2024-05-02T16:12:49.858Z

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Dürfen Kinder beim Fußball köpfen? Die Meinungen darüber gehen auseinander.
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Fußball besser kopflos?

Was Ärzte und Trainer von einem Kopfballverbot halten

In den USA ist es bereits Realität: Kinder dürfen keine Kopfbälle mehr spielen. Und auch hierzulande deuten Studienergebnisse auf gesundheitliche Risiken von Kopfbällen hin. Macht ein Verbot Sinn?

Für Dr. Dietmar Schubert besteht kein Zweifel: Wer oft Kopfbälle spielt, verringert seine Chancen, ein helles Köpfchen zu werden. "Wir wissen definitiv, dass es zu Schäden führt", sagt der Ehinger Sportmediziner. Denn langfristig führten die "kleinen Gehirnerschütterungen" zu Störungen im Reaktions- und Konzentrationsvermögen.

In den USA, wo mehr zu diesem Thema als hierzulande geforscht wird, hat der Fußballverband reagiert: Kopfbälle im Jugendbereich gehören dort der Vergangenheit an. Anlass des Verbots war nicht etwa eigene Einsicht - der Verband erfüllte mit der Reform die Forderungen besorgter Eltern. Die hatten eine Sammelklage gegen FIFA und den US-Soccer-Verband eingereicht. Ziel der Klage waren nicht finanzielle Entschädigungen, wie so oft in den Vereinigten Staaten. Vielmehr hatten die Eltern eine Regeländerung für den Jugendbereich im Sinn.

Unter zehnjährige Fußballspieler dürfen dort nun überhaupt keine Kopfbälle mehr spielen. Elf- bis 13-Jährige sollen die Kopfstöße nur noch vermindert und mit leichteren Bällen trainieren. Auch die Wechselbestimmungen wurden geändert. Muss jemand wegen Verdacht auf Gehirnerschütterung behandelt werden, wird die Auswechslung nicht auf die je Spiel drei erlaubten Wechsel angerechnet.

In der Klageschrift ist auch der Anlass der elterlichen Sorgen vermerkt: 50 000 Gehirnerschütterungen sollen bei High-School-Jugendspielerinnen - Soccer ist in den Vereinigten Staaten noch immer vor allem Frauensport - festgestellt worden sein. Das wären laut New York Times ungefähr genauso viele wie im Baseball, Basketball, Softball und Wrestling (!) zusammen.

"Ein Muskel kann heilen, das Gehirn nicht"

Ärzte wie Dietmar Schubert haben deswegen vollstes Verständnis für die Regeländerung. Denn "ein Muskel kann heilen, das Gehirn nicht", sagt der 54-Jährige. Erst ab Beendigung der Pubertät, wenn das Gehirn mit 16 oder 17 Jahren seine eigentliche Größe erreicht hat, würde er Kopfballspiel zulassen. Davor solle man "es sein lassen".

Fußball-Verantwortliche hingegen teilen die Befürchtungen der Mediziner nicht. "Bis zu einem Alter von 14 Jahren gibt es ohnehin kein Kopfballtraining", entgegnet Thomas Knez. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, mit Sechsjährigen Kopfbälle zu üben. Der 40-jährige Frauen- und Juniorinnenleiter des VfL Munderkingen weiß zudem aus eigener Erfahrung: "In einem ganzen Bambinispiel kommen vielleicht zwei oder drei Kopfbälle vor."

Auch Josef Fischer bezweifelt, dass die amerikanischen Regeländerungen sich auf die deutsche Jugendfußballlandschaften übertragen ließen. "Viel Wind um nicht so viel", beurteilt der Jugendleiter des SF Kirchen das Verbot. Denn was in den Staaten neu ist, ist hier schon längst gang und gäbe. "Wir spielen im Kinderbereich mit sehr leichten Bällen. Ich sehe deswegen gar kein Problem", sagt der 54-Jährige.

Von leichteren Fußbällen - bis zur F-Jugend wird mit 92 Gramm schweren Bällen trainiert, E- und D-Jugendliche spielen mit 350 Gramm - hält Dr. Schubert nichts. "Das Gewicht macht keinen Unterschied", meint der Arzt. Er vergleicht den Kopfball mit einem Autounfall: "Auch ein Schleudertrauma, das mit 20 Kilometer pro Stunde geschieht, macht monatelang Probleme." Es gehe nicht um den Ball, sondern um die Kopfbewegung.

Vor drei Jahren machte die Münchner Forscherin Dr. Inga Koerte mit einer Studie auf sich aufmerksam. Sie stellte fest, dass in den Gehirnen von Berufsfußballern die Schaltstellen für Aufmerksamkeit und Erinnerung beeinträchtigt sind. Damit würde sich nicht nur Schuberts Warnung vor Kopfbällen bestätigen, sondern auch ein Verdacht, den Josef Fischer äußerte: "Dann müssten ja alle Profis einen Schaden haben."

Aufrufe: 029.1.2016, 13:30 Uhr
SÜDWEST PRESSE / IGOR STEINLEAutor