2024-05-14T11:23:26.213Z

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F: Jochen Classen
F: Jochen Classen

Gefährdet die Bundesliga den Amateurfußball, Herr Watzke?

Gastbeitrag von DIAGO! - Der Fussballblog

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Der große Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten. "Der wahre Fußball wird doch in der Kreisliga gespielt!" "Die großen Manager in der Bundesliga haben doch keine Ahnung von der Basis!" "Guckt euch mal ein Derby in der Kreisliga an, das sind wahre Emotionen!" "Da opfern Leute ihre Freizeit und ihr Geld, während in der Bundesliga ohne Herz und nur für dicke Schecks gespielt wird!"

Doch was war passiert? BVB-Macher Hans-Joachim Watzke hatte für die Montagsausgabe des Kicker ein Interview gegeben. Thema waren unter anderem die Anstoßzeiten der Bundesliga, im Speziellen der Sonntag als Spieltag.

Der genaue Wortlaut war so:

Watzke wurde also konkret darauf angesprochen, ob eine mögliche neue Anstoßzeit um 13:30 sonntags nicht den Tod des Amateurfußballs bedeuten würde, da niemand um drei Uhr selbst auf dem Platz stehen kann, wenn er um halb zwei ein Bundesligaspiel guckt. Watzke, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender eines Landesligisten (Rot-Weiß Erlinghausen), ist der Meinung, dass nicht der Bundesligaspieltag am Sonntag der Grund für verschwindend geringen Zuschauerzahlen sind, sondern ganz andere Probleme im Vordergrund stehen. Der Amateurfußball sei “nicht sexy genug”. Ihm würde “der Event-Charakter fehlen”, der für eine höhere Resonanz heutzutage zwingend notwendig sei. Die gesellschaftliche Veränderung des Freizeitverhaltens ist laut Watzke der Übeltäter.

Harte Aussagen, die erwartungsgemäß einen Sturm der Entrüstung aus dem Lager aller Amateurkicker provoziert haben. Wenn man selber als Spieler in den niedrigsten Ligen des Landes unterwegs ist und sonntags selber auf dem Platz steht, dann macht man das selbstverständlich nur, weil man mit vollem Herzen das Spiel liebt. Zuschauerzahlen oder gar Monetäres sind maximal Nebenaspekte. Wenn überhaupt. Die Emotionen stehen also im Vordergrund. Daher fühlen sich viele Kreisligaspieler auch in der Ehre verletzt, wenn sie lesen müssen, dass jemand aus dem so weit entfernten Hochglanz-Business Bundesliga über die Amateurligen urteilen will. Der plakative Ausdruck “nicht sexy genug” ist dann quasi der Tropfen, der das emotionale Fass zum Überlaufen bringt. Denn für eingefleischte, leidenschaftliche Aktive gibt es eben nichts, was so “sexy” ist, wie sich sonntags 90 Minuten lang Schürfwunden zuzuziehen und um jeden Zentimeter Boden zu kämpfen als gäbe es kein Morgen mehr. Eine absolut ehrenwerte Einstellung, jedoch lässt sich diese nicht auf die gesamte Gesellschaft umlegen oder gar strukturelle Probleme beheben.

Die Zuschauerzahlen in den vielen Amateurklassen des Fußballs sind durchweg verschwindend gering. Das ist ein Fakt, den man jeden Sonntags auf ein Neues beobachten kann. Neben den paar hartgesottenen Vereinsurgesteinen, die seit Jahrzehnten an der Bande stehen und den Angehörigen der Spieler sieht man in den untersten Ligen normalerweise wenig bis gar keine weiteren Gesichter am Spielfeldrand.
Offizielle Statistiken dazu gibt es selbstverständlich nicht. Diese Tendenzen beruhen auf Erfahrungen und Beobachtungen von Aktiven.

Wo liegen also die wahren Gründe für wenig Zuschauerinteresse am Amateurkick?
Die Sonntagsspiele der Bundesliga hier als Grund aufzuführen ist zu einfach. Der ein oder andere ist natürlich sonntags mal im Stadion, um seinen Verein in der Bundesliga zu sehen oder sieht das Spiel bei Sky. Allerdings spielt ein Bundesligaverein über die Saison gesehen nur eine überschaubare Anzahl an Sonntagsspielen. Ansonsten hat der Amateurfußball an sich keine Veränderung durchgemacht. Die Stadionwurst schmeckt noch immer gleich und das fußballerische Niveau ist noch immer mies. Daran kann es also nicht liegen.

Die von Watzke genannten Gründe kommen der Sache schon wesentlich näher. Das Freizeitverhalten der Menschen hat sich verändert. Es scheint so zu sein, dass “eventorientierte” Aktivitäten wesentlich attraktiver sind, als eher bodenständige Alternativen, wie dem holprigen Kick um die Ecke. Man liegt sonntags lieber auf der Couch und vertreibt sich die Zeit mit Hochglanz-Entertainment auf TV, Tablet, Smartphone oder PC, anstatt einem Kumpel beim Kicken zuzusehen. Andernfalls betätigt man sich lieber selber sportlich, anstatt anderen auf niedrigem Niveau dabei zuzusehen. Die Amateurfußball-Szene ist sehr speziell und in sich verschworen, daher kommen Worte, wie die von Watzke oftmals in den falschen Hals und werden irrational wahrgenommen.

Auch wenn Watzkes Meinung etwas unsensibel dem Amateurfußball gegenüber ausgedrückt ist, im Kern liegt er richtig. Wenn die Bundesliga demnächst sonntags um halb zwei spielt, wird das, wenn überhaupt, nur verschwindend geringe Auswirkungen auf die Kreisligen haben. Der ein oder andere Aktive wird mal ein oder zwei Sonntage stadionbedingt, wenn sein Club spielt, pro Saison verpassen, okay. Aber das ist ein Maß an Einschränkung, was nicht auffallen wird. Etwas mehr Einschränkung könnte es in den Ligen über den Kreisligen geben. Dort sind die Zuschauerzahlen dann doch im Verhältnis etwas höher. Hier kalkuliert man als Verein schließlich auch mit ein paar Euro Eintritt, einer Wurst und zwei Bier im Verkauf. Hier könnten kleinere Einbußen spürbar sein. In welchem Maß letztendlich dann auch immer.

Nichtsdestotrotz sollten auch Führungspersönlichkeiten aus dem Hochglanzgeschäft Bundesliga die Sorgen und Ängst aus dem Amateurbereich ernst nehmen und diese mit dem nötigen Respekt behandeln. Dies ist Watzke aufgrund der Wortwahl nicht ganz gelungen.

Quelle: DIAGO - Der Fussballblog

Aufrufe: 05.8.2015, 08:24 Uhr
Max Fritzsching / Michael StrohmaierAutor