2024-04-30T13:48:59.170Z

Turnier
Mehr Ballsicherheit, höhere Passgenauigkeit: Das soll Futsal fördern. Es fördert aber auch torlose Remis, sagen Kritiker. SZ-Foto: THW
Mehr Ballsicherheit, höhere Passgenauigkeit: Das soll Futsal fördern. Es fördert aber auch torlose Remis, sagen Kritiker. SZ-Foto: THW

Futsal-Regeln in der Schusslinie

Hallenfußball-Neuerungen bei Juniorenturnieren sorgen für Unmut - Verband wiegelt ab

Ehingen / sz - Wenn Juniorenfußballer in der Halle kicken, hat das in der Vergangenheit oft zu Torfestivals geführt. Vorne fünf schießen, hinten drei reinkriegen - der Inbegriff von "Budenzauber". Umso auffälliger waren die Ergebnisse bei den Bezirksmeisterschaften 2016: Viele Partien endeten torlos, wurden also erst im Sechsmeterschießen entschieden. Zufall? Nein, sagt Thomas Knez, der langjährige Jugend-Chef des VfL Munderkingen. "Es liegt an den Futsal-Regeln."

Die Neuerungen lehnen "neun von zehn Leuten, mit denen man am Rande von Hallenfußballturnieren spricht, klar ab", so Knez. "Wir fügen uns, aber gut finden wir Futsal nicht." Württembergs Verband sieht das indes anders.

Futsal, das ist wie Fußball, aber irgendwie doch anders. Kleinere Tore, Seitenaus statt Bande, strikte Rückpassvorschriften, dazu ein etwas schwererer, weniger aufgepumpter Ball mit geringerem Durchmesser als die üblichen, der dann zwangsläufig auch andere Sprungeigenschaften wie ein regulärer hat. Das, was die FIFA vor rund zehn Jahren erstmals auf der Tagesordnung hatte und vor knapp drei Jahren als international gültige Forderung für Verbands-Hallenturniere eingeführt hat - es gibt sogar einen DFB-"Masterplan" - bedeutet für Traditionalisten einen ziemlichen Einschnitt.

Noch gibt es zwar keinen verbindlichen Termin, zu dem die Futsal- die Hallenfußballregeln endgültig verdrängt haben müssen, aber der Württembergische Fußballverband (WFV) hat Futsal bei seinen Turnieren im Jugendbereich in den vergangenen Jahren freiwillig Stück für Stück eingeführt, mittlerweile sogar bei den Jüngsten.

Von scharfer Kritik bis zu Akklimatisierungsproblemen

Das hat Folgen, sagt Thomas Knez. Torarmut etwa. "Und fällt mal das 1:0, dann spielt die führende Mannschaft defensiv, versucht die Führung zu verteidigen." Rollt der Ball ins Seitenaus, "wird die Uhr nicht gestoppt. Und statt einen Torhüter zu haben, der mitspielt, wird er quasi aus dem Spiel genommen", weist Knez unter anderem darauf hin, dass Torhüter nach dem Abwurf in der eigenen Hälfte nicht mehr angespielt werden dürfen. Im Training werde forciert, Torhüter ins Spiel einzubinden. Amateure orientieren sich daran, wie Weltstars wie Manuel Neuer ihre Position interpretieren. Deswegen sei die Futsal-Regel für die Entwicklung der Kicker zwischen den Pfosten eher kontraproduktiv.

Thomas Javornik, Jugendleiter der TSG Ehingen, war zunächst auch skeptisch. "Früher war Hallenfußball attraktiver, es gab mehr Spielfluss", sagt er. "Aber mittlerweile habe ich Futsal akzeptiert, dem Großteil des Nachwuchses geht es genauso." Es sei ein Gewöhnungsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist.

"Mir ist klar: Futsal ist und bleibt die zukünftige Spielart für die Halle", sagt Javornik. Kritikpunkte bleiben aber auch für ihn. "Bei E-Junioren etwa ist die Technik normalerweise noch nicht so ausgebildet." Dort ohne Bande zu spielen, sei nicht optimal. Wenn die TSG selbst Turniere ausrichtet, "spielen wir immer mit Bande". Wie die Vereine bei den selbstorganisierten Wettbewerben vorgehen, hat der Verband ihnen nämlich freigestellt.

Noch. Denn dass Futsal gekommen ist, um zu bleiben, das steht schon fest. WFV-Sprecher Heiner Baumeister sagt: "Wir haben Futsal bewusst früh 'von unten' eingeführt, also bei den Kindern, so dass sie damit aufwachsen. Wir wollten uns nicht treiben lassen. Irgendwann wird es ohnehin zur Pflicht." Der WFV hat auch von Fehlern des Bayern-Verbands gelernt, der Futsal-Regeln kurzfristig per Dekret durchgedrückt hatte - und wenig später wegen Protesten wieder zurückrudern musste, so Baumeister. Der WFV gehe behutsamer vor.

"Die, die motzen, sind einfach lauter als andere"

Dass Futsal Teile der württembergischen Fußballbasis frustiert, das weiß WFV-Sprecher Heiner Baumeister. "Davon hören wir öfter. Andererseits: Die, die motzen, sind einfach lauter als andere. Viel lauter als die, die froh sind." WFV-Mitarbeiter, die sich Verbandsturniere vor Ort anschauen, bekommen jedoch weitgehend positive Rückmeldungen, so der WFV-Sprecher. Und dass Futsal erfolgversprechend ist, das steht für Baumeister außer Frage: "Es fördert die Passgenauigkeit, die Passschnelligkeit, die Passsicherheit und die Ballfertigkeit", zählt er auf. "Früher haben Mannschaften ein, zwei Spieler mit außergewöhnlicher Schusskraft gereicht, um Partien zu entscheiden. Das geht jetzt weniger. Zusammenspielen steht im Vordergrund."

Für den späteren Leistungssport helfe das Kindern sehr, "das ist durch eine Studie der Universität Frankfurt nachgewiesen." Laut Heiner Baumeister entschärfen Futsal-Regeln auch manch hitziges Hallenduell. Futsal bedeute beispielsweise das Aus "für harte Zweikämpfe und Herumgebolze an der Bande", sagt er.

"Das heißt aber nicht, dass das Spiel körperlos wird", betont Baumeister. Gute Erfahrungen hätten etwa die TSF Ditzingen gemacht, die jährlich ein überregional bedeutendes Hallenturnier ausrichten, bei dem es meist heiß herging, sogar zu gewalttätigen Aktionen auf dem Feld sei es gekommen. Mit dem Futsal kam dann Ruhe, berichtet Baumeister. Und die Kritik an den Torwartregeln lässt der WFV-Sprecher gar nicht erst gelten. "Die kann ich nicht nachvollziehen. Der Torwart ist nun die allererste Passstelle im Spiel nach vorn, es liegt an ihm, Angriffe schnell zu eröffnen - eine enorm wichtige Funktion."

Aufrufe: 026.1.2016, 17:48 Uhr
Schwäbische Zeitung / Von Dennis RotherAutor