Der FV Bad Honnef ohne Lothar Paulsen ist nur schwer vorstellbar. Was hat Sie dazu bewogen, zum Saisonende aus dem Amt zu scheiden?
Lothar Paulsen: Der FV Bad Honnef war und ist ein großer Teil meines Lebens. In meinen Adern fließt grün-weißes Blut. Und ich werde sicherlich auch in Zukunft Spiele des HFV besuchen, sofern es die Zeit zulässt. Aber meine Lebensplanung sieht nun anders aus.
Inwiefern?
Paulsen: Meine Frau hat es nach 35 Jahren verdient, dass ich mit ihr mehr unternehme, ohne noch irgendwelche Verpflichtungen für den Verein zu haben. Solange wir noch mobil sind, wollen wir das ausnutzen.
Spüren Sie auch eine gewisse Amtsmüdigkeit?
Paulsen: Es gibt einen gewissen Frust. Ich habe das Erbe meines Vorgängers Fritz Jass übernommen, und ich hatte einen Traum: Zum 100-jährigen Bestehen des Vereins im Jahr 2019 hatte ich mir gewünscht, dass der FV Bad Honnef wieder in der Mittelrheinliga spielt und dass wir auch im Nachwuchsbereich wieder Anschluss an die stärkeren Clubs finden. Durch die Fusion mit dem SV Rheinbreitbach zum JFV Siebengebirge haben wir Letzteres eigentlich schon erreicht. Aber diese Geschichte hat bei meinen Vorstandskollegen und im Bad Honnefer Umfeld einen Wertewechsel gebracht.
Wie meinen Sie das?
Paulsen: Ich musste mir sagen lassen, dass ein Jugendkonzept einfacher zu vermarkten ist als eines für die Senioren. Das habe ich persönlich als Rückschritt gesehen. Sicherlich hat das Jugendkonzept seine Berechtigung, aber es macht in meinen Augen keinen Sinn, den Nachwuchs stark zu fördern, wenn die erste Mannschaft „nur“ in der Bezirksliga spielt. Von meiner Wunschvorstellung „Mittelrheinliga“ musste ich mit Blick auf die fehlenden finanziellen Mittel abrücken.
Warum ist die FVM-Liga nicht zu realisieren?
Paulsen: Bad Honnef ist ein schwieriges Pflaster. Viele renommierte Firmen sind weg, der Einzelhandel kämpft um das blanke Überleben. Die FVM-Liga können wir uns abschminken, aber die Landesliga sollte möglich sein.
Spielt es eventuell auch eine Rolle, dass die Verhandlungen mit Spielern im Laufe der Jahrzehnte nicht leichter geworden sind?
Paulsen: In der Tat sind die Gespräche mit den Aktiven schwierig geworden. Das Anspruchsdenken der Spieler ist hoch, aber die Leistungsbereitschaft in vielen Fällen nicht. Ich kann nur die Aussagen unterschreiben, die der Kriegsdorfer Trainer Detlef Jüsgen unlängst im GA gemacht hat. Bei dem einen hat die Oma Geburtstag, andere 18-Jährige müssen chillen; ich weiß nicht, wovon und warum. Wir sind Tabellenführer der Bezirksliga und hatten in der Wintervorbereitung bestenfalls elf Mann beim Training; das muss man sich mal vorstellen! Diese Gespräche haben mich zuletzt stark gefrustet; ich will diese Gespräche auch nicht mehr führen und habe das meinen Nachfolgern überlassen.
Gehen Sie im Streit auseinander?
Paulsen: Nein, keinesfalls. Wir haben trotz aller Rückschläge in der Vergangenheit viel erreicht. Ohne meine Vorstandskollegen wäre das nicht möglich gewesen.
Sie erwähnten Fritz Jass, der von 1965 bis 1992 an der Spitze des Vereins stand. Hat er Ihren Führungsstil beeinflusst?
Paulsen: Fritz Jass hat den Verein nicht nur geführt, sondern auch finanziert. Er war ein Glücksfall für den HFV. Vom Führungsstil her waren wir uns ähnlich. Einer muss schließlich die letzten Entscheidungen treffen, das bringt eine Führungsaufgabe nun mal mit sich.
Wie würden Sie Ihren Führungsstil denn beschreiben?
Paulsen: Ich bin halt kein bequemer Typ, keiner, der jedem nach dem Mund redet. Ich habe meine Vorstandskollegen immer in die Entscheidungsprozesse einbezogen, wir haben in den letzten Jahren alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam und einvernehmlich getroffen. Ich denke, ich habe mich in meiner Amtszeit weiterentwickelt und den Verein durch einige schwere Jahre gebracht. Ich habe im Laufe der Zeit meinen Stil geändert, weil die ganze Vereinsorganisation viel umfangreicher geworden ist.
Während der Zeit als Vorsitzender sind Sie auch immer wieder als Coach in die Bresche gesprungen. Die Trainerfluktuation beim HFV war groß. Es gibt nicht wenige, die behaupten, ein Übungsleiter habe beim HFV nicht in Ruhe arbeiten können, weil Sie sich immer wieder in die Arbeit der Trainer eingemischt hätten …
Paulsen: Bei oberflächlicher Betrachtung hat das vielleicht den Anschein. Aber dem ist nicht so. Keiner der Trainer wird sagen können, dass ich ihm hereingeredet habe. Die ganze Trainer-Odyssee hat 2005 begonnen. Es hat verschiedene Gründe für die zahlreichen Wechsel gegeben und auch dafür, dass ich immer wieder mal einspringen musste, obwohl ich das gar nicht wollte.
Können Sie die Ursachen nennen?
Paulsen: Bei Max Lunga etwa war es so, dass er sich nach dem Abgang zahlreicher Spieler nicht in der Lage sah, ein neues Team aufzubauen, weil er nicht über das nötige Netzwerk verfügte. Julian Buabeng musste aus gesundheitlichen Gründen aufhören, Vladimir Liutyi bekam ein Angebot aus der Ukraine, bei Timo Morano waren berufliche Gründe ausschlaggebend. Als Heinz-Joachim Schmickler schließlich 2015 zurückkehrte, dachten alle, das sei eine langfristige Lösung. Doch er fand nicht mehr den HFV vor, den er noch von seinem ersten Engagement vor 2005 kannte. Daran ist auch unsere persönliche Freundschaft zerbrochen, was ich sehr bedauere.
Sie haben dem Verein ein halbes Jahrhundert in verschiedenen Funktionen Ihren Stempel aufgedrückt. Was waren die Höhepunkte?
Paulsen: Das absolute Highlight als Spieler unter Trainer Martin Luppen war definitiv 1978 die Qualifikation für die neu gegründete Oberliga. Das war für mich auch der prägnanteste sportliche Entwicklungsschritt. In der Oberliga haben wir damals tolle Erlebnisse gehabt, haben vor 5000 bis 8000 Zuschauern in Bocholt, Wuppertal und Oberhausen gespielt. Aus dieser Zeit gibt’s auch die Anekdote, dass der damalige Boss von Fortuna Köln, Jean Löring, bei einem Duell gegen den Bonner SC einen gewissen Hermann-Josef Werres aufseiten des BSC beobachtete. Werres sah damals keine Schnitte; ich habe eine wirklich gute Partie als sein direkter Gegenspieler abgeliefert. So gut, dass Löring fragte: „Wer ist denn der Lange da?“ Resultat: Werres wurde dennoch verpflichtet und Profi, ich blieb Amateur. Zur damaligen Zeit standen wir teilweise sogar vor dem BSC. Heute sind die Bonner Lichtjahre von uns entfernt.
Gab es noch weitere Highlights?
Paulsen: Ebenfalls zu den Höhepunkten zählen die beiden internationalen Spiele gegen Tottenham Hotspur und gegen Sheffield Wednesday zur Einweihung der von Fritz Jass errichteten Tribüne im Stadion an der Menzenberger Straße in der Saison 1987/88, die wir jeweils mit 0:2 verloren.
Welche wichtigen Projekte fallen in Ihre Ägide?
Paulsen: Die sportliche Wiedergeburt des FV Bad Honnef im Juni 2008 mit dem Umbau des alten Aschenplatzes an der Schmelztalstraße in eine Kunstrasenanlage, um die sich der Unternehmer Franz-Josef Solzbacher mit seiner Stiftung, ein kleiner HFV-Freundeskreis und meine Vorstandskollegen Stephan Göckeler und Markus Osterbrink sehr verdient gemacht haben. Zudem die Renovierung des Jugendheims im Schmelztal in Eigenleistung sowie die Einrichtung eines Presseraums im Stadion Menzenberg.
Und was waren die Tiefpunkte?
Paulsen: Natürlich jeder einzelne sportliche Abstieg, wobei wir den Abstieg aus der Oberliga 1998/99 quasi billigend in Kauf genommen haben, weil die Liga seinerzeit finanziell für uns nicht mehr zu stemmen war. Dann natürlich auch Mitte 2005 der gescheiterte Versuch, wieder in die Oberliga aufzusteigen, als wir in der Relegation in Hürth-Hermülheim gegen den VfB Homberg 2:4 verloren. Der absolute Tiefschlag für mich persönlich aber war der Sturz in die Bezirksliga im vergangenen Jahr. Ich kann nur hoffen, dass uns der direkte Wiederaufstieg gelingt. Die Landesliga ist ein Muss für den HFV.