2024-05-08T14:46:11.570Z

Querpass
Fred Kaiser (l.) und Vragel da Silva (r.) mit FuPa-Redaktionsleiter Sven Bock im Cottbuser Weltspiegel. Foto: FuPa Brandenburg
Fred Kaiser (l.) und Vragel da Silva (r.) mit FuPa-Redaktionsleiter Sven Bock im Cottbuser Weltspiegel. Foto: FuPa Brandenburg

«Fußball als Mittel zum Zweck»

Fred Kaiser und Vragel da Silva schildern im FuPa-Talk ihre erlebten Eindrücke der WM 2014

Es ist noch kein halbes Jahr her, da schoss Mario Götze das DFB-Team in den Fußballolymp und ließ ganz Deutschland einem sprichwörtlichen Fußballfieber erliegen. Nun, gut vier Monate danach, erschien mit "Die Mannschaft" eine gelungene Sportreportage, die am Mittwoch-Abend im Cottbuser Weltspiegel etwa 400 Zuschauer erneut vom brasilianischen Sommermärchen träumen ließ. Im Anschluss an die DFB-Produktion sorgte ein FuPa-Talk mit Dissen-Striesows kickendenden Bürgermeister Fred Kaiser und Ex-FCE-Profi Vragel da Silva für weitere exklusive Hintergrundeindrücke von der WM am Zuckerhut. Dabei wurden jedoch nicht nur sportliche Gesichtspunkte thematisiert, sondern speziell die Rolle der Favelas, als sozialer Brennpunkt und Ursprung der Brasilianischen Fußballkultur.

"Es war schon besonderer Eindruck, als wir das erste Mal die Favelas besuchten", schilderte Fred Kaiser, seines Zeichens deutscher Nationalspieler der Bürgermeister, die Situation kurz nach der Ankunft in Brasiliens größten sozialen Brennpunkt. Eben an jenem Ort, fern ab von allem WM-Glanz, weilte der 54-jährige im Rahmen eines bürgermeisterinternen Länderspiels, das zur gleichen Zeit ebenfalls im Schatten des Corcovado und der Christus-Statue ausgetragen wurde. Jedoch stand der sportliche Aspekt eher im Hintergrund der Reise, da Kaiser und Co. im Rahmen jeder Nationalmannschaftstour vor allem auch einen kommunalen Auftrag erfüllen wollen. Im konkreten Beispiel sammelte das DFNB-Team im Vorfeld etwa 6500€, die für ein Jahr einen Sozialarbeiter in den Favelas finanzieren sollen: "Es ist wichtig, dass die jungen Menschen dort einen Ansprechpartner haben, der ihnen in schwierigen Zeiten hilft. Um dies zu realisieren braucht es jedoch vor allem Geld, damit eben ein solcher Ansprechpartner auch von seiner dringend benötigten Arbeit leben kann. Der Fußball war also eher Mittel zum Zweck und stand nicht im allein Fokus unserer Reise."

Dennoch gab der Bürgermeister, der seinen Aufenthalt im Zuckerhut übrigens komplett selbst finanzierte, den interessierten Zuhörern auch einen Eindruck über die sportlichen Geschehnisse während des erneuten Sommermärchens. "Wir hatten das Glück, zwei Spiele im legendären Maracana-Stadion zu sehen, was einfach ein unglaubliches Erlebnis war. Die Begeisterung der Leute, vor allem der Brasilianer, war überwältigend und wird mir für immer im Gedächtnis bleiben.", so Kaiser.


Fred Kaiser und Vragel da Silva im Gespräch mit FuPa-Redaktionsleiter Sven Bock. Foto: FuPa Brandenburg


Auch der zweite FuPa-Talkgast Vragel da Silva bestätigte den Eindruck des Dissen/Striesower Oberhauptes. Da Silva, der für Energie Cottbus einst über 100 Bundesligaspiele bestritt, lieferte als gebürtiger Brasilianer sogar einen mentalitätsbezogenen Blickwinkel über die Rolle des Fußballs in seinem Heimatland. "Das erste Geschenk, was ein Kind bekommt ist ein Fußball. Es ist dabei auch egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, der Fußball ist in Brasilien einfach ein Teil der Lebenskultur. Deshalb war die WM im eigenen Land auch etwas ganz besonderes für die Brasilianer", so da Silva.

Angesprochen auf das Scheitern seines Teams, nahm der 40-jährige auch überraschend Bezug auf die von Kaiser besuchten Favelas: "Die Favelas sind der Ursprung vieler brasilianischer Fußballer. Dort wird einfach jeden Tag ununterbrochen gespielt, was lange Zeit auch der Grundstein für die erfolgreiche Nationalmannschaft war. Leider spielen heutzutage auch immer mehr Berater eine Rolle, die schon 13- und 14-jährige zu großen Vereinen vermitteln und nicht immer den besten Einfluss auf die jungen Spieler haben. Da müssen wir im Sport wieder etwas anders machen, denn so funktioniert das nicht."

Neben diesen durchaus ernsten Zeilen gab „Papa“ da Silva den Zuschauern jedoch auch Anlass zum Schmunzeln und bestätigte damit sein Image als südamerikanische Frohnatur. So antwortete er unter anderem auf die von Moderator Sven Bock gestellte Frage, ob er brasilianischen Talenten ein Engagement in der Lausitz empfehlen würde, mit beeindruckendem Humor. “Ich denke nicht, dass sich ein brasilianischer Spieler hier schnell wohlfühlen würde. Im Winter ist es einfach so kalt, dass selbst der größten Frohnatur schnell die Lust am Fußball vergeht. Bei mir war das jedoch anders, denn ich war ja nie ein typischer Brasilianer bei Energie“, scherzte da Silva in Bezug auf die kalte Jahreszeit und seine legendäre rustikale Spielweise.

Am Ende des Abends gingen die Zuschauer somit mit einem Lächeln nach Hause und hatten neben den erneut aufblühenden WM-Emotionen vor allem einen Eindruck darüber gewonnen, wie die brasilianische Fußballwelt außerhalb der Glanzsphäre von Neymar, Dante und Co. aussieht.



Aufrufe: 012.11.2014, 23:47 Uhr
Tobias VoigtAutor