2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview

Golly: "Mit den Vereinen und für die Vereine"

Präsident des KFV Wittenberg im FuPa-Interview

Am 23. Januar fand die große Sportgala des Kreissportbundes (KSB) Wittenberg statt. Mit dem „Wittenberger Sportring“ für das Lebenswerk im Dienste des Sports wurde in diesem Jahr Joachim Golly Präsident des KFV Wittenberg gewürdigt. Diese Ehrung wird auch als "Sport-Oscar" bezeichnet und alljährlich einem langjährigen verdienten Sportfreund überreicht.

Joachim Golly: Jahrgang 1956, ist seit 1974 Trainer im Nachwuchsbereich und seit 1984 Jugendausschuss-Vorsitzender im Kreisfachverband Fußball (KFV). Er hat sich als Jugendleiter beim SV Einheit Wittenberg (1981-1990) und beim FC Grün-Weiß Piesteritz (ab 1990) verdient gemacht. Seit März 2015 ist er Vize-Präsident des FC und seit 2012 Präsident des KFV Wittenberg und Vorstandsmitglied im Fußballverband Sachsen-Anhalt.

FuPa:
Was haben Sie gedacht, als der Präsident des Landessportbundes Andreas Silbersack seine Laudatio hielt?
Joachim Golly:
Ganz ehrlich, ich war absolut überrascht und selbst als der Präsident des Landessportbundes mit seiner Laudatio begann, saß ich noch ganz entspannt im Saal. Erst als er meinen Geburtsort Gliwice (Polen) und meine Reiselust ansprach, ich bereiste tatsächlich bisher 122 Länder dieser Erde, da wußte ich das er mich meinte. Ich war sehr ergriffen und habe mich über die hohe Auszeichnung sehr gefreut. Besonders bedanken möchte ich mich bei meinen Fußballfreunden die mich als Kandidat für den "Sport-Oscar" vorgeschlagen hatten und natürlich auch bei denen die mich dann wählten. Für mich ist das ein Ansporn weiterhin im Dienste des Fußballs und der Vereine des Landkreises Wittenberg tätig zu sein.

FuPa:
Herr Golly wir möchten gern etwas über ihre Tätigkeit als KFV Präsident Wittenbergs erfahren. In Ihre bisherige Amtszeit fiel auch die Überlegung, aufgrund von demographischen Veränderungen mit dem KFV Anhalt (Dessau) zu fusionieren. Diese Fusion ist dann letztlich zum Jahreswechsel 2014/15 gescheitert. Was waren die Gründe dafür?
Joachim Golly:
Zunächst erst einmal sehen wir im KFV Wittenberg den demographischen Faktor trotz des Scheiterns der Fusion noch immer. Aber wir bekamen durch das Hinzuziehen von fachkompetenten externen Meinungen eine andere Sichtweise auf die Problematik. So hat Möhlaus Abteilungsleiter Hans Jürgen Eiserfey in seinen umfangreichen Analysen und Ausführungen auch einmal ökonomische und sportpolitische Aspekte in die Diskussion eingebracht. Das hat dann letztlich auch alle Vereine überzeugt. Er wies bereits damals darauf hin, es sei besser, die Vielzahl an Landesklasse-Mannschaften zu verringern um die Kreisoberligen wieder zu stärken. Damit schafft man regionale Derbys und generiert ein höheres Zuschauerinteresse. Weiterhin machte er deutlich, dass die Interessenlagen zwischen einem Wittenberger Flächenkreis mit einer Ost-West Ausdehnung von etwa 70 Kilometern und einem Stadtgebiet Dessau völlig verschieden sind. Mit dem Verschmelzen zu einer neuen Kreisoberliga wären eine Vielzahl von Wittenberger Traditionsvereinen in die sportliche und ökonomische Schieflage geraten. Auch kleinere Gemeinden benötigen funktionierende Sportgelände und ein Vereinsleben. Das ist letztendlich oft das Einzige, was kleinere Orte an gesellschaftlichem Leben noch besitzen. Ein Abstimmungsergebnis mit 29:1 Vereinsstimmen gegen eine Fusion war dann anschließend mehr als deutlich. Ich stehe als Präsident nicht über den Vereinen, ich verstehe meine Vorstandstätigkeit als Teamwork. Wir möchten die Vereine einbeziehen und deren Meinungen, Bedenken und Erfahrungen in Entscheidungsprozesse einfließen lassen.

FuPa:
Sie hatten unmittelbar nach dieser Entscheidung gegen eine Fusion ihr Team im Vorstand des KFV Wittenberg neu aufgestellt.
Joachim Golly:
Ja es hat eine richtige Aufbruchsstimmung und ein neues Wir-Gefühl gegeben. So ist es uns gelungen, Hans Jürgen Eiserfey für die Vorstandsarbeit zu gewinnen und besitzen mit Siegfried Ockert, Philipp Kötitz und Peter Kein im engeren Sinn jetzt ein schlagkräftiges Team. Aber auch im erweiterten Vorstandskreis konnten einige offene Stellen neu besetzt werden. Derzeit fehlt uns nur noch im Nachwuchsbereich ein D-Jugend Staffelleiter, vielleicht findet sich dort künftig noch ein interessierter Sportfreund.

FuPa:
Was konnten Sie sportlich Neues für die Vereine auf den Weg bringen?
Joachim Golly:
Ich bin besonders stolz, dass wir mit Unterstützung aller Wittenberger Fußballvereine eine Vielzahl von Veranstaltungen ins Leben zurückrufen und uns auf eine breite Unterstützung verlassen konnten. So haben wir im zurückliegenden Jahr den "Super-Cup" als weiteres Highlight neben dem Kreispokal aufgelegt. Im Herbst kam es dann zum Großevent "Fußballer des Jahres" mit der großen Auszeichnungsveranstaltung in der Sparkasse Wittenberg unter Mitwirkung von FuPa. Dafür möchte ich mich noch einmal herzlich bedanken. Im Januar 2016 wurden nach vielen Jahren Abstinenz die Hallenkreismeisterschaft "Sparkassen-Cup" der Herren mit sage und schreibe 24 Teilnehmern an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden ausgespielt. Das sind schon alles Events, die müssen personell erst einmal gestemmt werden. Denn auch wir Vorstandsmitglieder sind alle berufstätig und zusätzlich in Funktionen unserer eigenen Fußballvereine unterwegs.

FuPa:
Wie machte sich die Entwicklung der Vereine bemerkbar? Waren Abmeldungen und Rückzüge aus dem Spielbetrieb zu verzeichnen?
Joachim Golly:
Auch hier können wir Erfolge verzeichnen. So ist es gelungen, im Einzugsgebiet des KFV Wittenberg zwei neue leistungsstarke Vereine Hellas Oranienbaum und Victoria Wittenberg zu integrieren, die unsere Kreisoberliga unheimlich bereichern. Dabei ist Victoria Wittenberg eine Vereinsneugründung mit Start in der Kreisliga und sofortigen Aufstieg in die Kreisoberliga gelungen. Natürlich haben wir auch immer ein paar Sorgenkinder, aber hier schlagen wir auch eine moderate Tonart an und lassen weiterhin als einer von vier KFV im Land Sachsen-Anhalt ganz bewußt Spielgemeinschaften zu. Wir sehen das nicht als Wettbewerbsverzerrung sondern als eine vorübergehende Standortsicherung, damit die Vereine neu durchstarten können. Wir möchten nicht als politische Steigbügelhalter für das Schließen von Sportgeländen dienen, sondern helfen, mit neuen Konzepten Standorte wiederzubeleben. Das war auch eine Erkenntnis, die wir durch Eiserfeys Ausführungen gewonnen haben.

FuPa:
Wie sieht die Entwicklung im Nachwuchsbereich des KFV Wittenberg aus?
Joachim Golly:
Hier sind die demographischen Probleme natürlich am sichtbarsten, aber dennoch sind wir auf einem guten Weg. So konnte kurz vor Jahresfrist eine Neugründung als Großprojekt Nachwuchszentrum "JSG Heidekicker" der Vereine SV Glück Auf Möhlau, Hellas Oranienbaum und SV Turbine Zschornewitz vermeldet werden. Mittlerweile umfasst das Gemeinschaftsgebilde 149 Nachwuchsfußballer in 11 Mannschaften von den Bambini bis zur B-Jugend. Das ist natürlich zum einen ein riesiger Stabilisierungsfaktor des Spielbetriebes im KFV Wittenberg aber auch im überregionalen Bereich auf Landesebene. Was jedoch für mich am wichtigsten ist, ist die Signalwirkung und der Ansporn für andere Vereine, ähnliche intelligente Lösungen zu finden. Denn eines ist uns allen doch klar: Wir brauchen den Nachwuchs in unserem Sport und dafür müssen wir alle gemeinsam die besten Rahmenbedingungen schaffen.

FuPa:
Eine Frage in eigener Sache: Es wird in einigen Bereichen des Landes Sachsen-Anhalt die Webseite FuPa seitens der Kreisfachverbände noch immer wenig genutzt und zum Teil sogar boykottiert, wie sehen Sie aus Ihrer Erfahrung die Zusammenarbeit mit FuPa?
Joachim Golly:
Wir sehen als KFV Vorstand die Zusammenarbeit mit FuPa gleichberechtigt neben allen anderen Medien. Alles was dem wunderschönen Sport Fußball und dessen Verbreitung in unserem Landkreis dient wird von uns unterstützt und offensiv genutzt. Sehen wir es doch einmal so, die DFB-Seiten oder unsere KFV- Webseite sind offizielle Seiten die unsere Vereine nutzen müssen. Dort werden Spielerlisten, Spielansetzungen, Spielergebnisse, Passangelegenheiten, Gelbe- und rote Karten und noch mehr eingepflegt. Das muss und wird auch künftig so sein. Aber ich sehe FuPa.net, die Mitteldeutsche Zeitung, Facebook und noch einige andere Medien als zusätzliche Katalysatoren, um Emotionen zu wecken und ein breiteres Publikum zu erreichen.

Wir wollen doch nicht nur die Vereine erreichen, wir müssen auch die Jugend und Menschen erreichen, die nicht in unseren Vereinen organisiert sind über alle nur möglichen Kanäle wie Smartphones und Tablets. Vor allem verstehe ich einige Fußballfunktionäre nicht, die sich generell gegen neue Medien und auch gegenüber FuPa verschließen. Sie sollten sich auch unbedingt einmal überlegen, dass wir Fußballer im Ringen um Nachwuchs auch im harten Wettbewerb mit anderen Sportarten stehen. Auf Kanälen wie FuPa, wo es ausschließlich um den Amateurfußball geht, kann ich diese Emotionen und freiwillige Mitarbeit wecken. Das brauchen wir im Fußball und davon profitieren wir letztlich alle. Ich weiß, dass FuPa-Mitglieder durch ihre Berichterstattung zum Ehrenamt in Vereinen gefunden haben. Wie oft sind kleinere Vereine nicht einmal in der Lage, eigene Webseiten zu pflegen und haben große Schwierigkeiten, an Spieltagen online Spielberichte abzusetzen.

Über FuPa könnten wir vor vor allem jüngere Vereinsmitglieder für ehrenamtliche Tätigkeiten gewinnen. Wenn ich mir so das Durchschnittsalter unserer Vereinsvorstände ansehe, dann brauchen wir auch da dringend Nachwuchs und wie es der FSA Geschäftsführer Christian Reinhardt letztens so trefflich formulierte "Fußballverrückte". Man kann doch nicht nur über Nachwuchsgewinnung im Fußball philosophieren, man muss sie ernst nehmen, machen lassen, zur Mitwirkung animieren und nicht abwürgen. Da kann FuPa vor allem mit seinen überwiegend jungen Usern einen großen Beitrag leisten.

FuPa:
Wie sehen Sie die gerade wieder aufkommende Diskussion über Liveticker auf dem Verbandsportal bis hinunter in die Kreisebene?
Joachim Golly:
Es ist so wie ich es bereits erwähnte, wir entscheiden als Vorstand des KFV Wittenberg nicht über die Köpfe unserer Vereine hinweg. Wir wissen, dass es genügend Vereine gibt, welche weder personell noch technisch in der Lage sind, diese zusätzliche Aufgabe verpflichtend zu übernehmen. Viele Vereine haben wie gesagt schon zu tun, ordentliche Spielberichte online abzusetzen. Wir sollten hier die Kirche im Dorfe lassen, schließlich wissen wir doch alle, dass es viele Vereine gibt, da machen 2- 3 Leute die ganze administrative Arbeit. Selbst gute Angebote sollten daher freiwillig bleiben. Vereine, Spieler und Fans entscheiden, wie aktiv sie in diesem Bereich sein wollen. Schreiben wir ihnen nicht vor, wie aktiv sie sein müssen. Eine Livetickerpflicht für Wittenberger Fußballvereine auf Kreisebene wird daher nicht eingeführt.

FuPa:
Welche Zukunftsvisionen haben Sie und ihr Vorstand bezogen auf den Wittenberger Fußball?
Joachim Golly:
In erster Linie sind wir stets bemüht den Wittenberger Spielbetrieb in allen Altersklassen noch attraktiver zu gestalten. Unser Hauptaugenmerk liegt dabei immer auf die Nachwuchsgewinnung aber auch den optimierenden Maßnahmen im Spielwesen. Hier sind einige interessante Dinge in Arbeit, welche auf unserer geplanten Abteilungsleitersitzung im April vorgestellt werden.
Wir möchten trotz einer schwierigen demographischer Entwicklung der wir alle ausgesetzt sind, einen größeren Marktanteil des Fußballsports durch intelligente Ideen generieren. Wir haben im zurück liegenden Jahr als KFV Wittenberg den Grundstein gelegt und in sehr kurzer Zeit bewiesen zu welchen Ergebnissen wir mit unseren Vereinen fähig sind.

Deshalb gilt weiterhin mein Motto "Mit den Vereinen und für die Vereine" zu arbeiten. Mehrheiten für gute neue Konzepte demokratisch zu finden ist die Aufgabe welcher ich mich verpflichtet fühle. Nur dann werden sie auch erfolgreich umgesetzt und mitgetragen.

FuPa:
Joachim Golly, wir danken für das sehr ausführliche Interview und wünschen Ihnen viel Erfolg bei ihrer weiteren Tätigkeit.

Aufrufe: 011.2.2016, 09:00 Uhr
Thomas RinkeAutor