2024-05-02T16:12:49.858Z

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Fotos (3): Köppen
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Gemeinsamer Nenner: Das Spiel lieben

Reportage: Der Kreis Grevenbroich-Neuss lud seine A-Liga-Klubs zu einem Fair-Play-Seminar ein, es ging viel um Verständnis für das Gegenüber

Es ist eine Idee, die man nach dem zweistündigen Seminar im Hotel "Höttche" in Dormagen zur Nachahmung empfehlen muss. Der Kreis Grevenbroich-Neuss lud die Trainer und Spielführer der Kreisliga A sowie die Schiedsrichter des Kreises zu einem Fair Play-Seminar ein. Anlass war die Einführung der Gelb-Sperre, doch letztich ging es um weit mehr.

Die einleitenden Ausführungen beim Workshop macht Peter Waldinger (57 Jahre). Er ist Vorsitzender des Qualifizierungs-Ausschusses im FVN, war aber vor allem vorher 40 Jahre Spieler und Trainer, davon fünf Jahre Trainer in der Oberliga. Für den Workshop taucht er noch einmal in seine Erfahrungen aus der Vergangenheit ab, denn seit fünf Jahren hat er eigentlich kein Team mehr trainiert. Jüngst übernahm er aber noch einmal für 14 Tage das Training bei Agon Düsseldorf. Und dabei sei ihm erst wieder wirklich bewusst geworden, was diese Aufgabe alles mit sich bringt, mit wie vielen verschiedenen Menschen er kommunizieren muss. Ein guter Trainer plant Training und Spiel, leitet das Training, delegiert Aufgaben an Spieler und Co-Trainer, coacht, kommuniziert und kontrolliert. „Nicht ohne Grund heißt der Trainer in England 'Manager'“, merkt Waldinger an. Der Trainer braucht Kernkompetenzen methodischer und fachlicher Natur. „Die kann man lernen, aber es kommen auch Faktoren aus der Person und eine soziale Kompetenz dazu“, ergänzte er. Das alles soll einleitend dazu dienen, dass nicht zuletzt die Schiedsrichter sich vergegenwärtigen, was auch die Trainer im Vorfeld eines Spiels zu tun haben und welche Druckszenarien sich da aufbauen, auch schon in der Kreisliga. In der Tat gibt es Schiedsrichter, die später sagen werden, in Zukunft ihr Verhalten in der einen oder anderen Situation überdenken zu wollen.


Peter Waldinger (links) und Dirk Gärtner vor den Seminarteilnehmern.

Verständnis, besonders für die Schwierigkeit der Aufgaben des Gegenüber, steht dann auch bei den vier Stationen im Mittelpunkt, die von den anwesenden Trainern, Spielern, Vereinsvertretern und Schiedsrichtern in Gruppen zu absolvieren sind. Schiedsrichter-Obmann Dirk Gärtner erklärt nur kurz, worum es in Einzelnen an den Stationen gehen wird und teilt die Gruppen ein, dann geht es los. An den Stationen müssen etwa anhand von Videos verschiedene Spielszenen bewertet werden, die bewusst aus dem Amateurfußball entnommen wurden. Schnell wird dabei die grundlegende Problematik klar: Bei einem Foul sind sich die Anwesenden zumeist einig, ob die Gelbe Karte kommen muss oder nicht, aber wie sieht es bei Unsportlichkeiten, verbalen Auswüchsen, Zeitspiel oder ähnlichem aus? Das Problem ist die Grenzziehung. Der eine Schiedsrichter fühlt sich in Situationen beleidigt, die Kollegen etwa mit mehr Erfahrung locker weglächeln können. Generell wird aber deutlich: Es gibt Potenzial bei Spielern und Trainern, den Unparteiischen mit Skepsis zu begegnen, doch es gibt ebenso auch Verständnis, das durch den Austausch gefördert wird. So geben Spieler an, nach einem Elfmeterpfiff in der Regel gerne mit dem Schiedsrichter diskutieren zu wollen, die Unparteiischen entgegnen, daran im Spiel kein großes Interesse zu haben, auch um die Diskussionskultur auf dem Platz nicht weiter zu fördern, weil sonst am Ende kaum noch gespielt werde. Das leuchtet den meisten Spielern und Trainern ein.


Beim anschließenden gemeinsamen Studium der Videos auf der großen Leinwand wird weiter emotional diskutiert, wenngleich es nicht ganz so hoch er geht wie sonst auf dem Platz, weil natürlich niemand als Partei auftritt. Hitzig wird die Diskussion bei der Frage, ob jedes Trikothalten mit Gelb zu ahnden sei. Peter Hanschmann sieht das als Trainer des 1. FC Grevenbroich-Süd nicht so, einer seiner Spieler ist der Meinung, dass bei konsequenter Auslegung dieser Regel keine Mannschaft ein Spiel in voller Mannschaftsstärke beende. "Das sehe ich aber komplett anders", sagt Dirk Gärtner. "Wenn jeder Spieler weiß, dass er dafür konsequent und von jedem Schiedsrichter die Gelbe Karte sieht, dann hört die Trikot-Zupferei ganz schnell auf", sagt er. Großen Widerspruch gibt es danach nicht mehr.

Eines ist klar: Auch am kommenden Wochenende wird es strittige Szenen geben, über die sich Spieler aufregen, obwohl der Unparteiische klar im Recht ist. Es wird auch Pfiffe geben, die grundfalsch sind. Aber es stellt sich der Eindruck ein, dass sich alle Seiten nun ein wenig besser in ihre Gegenüber vesetzen können. Und die eine oder andere Anregung gibt es noch dazu. „Wenn Sie im Verein jemanden haben, was bei rückläufigen Ehrenamtlerzahlen schwierig ist, der sich um den Schiedsrichter bei Heimspielen kümmert, wird dadurch sicher bereits im Vorfeld vieles entschärft", sagt Peter Waldinger. Ein nettes Wort und ein Bier nach dem Spiel können aber auch schon Wunder wirken, und müssen vom Schiedsrichter nicht als Bestechung empfunden werden. Denn der Umgang aller Beteiligten macht die Musik. Und der kleinste gemeinsame Nenner aller Beteiligten ist auch klar: Spieler, Trainer und Schiedsrichter lieben das Spiel und versuchen ihr Bestes, um es zu ermöglichen.

Aufrufe: 03.10.2014, 12:00 Uhr
Sascha KöppenAutor