2024-05-08T14:46:11.570Z

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Auch im Waldstadion wird bereits in Eigenregie viel gehegt und gepflegt. Und es könnte noch mehr werden.
Auch im Waldstadion wird bereits in Eigenregie viel gehegt und gepflegt. Und es könnte noch mehr werden.

Fußballer machen in Handarbeit

+++ Einsparvorgaben im Bereich der Sportplatzpflege +++

Giessen. Vergangene Woche waren die Gießener Fußballvereine ins Rathaus geladen. Salopp formuliert: Fußballer sollen mehr Handarbeit leisten. Im Beamtendeutsch der städtischen Pressemitteilung: ,,Die Sparauflagen der Schutzschirmkommune sehen Einsparvorgaben auch im Bereich der Sportplatzpflege beim Gartenamt vor." Mancher bodenständige Fußball-Schlammbeiser sagt es eher so: ,,Gibt weniger lowi unn mir müsse mehr schaffe." Ja, und alle drei Formulierungen stimmen.

Tatsächlich aber ist der Einsparungsversuch der Stadt kein Drama für die Fußball-Basis, die das Geschehen zwar im Detail recht unterschiedlich bewertet, aber zumeist davon ausgeht, dass ,,sich nicht viel ändert." Die 25 000 Euro Einsparungen beim Gartenamt betreffen die Vereine zumeist nur am Rande, weil ,,wir sowieso das alles schon mit einem Platzwart selbst machen", wie es Jörg Hildebrand für die TSG Wieseck oder Klein-Lindens Abteilungsleiter Gerd Kerzmann formulieren. Sprich: Die Clubs, deren Kicker ihre Knochen auf vereinseigenem Gelände bewegen, haben keine zusätzlichen Lasten zu erwarten, da wird sowieso schon in eigener Sache gehegt und gepflegt. So hat auch der MTV 1846, Gießens größter Sportverein, einen hauptamtlichen Platzwart, der das Gelände auf Vordermann bringt.

Kreisfußballwart Henry Mohr zeigt zudem Verständnis für die Maßnahme, an dieser Stelle Einsparpotenziale zu nutzen: ,,Es geht um Einsparungen beim Gartenamt, das natürlich weiter mit großem Gerät fährt und die Plätze pflegt, das ist ja oft in einer Stunde erledigt. Aber zeit- und damit kostenintensiv ist es dann, wenn der Arbeiter, salopp gesagt, vom Traktor runter steigen muss und für Unkraut rupfen noch mal eine Stunde braucht. Die Frage ist also, wo können die Vereine eingreifen, um mitzuhelfen, Kosten zu sparen." Und Mohr ergänzt plastisch: ,,Wenn zum Beispiel eine Distel durch die Trainerbank wächst, kann man die auch selbst rausreißen."

Genau das sollen die Vereine auch machen. Sagt die Stadt. Und stößt mit dieser Idee einerseits auf Verständnis, andererseits auf Verwunderung, dass das überhaupt noch ausformuliert wird. Für Christian Bock vom ACE Gießen ist es eine einfache Geschichte: ,,Außer dem eigentlichen Rasenplatz machen wir das Drumherum sowieso schon seit Jahren selbst, nur das Gras direkt an der Barriere kommt jetzt dazu." Für den ACE ist klar, dass er sein Gelände rund ums schmucke Sportheim oder die Grillhütte in Schuss haben will, doch befindet sich der kleine Verein vom Eulenkopf noch in Verhandlungen: ,,Ein paar Gerätschaften, die wir uns so nicht leisten können, bräuchten wir da schon." Ein Zuschuss sei angedacht, das ,,ist uns allerdings zu wenig."

Jörg Dechert, maßgeblicher Mann beim Verbandsligisten VfB 1900, lässt ebenfalls durchblicken, dass das alles nichts Neues ist, was nach dem Treffen blieb: ,,Die Erhaltungsaufwendungen für das Waldstadion sind seit Jahren schon annähernd bei Null, und hier lässt sich nichts mehr kürzen", lässt er verlauten. Und außerdem sei ,,die Platzpflege auch schon vor Jahren auf den eigentlichen Sportplatz reduziert" worden. ,,Das Gelände hinter der Bande wird bereits von uns seit Jahren selbst gepflegt. Auch hier sehe ich keine wesentlichen Veränderungen für uns."

Der Wiesecker Jörg Hildebrand ist eher aus anderem Grund überrascht: ,,Ich glaube mittlerweile, man muss nicht alles verstehen, wenn es um unterschiedliche Fördertöpfe geht. Das habe ich bei der Veranstaltung auch gesagt. Da wird einerseits eingespart, um dann aus einem anderen Fördertopf eventuell Zuschüsse für Gerätschaften bezahlen zu können. Aber das sind wohl die Geheimnisse der Politik, die sich nicht jedem sofort erschließen müssen."

Unentschlossen ist auch Erwin Pitz von Schwarz-Weiß Gießen, der sagt, dass ,,uns das eigentlich nicht betrifft. Wir machen seit Jahren alles selbst drumherum, sogar den Zaun haben wir in Eigenleistung aufgestellt." Das ist für den Vorsitzenden des A-Ligisten an der Lahnstraße auch nicht das Problem. Pitz stört aber, dass ,,wir insgesamt die Zuschüsse immer mehr gekürzt bekommen, da muss man halt immer sehen, wo man die Kohle her bekommt. Wenn wir die Dart-Abteilung nicht hätten, könnten wir dichtmachen", spielt Pitz darauf an, dass bei den Turnieren der Dart-Liga ,,was hängenbleibt. Das hilft uns weiter."

Einen Sonderfall stellt die unter dem vielsagenden Motto ,,sauberhaftes Gießen" durchgeführte Reinigung rund um den Kunstrasen ,,An der Volkshalle" dar. Da wurden die nutzenden Vereine Blau-Weiß, FC Besa, Türkiyemspor, TSV Rödgen, TSG Wieseck und VfB 1900 per Anschreiben aus dem Sportamt sehr nachdrücklich aufgerufen, der ,,aktuellen Vermüllung ein Ende zu bereiten." Was sie dann auch getan haben (wir berichteten). Helmut Appel von der bald an ihre alte Wirkungsstätte an der Ringallee zurückkehrenden Spielvereinigung Blau-Weiß kennt die Probleme: ,,Da oben, das ist ein kommunaler Platz, der von unheimlich vielen verschiedenen Mannschaften genutzt wird, allerdings ist da nicht ständig ein Platzwart vor Ort, der sagt, wo es lang geht." So sind die Blau-Weißen als Hauptnutzer noch begünstigt, weil sie in ihrem Exil einen ,,Container für den Verkauf haben. Wir können ganz gut Ordnung halten." Die anderen Vereine könnten zwar Duschen und Platz nutzen, ,,wenn sie ein Spiel haben, müssen sie aber alles ankarren." Das führe ebenso zu Problemen, wie die Tatsache, dass Kunden des benachbarten Restaurants oder der Tankstelle Bierbüchsen, Kippen und Pizzaschachteln ,,in die Gegend schmeißen". Nicht immer seien es nur die Fußballer, weil von ,,denen um 17 Uhr vor dem Training sicher keiner eine Pizza isst."

Beim Säuberungskommando waren alle Vereine dabei - allerdings mit Pistole auf der Brust. ,,Andernfalls kann in der nächsten Woche kein Trainings- und Spielbetrieb stattfinden", hieß es im Sportamts-Schreiben. Appel sieht es ansonsten wie seine Funktionärskollegen: ,,Wenn wir im Sommer wieder an der Ringallee sind, dann mit Espanol gemeinsam, werden wir wie früher das Gelände größtenteils auch eigenverantwortlich pflegen." Und fügt hinzu: ,,Im eigenen Wohnzimmer macht man das doch sowieso gerne."

Von daher war der Titel der Stadt-Pressemitteilung ,,Gießener Fußballvereine übernehmen mehr Verantwortung bei Sportplatzpflege" einerseits (psychologisch) klug gewählt. Frei nach dem Motto, man sitze doch in einem Boot. Andererseits suggeriert er eine Neuigkeit, die es in der Wahrnehmung der Vereine offenbar gar nicht gibt. Also ran ans Gelände.

Aufrufe: 04.3.2015, 20:00 Uhr
Rüdiger DittrichAutor