2024-05-10T08:19:16.237Z

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<b>F: Thomas Rinke</b>
<b>F: Thomas Rinke</b>

"Gewalt habe ich zum Glück noch nie erlebt"

Roland Inderhees, der renommierte Schiedsrichter aus dem Kreis Kempen/Krefeld meint, dass sich junge Kollegen zu früh zu hohe Ziele setzen

Der Kreis Kempen/Krefeld bildet keine Ausnahme, auch dort sind Schiedsrichter Mangelware. Aktuell sind 260 im Einsatz, optimal wären gut 300. Um Nachwuchs zu gewinnen, bietet der Schiedsrichter-Ausschuss schon früh im Jahr einen Lehrgang für potenzielle Unparteiische an.

Am Donnerstag, 19. Februar, geht's ab 18 Uhr im Kreisjugendheim des FVN in Lobberich los. Über positive und negative Seiten des Schiedsrichterjobs sprachen wir mit dem 43-jährigen Roland Inderhees, einem der renommiertesten Unparteiischen des Fußballkreises 6. Schon seit 1985 ist er mit der Pfeife unterwegs, schaffte es als Assistent bis in die 2. Bundesliga.

Herr Inderhees, welche Erinnerungen haben Sie an den Start in Ihre Schiedsrichterkarriere?

Inderhees Ich war und bin leidenschaftlicher Fußballfan. Als ich in der B-Jugend des TSV Kaldenkirchen gespielt habe, war ich gleichzeitig Betreuer der E2-Jugend. Da habe ich ab und zu Spiele gepfiffen. Irgendwann hat mich der damalige Schiedsrichter-Obmann Gottfried Spickmanns angesprochen, ob ich nicht einmal einen offiziellen Lehrgang mitmachen möchte.

Hatten Sie nicht wie viele Jugendlichen den Traum, als Spieler möglichst weit zu kommen?

Inderhees Anfangs habe ich ja noch parallel weitergespielt. Aber irgendwann hat sich dann die Erkenntnis durchgesetzt, dass ich es als Schiedsrichter weiter bringen kann, ich konnte mich gut selbst einschätzen. Im Alter von 15, 16 Jahren bin ich immer von älteren Schiedsrichtern gepfiffen worden, die haben mir imponiert und pfeifen teilweise heute noch. Nach der A-Jugend habe ich zwar noch mittrainiert und auch ab und zu mal gespielt, habe den Fokus aber auf die Schiedsrichterei gelegt.

Mit welchen Zielen haben Sie die Schiedsrichter-Laufbahn eingeschlagen?

Inderhees Erst im erwachsenen Alter habe ich den Ehrgeiz entwickelt, möglichst weit zu kommen. Vor allem, als ich gesehen habe, was möglich ist und wie ich gefördert werde. Obmann Werner Gatz hat mir viel zugetraut. Ein Problem ist heutzutage, dass Schiedsrichter beim Start oft sehr jung sind und nur die Bundesligen als Ziel sehen und dann ganz aufhören, wenn sie es nicht so weit schaffen. Wichtig ist, erst einmal Fuß zu fassen, Schritt für Schritt gehen und sich realistische Zwischenziele zu setzen.

Wie funktioniert das eigentlich mit dem Aufstieg?

Inderhees Schiedsrichter-Beobachter gehen zu einigen Spielen und vergeben Noten, daraus entstehen nach Saisonende Ranglisten. Die sind aber nicht alleine ausschlaggebend. Es werden auch persönliche Profile erstellt, die die Entwicklung beurteilen.

Verdirbt der Druck, beobachtet zu werden, nicht den Spaß?

Inderhees Ich habe grundsätzlich nur Freude empfunden, weil ich die Möglichkeiten als Ansporn gesehen habe. Allerdings hatte ich auch Zeit, mich zu entwickeln. Man darf sich nicht von außen unter Druck setzen lassen, das ist ein heutiges gesellschaftliches Phänomen. Viele setzen sich zu schnell zu hohe Ziele.

Apropos Freude. Ist Ihnen die angesichts von Pöbeleien und Gewaltandrohungen auf dem Platz schon mal vergangen?

Inderhees Gewalt habe ich im Gegensatz zu Kollegen zum Glück noch nie erlebt. Verbal bin ich natürlich schon mal angegangen worden, aber das war immer nur auf die sportliche Seite bezogen. Wenn etwas vorfällt, muss man entsprechend konsequent sein, darf keine Angst zeigen, um sich Respekt zu verschaffen. Aber wichtig ist auch, nicht unnahbar zu erscheinen, transparente Entscheidungen zu treffen und trotz genauer Regelauslegung Fingerspitzengefühl zu zeigen.

Sie sind jetzt schon lange dabei. Was sind für Sie die schönsten Seiten am Schiedsrichter-Dasein?

Inderhees Mit 14 Jahren ist das natürlich anders als mit 18 aufwärts. Anfangs ist es natürlich ganz toll, die Verantwortung der Spielleitung zu tragen. Auch die Aufwandsentschädigung und das Kilometergeld sind als zusätzliches Taschengeld eine tolle Sache. Außerdem hat man freien Eintritt zu Bundesligaspielen. Wenn man dann älter wird, faszinieren einen in höheren Spielklassen die tollen Reisen sowie der Umgang mit bekannten Spielern und Menschen aus den Vereinsführungen. Auch der Kontakt mit den Medien kann toll sein. Ich habe mal in der Oberliga ein Essener Derby vor 16 000 Zuschauern gepfiffen, das war schon ein tolles Erlebnis. Unter dem Strich ist es einfach die Leidenschaft für den Fußball und die Faszination, dann auch auf hohem Niveau dabei sein zu können.

Heute pfeifen Sie aber nur noch in der Kreisliga?

Inderhees Irgendwann sind Beruf und Familie dazugekommen, so dass der Aufwand in den oberen Ligen zu groß wurde. Dennoch hält mich die Freude an der Schiedsrichterei bei der Stange, so bleibe ich in Bewegung. Ich kann mir vorstellen, noch viele Jahre dabei zu bleiben.

Was sollte jemand mitbringen, der Schiedsrichter werden will?

Inderhees Er sollte zuverlässig sein, sportlich überzeugen, Spaß an der Theorie haben, soziale Kompetenz mitbringen und bereit, sich ständig weiterzubilden.

Was kommt auf die Absolventen des ersten Schiedsrichter-Lehrgangs eigentlich zu?

Inderhees Wer zwischen 14 und 17 Jahren alt ist, darf anschließend Jugendspiele leiten. Ältere Schiedsrichter bekommen erst mal Ansetzungen für die Kreisliga C und Jugendspiele. Es fällt schnell auf, wenn jemand Talent hat. Wenn der Charakter dann noch auch stimmt, geht es zügig aufwärts.

Aufrufe: 04.2.2015, 16:02 Uhr
RP / David BeinekeAutor