2024-05-02T16:12:49.858Z

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Machten eine gute Figur: Die Kicker der SG Schnelldorf/Wolframs-Eschenbach mit ihrem nicht ganz jugendfreien Trikotsponsor. F: Zink
Machten eine gute Figur: Die Kicker der SG Schnelldorf/Wolframs-Eschenbach mit ihrem nicht ganz jugendfreien Trikotsponsor. F: Zink

Hansi Brunner, der neue Aytekin und "Beate Uhse"

Nürnberger Mannschaften dominierten die Futsal-Endrunde im Kreis, auch neben dem Platz gab es den einen oder anderen Volltreffer

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„Mehr Technik, weniger Verletzungen, schnelleres Spiel“ - so preist der BFV den Hallenfußball nach Fifa-Regeln an. Futsal ist seit der vergangenen Sai­son Pflicht und eigentlich auch nett anzuschauen, wenn die Mannschaf­ten das Spiel mit dem kleineren Ball draufhaben. Die Endrunde in Herrie­den brachte aber nicht nur guten Sport. Ein paar Randnotizen von der Kreismeisterschaft.
Sie tanzten und sangen und klatsch­ten, als sei Dergahspor soeben Futsal-Europameister geworden. Viele Zuschauer beim Endturnier in Herrie­den wähnten sich im Fan-Block eines türkischen Stadions. „Oh, Dergah­spor“ stimmten die Spieler des Lan­desligisten an, „Champion, Champi­on“, die Gefühle spielten vorüberge­hend verrückt. Erwachsene Männer freuten sich wie kleine Buben über den Kreismeistertitel. Schöner und lauter kann man einen Finalsieg wahr­scheinlich nicht feiern.

Das letzte Spiel am Samstagnach­mittag war eines der wenigen ohne Zehnmeter. Der wird fällig nach dem fünften und jedem weiteren Mann­schaftsfoul, bleibt aber in den meisten Fällen folgenlos. Der kleine und nicht ganz so hart wie sein Freiluftkollege aufgepumpte Ball flog überall hin, nur eben selten ins (Handball-)Tor, bloß ungefähr jeder fünfte Versuch führte zu einem Treffer. Häufig muss­ten sich die Torhüter nicht mal stre­cken, um zu parieren. Den Schützen schien meist schon der Glaube zu feh­len, erfolgreich sein zu können. Klei­ner Tipp: Einfach voll drauf, am bes­ten mit der berühmten Spitze – selbst ein kleiner Ball kann wehtun.

Auch Hans-Jürgen, genannt „Han­si“ Brunner, schaute am Samstag vor­bei. Der ehemalige Club-Profi kommt ja aus Herrieden und wohnt da auch seit längerem wieder, er ist äußerst hei­matverbunden. Und hängt, wie er im Foyer der Realschulhalle verrät, immer noch sehr am 1. FC Nürnberg. Seit drei Jahren ist er sogar Mitglied, Fan schon viel, viel länger. Brunner ist oft im Stadion, meistens in Block 15 B, für das Pokalspiel gegen Hertha BSC hatte er sich eine Karte für Block 9 besorgt. „Ich wollte unbedingt mal zu den Ultras“, erzählt Brunner. Er war auch dort, bloß vom Spiel hat er nicht viel mitbekommen. „Vor lauter Fahnen habe ich den Platz kaum noch gesehen.“ Viel verpasst hat er nicht.

Mit Trikotwerbung lässt sich im Amateurbereich nicht viel Geld ver­dienen, eigentlich gar keins. In den meisten Fällen darf sich der Spender eines Satzes Sporthemden mit einem Schriftzug auf der Vorderseite verewi­gen, das war’s dann auch. Wie die SG Schnelldorf/Wolframs-Eschenbach an „Beate Uhse“ als Sponsor heran­kam, wollte am Samstag niemand ver­raten. Nicht ganz so sexy, dafür aber bodenständig präsentierten sich die sieben anderen Teilnehmer, ihr Dank gilt folgenden Unternehmen: Scherzer Gemüse (TSV Buch), Autohaus Tho­mas (Bayern Kickers), Quelle, Friki (SG Quelle), Landwehr-Bräu (TuS Feuchtwangen), Autohaus Döhler (TSV Rothenburg), Wohnzentrum Schüller (SG Herrieden), Bonn Dienst­leistungen (Dergahspor).

Beim TSV Buch hatten sie den Schwerpunkt wohl anders gesetzt. Oder sich in der Woche geirrt. Ledig­lich sechs Namen standen auf dem offi­ziellen Spielberichtsbogen. Schuld daran war das traditionsreiche Nacht­turnier des TSV/DJK Wiesentheid. Dummerweise in der Nacht davor. Platz drei sprang heraus, nach einem 3:2 gegen die DJK Oberschwar­zach/Wiebelsberg. Udo Brehm durfte sich Torschützenkönig nennen, Kevin Kosuchowski bester Torhüter. Der war ein paar Stunden später auch in Herrieden dabei, wo andere fehlten. Mit dem Aus nach der Gruppenphase haderte der TSV Buch trotzdem.

Bei so einem Hallenturnier wie in Herrieden kann man auch viel über die Anfänge erfahren. Das erste seiner Art in Bayern fand demnach zu Beginn der 70er Jahre in Ansbach statt, wie Otto Koller erzählt, der damalige Organisator. In der alten Rezathalle, auf Betonboden, einen Tag nach einem Schweinemarkt. Von der US-Armee mussten sie sich riesige Turbinen leihen, um den Untergrund trocken zu kriegen. Der Gestank blieb. Trotzdem kamen über 1000 Zuschauer, um die SpVgg Ansbach, den TuS Feuchtwangen oder den FC Gunzenhausen zu sehen. Ungefähr doppelt so viele wie am Samstag.

Großes Glück hatte der bekannte Sportfotograf Wolfgang Zink, mögli­cherweise war es auch Können. Jeden­falls konnte er den Ball nicht sehen, den ein Zuschauer zurück aufs Feld warf. Beziehungsweise aufs Feld wer­fen wollte. Stattdessen landete die Kugel im Nacken des Sportfotografen und gar nicht weit entfernt von seiner rund 10.000 Euro teuren Kamera in der linken Hand. Wolfgang Zink ließ die Kugel routiniert abtropfen, seinen Buckel hinabrutschen - als würde ihm das 30-mal am Tag widerfahren. Ein Profi eben.

Ähnliche Kunststücke zeigten die Bayern Kickers auch, allerdings in hohem Tempo. Tore mit der Hacke, Torvorlagen mit der Hacke, rasante Kombinationen. Nur eben nicht im Finale. Da ließen sie sich von Dergah­spor überrennen, Endstand 2:4. Dritte Endspiel-Niederlage in Folge. Nächs­ter Versuch: am Samstag bei der Bezirksmeisterschaft in Baiersdorf.

„Der Trend hat sich dramatisch ver­stärkt“, sagt Kreisspielleiter Thomas Raßbach. Er meint die seit Jahren rückläufigen Teilnehmerzahlen an der Kreismeisterschaft. 2015/2016 wollte nur noch ungefähr jeder dritte Verein von insgesamt 220 mitmachen. Ob’s am aufgezwungenen Futsal lie­gen könnte? Große Hoffnungen setzt Raßbach vor allem in Spielgemein­schaften.

Sein Sohn Thomas M. Raßbach stand am Samstag an der Linie. 22 Jah­re ist er alt und darf bereits Landesli­ga-Spiele leiten, er zählt zu den größe­ren Schiedsrichter-Talenten im Kreis. Ein gutes Omen könnte seine Karriere begleiten. Den heutigen Fifa-Referee Deniz Aytekin lernte der Verfasser die­ser Zeilen wo kennen? Bei der Hallen-Kreismeisterschaft 2002.

Die Addition der Regelverstöße, beim Futsal höchst offiziell als kumu­lierte Fouls bezeichnet, kann kuriose Situationen heraufbeschwören. Am Samstag rief der Spieler eines Halbfi­nalisten während einer Auszeit kurz vor Schluss: „Wir brauchen nur noch ein Foul, Männer. Ein Foul!!!“ Nach dem fünften Mannschaftsfoul des Geg­ners gibt es automatisch einen Zehn­meter und nach jedem weiteren den nächsten. So kam es, wie es wohl kom­men musste. „Und mit der Schlusssire­ne noch ein Foul und ein weiterer Zehnmeter“, kommentierte der Hal­lensprecher die letzten Sekunden. Der fällige Strafstoß - verpuffte, ohne zählbaren Erfolg. Und die Moral von der (Futsal-)Geschicht: Fouls lohnen sich eben doch.

Aufrufe: 013.1.2016, 05:22 Uhr
Wolfgang LaassAutor