2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Trainiert RW Walldorf seit Sommer:  Max Martin.	 Foto: Uwe  Krämer
Trainiert RW Walldorf seit Sommer: Max Martin. Foto: Uwe Krämer

"Gruppenliga ist nicht mein Ding"

Walldorfs Trainer Max Martin über die Herbstmeisterschaft, die größten Konkurrenten und Teambuilding beim Weinfest

Die Gruppenliga-Fußballer von Rot-Weiß Walldorf haben sich in dieser Saison den Aufstieg in die Verbandsliga zum Ziel gesetzt und sind nach 16 von 32 Spieltagen Tabellenerster. Trainer Max Martin spricht im Interview über die Hinrunde, die Konkurrenz im Titelkampf und die Gründe, warum er das Spielsystem geändert hat.

Herr Martin, trotz erheblicher Verletzungssorgen hat Ihr Team die Herbstmeisterschaft mit vier Punkten Vorsprung auf Michelstadt errungen. Sind die anderen Teams so schlecht?

Platz eins ist nicht unbedingt unserer tollen Leistung geschuldet. Die anderen haben sicher geschwächelt, und die Liga ist sehr ausgeglichen. Wir stehen besser da, als wir sind, wenn man die individuelle Klasse vergleicht, weil wir halt auch erst ein halbes Jahr zusammenspielen. Aber wir stehen auch besser da, als ich mir vor der Saison erhofft hatte. Meine Vorgabe war: Wenn wir zur Winterpause drei, vier Punkte hinter dem Ersten stehen, ist das noch akzeptabel, dann greifen wir im neuen Jahr an.

Walldorf hat „nur“ den siebtbesten Sturm der Liga und die drittbeste Abwehr. Warum stehen Sie trotzdem vorne?

Die ersten Monate habe ich versucht, meine Spielidee durchzudrücken: Dominant, mit viel Ballbesitz, offensiv, Gegenpressing, Spielverlagerung in die gegnerische Hälfte. Die ersten sieben Spiele haben wir alle gewonnen und viele Tore geschossen, das war auch einer gewissen Anfangseuphorie geschuldet. Dann hat sich aber jeder Gegner hinten reingestellt, und wir sind nicht mehr so gut durchgekommen. Weil wir hinten anfällig waren, haben wir uns etwas zurückgezogen, schauen jetzt, dass wir wenig Gegentore kassieren, und hoffen auf Konter oder Standardtore.

Der SV Rot-Weiß hat den größten personellen Umbruch seit vielen Jahren erlebt. Wie war es möglich, trotz der vielen Neuzugänge so schnell ein funktionierendes Team zu formen?

Ich bin kein Freund von Teambuildingmaßnahmen wie Rafting, Kletterwald oder so. Mir ist wichtiger, dass die Jungs einen richtigen Einstand haben, mal zusammen ausgehen und feiern. Ich habe Wert darauf gelegt, dass sich die Jungs am Walldorfer Weinfest beteiligen. Wenn man Flaschen einsammelt oder Tische abwischt, kommt man ins Gespräch – auch mit den Fans. Und so ein Arbeitseinsatz eint die Spieler mehr als eine Fahrt im Kanu. Schließlich brauchst Du Typen wie Dominik Lewis, die die jungen Spieler packen, auf die sie hören. Darauf muss man bei der Kaderzusammenstellung achten.

Was lief in der Hinrunde gut, womit waren Sie noch nicht zufrieden?

Mit der Art und Weise, wie wir Fußball spielen, bin ich nicht zufrieden. Mangelhaft waren die Arbeit gegen den Ball und das Defensivverhalten, aber das betrifft nicht nur die Vierer-Abwehrkette. Stärke ist unser Offensivspiel, solange der Gegner Interesse hat mitzuspielen. Aber wenn er nur hintendrin steht, dann sind wir selten in der Lage, den Gegner zu knacken. Daran müssen wir noch arbeiten. Deshalb auch der Systemwechsel: Erst einmal zurückziehen, dem Gegner das Feld überlassen, damit wir mehr Platz haben, nach vorne zu spielen.

Wer sind die größten Konkurrenten im Kampf um Platz eins?

Ich hatte und habe noch den SV Münster auf der Rechnung, weil das eine junge, eingeschworene Truppe ist, mit einem Trainer, von dem ich eine hohe Meinung habe. Dann muss man mit Unter-Abtsteinach rechnen und mit Michelstadt, die eine sehr gute Offensive haben. Vielleicht noch mit Biebesheim, das sich schon lange oben hält. Ober-Roden spielt wohl nicht konstant genug.

Warum ist ihr Abwehrchef Efkan Yildiz trotz seiner 37 Jahre nicht aus der Mannschaft wegzudenken?

Er hat einen Charakter, den man heutzutage lange suchen muss – nicht nur im Fußball. Er opfert sich für andere auf, ist ehrlich, ehrgeizig und diszipliniert. Man kann sich auf und neben dem Platz hundertprozentig auf ihn verlassen. Ein ganz, ganz feiner Mensch und deshalb auch mein Kapitän.

Warum spielt Muharrem Reka keine Rolle mehr, eine der Stützen der Vorsaison?

Er hat einen Vertrag unterschrieben, kam aber die ersten Wochen nicht und ist jetzt in Pfungstadt. Er fiel genauso unerwartet weg wie Samet Uzun, den wir für eine Ablöse von Rot-Weiß Darmstadt geholt haben. Der hat sich einfach nicht mehr gemeldet. Das ist enttäuschend, und das wäre eben bei Efkan Yildiz nie passiert. Da gilt noch: ein Mann – ein Wort.

Auch die zweite Mannschaft liegt in der A-Liga gut im Meisterschaftsrennen. Wie wichtig ist sie für die erste Vertretung?

Ich arbeite wie in Urberach sehr gut mit Trainer Cano Dursun zusammen, da ist die Zweite auch schon Meister geworden. Für mich ist die Reserve sehr wichtig, denn ich habe viele junge Leute im Kader. Eren Duban, der letzte Saison noch in der A-Jugend war, spielt ja aktuell, andere kommen nicht so zum Zug. Die müssen aber in dem Alter spielen, spielen, spielen, um sich weiterzuentwickeln. Und das können sie hier auf A-Liga-Niveau.

Am 14. Mai erwarten die Rot-Weißen zum Saisonabschluss Aufsteiger TSV Seckmauern. Warum sollten Sie an dem Tag nicht die Meisterschaft feiern?

Weil da sicher einige Mannschaften was dagegen haben. Und meine Jungs sind unberechenbar. Ich hatte keinen im Kader, der in der Vorbereitung oder während der Runde nicht im Urlaub war. Man hat im Amateurbereich nicht viele Druckmittel, sondern muss die Balance zwischen Mahnen und Loben finden, das ist nicht immer einfach. Und wenn mal eine Negativphase kommt, muss man sich schnell wieder rausarbeiten, das ist uns zuletzt zum Glück gelungen.

Aber Sie glauben noch an den Titelgewinn?

Ich habe vor der Saison gesagt, dass ich Meister werden will, und sage es nach wie vor. Die Gruppenliga ist nicht mein Ding. Ich nehme der Mannschaft auch nicht den Druck. Ich habe gesagt: Entweder ihr könnt damit umgehen, Meister werden zu müssen, oder ihr seid bei mir und bei Rot-Weiß Walldorf fehl am Platz.

Ist der Kader schon verbandsligatauglich?

Definitiv nein. Wenn wir aufsteigen, brauchen wir Verstärkungen.

-------------------------------------------------------------------------------------------------------
Zur Person

Max Martin (34) begann mit dem Fußballspielen bei der TSG in Messel, wo er aufwuchs und heute wieder wohnt. In der C-Jugend wechselte der Stürmer zu Darmstadt 98, in der A-Jugend trug er ein Jahr das Trikot der Frankfurter Eintracht. Seine Aktivenlaufbahn begann bei Viktoria Urberach in der Gruppenliga, ehe er für ein Jahr zum damaligen Oberligisten FSV Frankfurt wechselte. Nach „meinen vier schönsten Jahren“ bei Viktoria Urberach in der Gruppen- und Verbandsliga erlitt Martin eine Reihe schwerer Verletzungen, darunter drei Mittelfußbrüche. In seinen zwei letzten Jahren bei Verbandsligist Rot-Weiß Darmstadt kam er verletzungsbedingt selten zum Einsatz, mit 25 Jahren endete die Aktivenkarriere schließlich.

Seine Trainerlaufbahn begann Max Martin als Co-Trainer von Verbandsligist Rot-Weiß Darmstadt. Danach trainierte er zwei Jahre die B-Jugend von Rot-Weiß Walldorf in der Hessenliga und drei Jahre Viktoria Urberach, mit der er im Mai dieses Jahres den Aufstieg in die Hessenliga schaffte. Danach wechselte der Inhaber einer Kfz-Werkstatt zu Rot-Weiß Walldorf.

Aufrufe: 024.11.2016, 20:15 Uhr
Heiko Weissinger (Groß-Gerauer Echo)Autor