschaft genau kennt. „Ich könnte in die Kabine gehen und vor der Mannschaft jedem erklären, wer warum wieviel verdient“, sagt der 47-Jährige. Dass das mal anders war, merken die Holstein-Verantwortlichen noch hier und da in Gesprächen mit Spielerberatern. „Da müssen wir eben auch mal nein sagen und andere Lösungen finden, wenn jemand glaubt, Holstein wäre ein Selbstbedienungsladen“, so der Geschäftsführer.

Erste Erfolge stellten sich auf dem neuen Weg schnell ein. Die DFB-Pokal-Saison 2011/12 mit dem Erreichen des Viertelfinals gegen Borussia Dortmund und Einnahmen von weit über zwei Millionen Euro sorgte erstmals auch für ein Stück sportliche Refinanzierung. Neben der Sponsorenbasis wuchs auch die Zuschauerresonanz von Jahr für Jahr. Im Frühjahr 2010 kamen in der 3. Liga zwischen 2200 und 4700 Zuschauer pro Spiel ins Stadion. Zuletzt waren selbst gegen Schlusslicht Regensburg schon mehr als 6000 Fans dabei. Den wichtigsten Unterschied zu früheren Jahren stellt Schwenke heraus: „Wir wissen vor jedem Jahr, was wir ausgeben dürfen. Und seit ich hier bin, haben wir noch in keiner Saison mehr ausgegeben.“

Die sportliche Entwicklung hilft dabei. „Der Wiederaufstieg in die 3. Liga war schon ein ganz wichtiger Schritt“, stellte Reime nach dem entscheidenden Sieg in Kassel vor zwei Jahren fest, merkte aber auch an: „Ohne größere finanzielle Risiken kann man wohl erst in der 2. Liga arbeiten. Da trägt sich der Verein dann selbst.“ Das wäre im Fall eines Aufstiegs auch bei Holstein der Fall. Hält man sich längere Zeit in der höheren Klasse, steigen allerdings auch Ausgaben und Ansprüche. „Gerade im Bereich der Personalkosten muss man anfangs Jahr für Jahr mit höheren Ausgaben rechnen“, erklärt Heskamp. „Verträge, die man verlängert, werden nach und nach der Spielklasse angepasst. Und wenn man gestandene Zweitliga-Spieler verpflichtet, erwarten die auch eine entsprechende Bezahlung.“

Ein Problem stellt das alles für Holstein nicht dar. Denn auch wenn sich mit einem Zweitliga-Aufstieg der sportliche Lebenstraum von Gerhard Lütje und Dr. Hermann Langness erfüllen würde und größere Finanzspritzen nicht mehr nötig wären – im Notfall könnte sich Holstein Kiel auch weiterhin auf beide verlassen. Schwenke und Heskamp wollen hingegen dafür sorgen, dass so ein Notfall nicht mehr eintritt. „Wir tun alles, um diesen Verein erfolgreich zu machen“, sagt Schwenke. „Dabei dürfen wir im Gegensatz zu den Fans nicht emotional werden.“ Dass sich auch von außen kritisierte Entscheidungen (an Trainer Neitzel festzuhalten, keinen teuren Stürmer verpflichten u.a.) im Nachhinein als richtig erwiesen, bestätigt den Kieler Weg. „Wir hinterfragen uns ja auch ständig. Und auch in erfolgreichen Jahren machen wir vielleicht den einen oder anderen Fehler“, weiß Schwenke. „Das gehört zum Sport dazu. Das Wichtigste ist, dass kein Stillstand eintritt.“ Davon sind die Kieler in dieser Saison – und zwar unabhängig davon, ob der Aufstieg gelingt – weit entfernt.

Aufrufe: 01.4.2015, 16:05 Uhr
SHZ, Christian JessenAutor