2024-05-02T16:12:49.858Z

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Louis als Torwart mit Beinprothese auf dem Fußballplatz. Der Zehnjährige hat eine Krebeserkrankung überstanden. Foto: Maya Peters
Louis als Torwart mit Beinprothese auf dem Fußballplatz. Der Zehnjährige hat eine Krebeserkrankung überstanden. Foto: Maya Peters
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Hackentricks mit der Prothese

Sportfreunde Schwäbisch Hall: Louis Ben Wandrey ist zehn Jahre alt. 2013 erkrankte er an Knochenkrebs

Jugendfußball: Louis Ben Wandrey ist zehn Jahre alt. 2013 erkrankte er an Knochenkrebs. Für die Sportfreunde Schwäbisch Hall darf er bei offiziellen Spielen auflaufen – mit einer Prothese.

Ich bin der Größte“, jubelt der blonde Zehnjährige. Gerade hat E-Jugend-Trainer Franz Deutschmann bei den Sportfreunden Schwäbisch Hall seine Jungs der Größe nach sortiert. Louis Ben Wandrey ist ein aufgeweckter Junge, dem es schwerfällt, den Ball und die Füße ruhig zu halten. Stillstand kostet ihn scheinbar mehr Energie als Bewegung.

Der Zehnjährige springt von den Zuschauerrängen über die Brüstung, direkt hinunter auf das Grün. „Louis“, tadelt ihn Mutter Katrin Wandrey, „das ist zu hoch.“ Ein helles Lachen gibt es zur Antwort. Und einen weiteren Grasfleck auf dem Knieüberzug der Prothese. Louis ist Ende 2013 an Knochenkrebs erkrankt. Seit über einem Jahr trainiert er bei den Sportfreunden, nach langem Hin und Her hat er nun seit einigen Wochen einen Spielerpass.

Dazu hat er eine sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Sportversicherung benötigt. Bei der Behandlung im Jahr 2014 musste sein linker Unterschenkel teilamputiert werden. Er verbrachte viel Zeit im Krankenhaus in Heidelberg, erhielt Chemotherapie und hat einen langen Leidensweg hinter sich. „Ich war neun, als es aufgehört hat“, fasst Louis zusammen. Dieses „Es“ ist der Krebs, die Angst, der Kampf ums Leben.

Mit einer Riesenportion Ehrgeiz

Der trotz dieser Biografie fröhliche Junge scheint mit der Prothese ebenso wendig zu sein wie seine Mannschaftskameraden. Dazu kommt eine Riesenportion Ehrgeiz. „Mein Lieblingsfach ist Sport“, berichtet der Fünftklässler. Bei Barcelona gegen Bayern habe seine Fußballleidenschaft begonnen, seit der EM 2016 ist er Ronaldo-Fan. Er rennt im freien Spiel dem Ball hinterher. Seine liebste Position aber ist im Tor. Auch Kabinettstücke mit der Hacke habe er in den Sommerferien geübt, mit einer Sportprothese, wie man sie von den paralympischen Sportlern kennt. „Bis er es konnte“, sagt seine Mutter und zeigt stolz ein Video.

Auch Pressesprecher Heiner Baumeister und Spielbetriebsleiter Thomas Proksch vom Württembergischen Fußballverband (WFV) sind vor rund zwei Monaten auf die Auwiese gekommen, um Louis beim Training zuzusehen. Es galt zu prüfen, ob er sich oder andere mit der Prothese verletzen könnte. Bei dem Vor-Ort-Termin dabei war auch Marcus Stoll, Orthopädietechnikmeister der Firma Apt im Westerwald. Dank seiner Prothese ist Louis wieder mobil. Er zieht sie ab und an wie andere Leute einen Schuh. Sie ist längst ein Teil von ihm geworden. Durch ein passives Vakuumsystem hält die Prothese am teilamputierten Unterschenkel.

WFV-Mitarbeiter staunen

Louis hat zusätzlich ein „Aqualeg“ – eine hautfarbene, flexible Form – darüber gezogen. „Jetzt ist er weg, wie der springt“, staunten die beiden Männer vom WFV und sahen dem Jungen nach. Der Eindruck ist: Louis lebt im Hier und Jetzt. Insgesamt fünf Jahre lang muss er alle sechs Wochen nach Heidelberg zur Kontrolle. Eineinhalb Jahre sind geschafft. Louis hat sich seinen Alltag zurückerobert.

„Der Hammer ist wirklich, was der Louis für einen Freundeskreis hat“, freut sich Katrin Wandrey für ihn. Auf dem Rasen des Haller Optima-Sportparks befinden sich Fußballkinder der Jahrgänge 2006 und 2007. Mitten unter ihnen ist Louis. Beidseitig trägt er Schienbeinschoner und Stutzen, so wie die anderen. Er ist ein Beispiel für gelebte Inklusion, also für Zugehörigkeit oder Einbeziehung. Im Sport stehe die Leistungsorientierung jedoch oft noch vor Leidenschaft und Spielfreude. „Vielleicht hat Louis hier eine Chance, auch beim Turnier mitzuspielen“, hofft Katrin Wandrey. Froh sei sie, dass der Trainer sich so für die Thematik interessiere. Franz Deutschmann signalisiert: „Alle sollen die gleiche Spielzeit haben.“

Von Louis und der Prothese ginge jedenfalls keine Gefahr aus. „Wenn ich reich bin, kaufe ich dir ein Haus, und du musst nie mehr putzen“ – das habe ihr Louis versprochen, erzählt die Mutter gerührt. Er ginge selbstbewusst davon aus, Profi-Sportler zu werden. „Die Paralympics haben wir im Krankenhaus in Heidelberg das erste Mal zusammen geschaut“, erinnert sie sich. Dabei habe sie bereits gewusst, dass ihr Sohn amputiert werde. Er war noch nicht informiert. „Mensch Louis, schau mal, was die alles können“, habe sie gestaunt.

Und jetzt? Jetzt kennen sie Paralympics-Sportler wie David Behre und Heinrich Popow persönlich. Beide gewannen kürzlich Medaillen in Brasilien und tragen Beinprothesen. „Wir hatten als Eltern eine wahnsinnige Angst vor der Amputation“, erinnert sich die Mutter. Die Prothese sei eine Chance für den sportlichen Louis. „Er hat kein Problem damit. Er macht es uns leicht“, freut sie sich.

Aufrufe: 030.12.2016, 09:57 Uhr
HT / Von Maya PetersAutor