2024-04-25T14:35:39.956Z

EM2016
Hochspannung bei der gut besuchten schulinternen Veranstaltung des LLG.	Foto: dbf
Hochspannung bei der gut besuchten schulinternen Veranstaltung des LLG. Foto: dbf

Fußball zwischen Kulturkampf und Eichenholz

GIESSEN: +++ EM-Feeling im Irish Pub und am Landgraf-Ludwigs-Gymnasium +++

Giessen. Deutschland gegen Nordirland. Irgendwie logisch, aber gleichzeitig ein bisschen doof, diese Entscheidung, das letzte Gruppenspiel nahe des Dönerdreiecks im Irish Pub zu verfolgen. Denn bei hypergenauer Betrachtung - denken Sie sich an dieser Stelle ein überhebliches Räuspern - können sich Iren und Nordiren ja eigentlich nicht besonders gut leiden. Auf der einen Seite die in Grundsatzentscheidungen von London aus regierte Provinz, deren Nationalelf traditionell (fast) nur aus Protestanten besteht, auf der anderen Seite die zu 95 Prozent katholischen, eigenständigen Iren, die mit Großbritannien aber mal so gar nichts zu tun haben wollen. Egal, die kulturellen Wurzeln sind dieselben. Die Getränke größtenteils auch. Ab in den Pub.

Eine halbe Stunde vor Spielbeginn ist dieser noch fast völlig leer. Nur eine Fünfergruppe hat sich bereits die Plätze an der Theke gesichert. Die Studenten sind dabei, sich mit irischem Bier auf die Partie einzustimmen.

Ob sie wohl von den Spannungen zwischen Nordiren und Iren wissen? Fragende Gesichter. Und das völlig verständlich: Wer will in Feierstimmung schon spontan politische Statements für die Presse ausformulieren? Zumindest hat die Spiel-Ansetzung die Fünf in den Pub geführt: ,,Irischen Cider trinken und dazu so ein Spiel - das passt doch perfekt", berichtet Daniel (23). Zwei der fünf jungen Männer haben zudem kürzlich ihr Auslandssemester in Schottland absolviert, zwei weitere zieht es bald auf die Insel. Die Verbundenheit zum Empire ist also vorhanden, bei aller Sympathie für die keltische Kultur drücken die Studenten aber allein Deutschland die Daumen. Einen klaren Sieg erwarten sie, ,,ein Gegentor gibt es heute nicht". Wobei: ,,Naja, es sei denn, Will Grigg ist on fire", lacht die Gruppe in Anspielung auf den nordirischen Fan-Hit laut los.

Servicekraft Christina huscht zwischen den Tischen hin und her, eben sind die nächsten Gäste in das Lokal gekommen, das aussieht, als wäre es aus einem einzigen riesigen Stück Eichenholz gefertigt worden. ,,Vielleicht gibt es aufgrund der Spiel-Konstellation heute mehr Publikum hier. Zu hoffen wäre es, und es sieht doch schon ganz gut aus." Tatsächlich füllt sich der Laden langsam, auch wenn die Haupt-Leinwand noch nicht bespielt wird. ,,Wenn ihr Vorberichte sehen wollt, geht am besten nach hinten in den Raucherbereich", knurrt der Wirt und verschwindet nach draußen - hart-herzlicher irischer Charme oder etwas unfreundlich, wie man es nimmt.

Sei es drum, rechtzeitig zum Anpfiff funktioniert alles, die Bude ist gut gefüllt, der Qualm in der ,Smoking Lounge' bereits sehr dicht. ,,God save the queen", singen die Nordiren zur Überraschung manch eines Gastes. Zuschauer von den Inseln sind im Pub allerdings nicht auszumachen. Dann Unmutsbekundungen nach den ersten drei Großchancen. Ein mitleidiges Raunen bei der Gemächt-Parade des nordirischen Keepers, und schließlich Jubel nach Gomez' Führungstreffer. Aber: ,,Wurde auch Zeit jetzt, meine Güte", raunt ein Herr mit Schnurrbart. Da hat er nicht Unrecht.

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Zweite Halbzeit, zweiter Standort. Rein schulintern hat die Schülervertretung am Landgraf-Ludwigs-Gymnasium ein Gruppen-Viewing organisiert. ,,Das haben die Schüler ganz alleine organisiert, von der Sponsorensuche über den Würstchenverkauf bis hin zum Druck der Eintrittskarten", gibt der stellvertretende Schuldirektor Gerson Kraft stolz zu Protokoll. Klar: Die Lautstärke ist hier eine ganz andere, im Eingangsbereich der E-Aula strömen Schüler ein und aus. Manche kicken lieber ein wenig im Hof. In der ersten Stuhlreihe herrscht aber Ruhe und Konzentration - egal ob bei Unter- oder Oberstufenschüler. Vermutlich ist das gemeinsame Mitfiebern trotz großen Anklangs aber bereits das letzte für diesen Sommer: ,,Es kommen ja fast nur noch späte Spiele", bedauert Kraft. Gefeiert wird trotzdem noch minutenlang.



Aufrufe: 023.6.2016, 08:00 Uhr
Dennis Bellof (Gießener Anzeiger)Autor