2024-05-10T08:19:16.237Z

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Das Bild täuscht: Auch im Nachwuchsbereich ist der 1. FC Nürnberg vielen Rivalen nicht etwa einen Schritt voraus, sondern muss aufholen. F: Zink
Das Bild täuscht: Auch im Nachwuchsbereich ist der 1. FC Nürnberg vielen Rivalen nicht etwa einen Schritt voraus, sondern muss aufholen. F: Zink

Folgenreicher Umbau der Drei-Sterne-Akademie

Zeit für Veränderungen: Der 1. FC Nürnberg will mit neuem Personal und anderen Strukturen seine Nachwuchsarbeit verbessern +++ Die Neuen im Club-NLZ haben eine Chance verdient

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Es knarzt und rumpelt im Nachwuchs­leistungszentrum des 1. FC Nürnberg. Die Trennung von Rainer Zietsch i st der vorläufige Höhepunkt einer Ent­wicklung, die nicht jeder verstehen kann im Club. Oder verstehen will. In den nächsten Tagen und Wochen wird es weitere Veränderungen geben.
Vor über zwei Jahren fühlten sich die Verantwortlichen im Nachwuchs­leistungszentrum (NLZ) auch von höchster Stelle wieder darin bestätigt, ausgezeichnete Arbeit zu leisten. „Ins­gesamt eine überragende Bewertung für den Club“, hieß es in einem Video des vereinseigenen Fernsehens; mit drei Sternen hatten DFB und DFL die Nachwuchsarbeit beim 1. FC Nürn­berg ausgezeichnet, zum zweiten Mal nach 2010. Viel besser geht es nicht.

Ziel der in regelmäßigen Abständen vorgenommenen Überprüfung ist es, die fachübergreifende Ausbildung jun­ger Fußballer objektiv zu beurteilen, die Kontrolle der Abläufe bot wenig Anlass für Beanstandungen. Offizielle der DFL hätten dem Verein bestätigt, „dass hier sehr gut gearbeitet wird“, versicherte Zietsch seinerzeit, vor allem in den Bereichen „Organisation und Verfahren“ sowie „Fußballausbil­dung und Bewertung“. Worum es in einem NLZ ja auch eigentlich gehen sollte.

Ertrag offenbar zu gering

Trotzdem schafften es, wie auch in dem Beitrag angemerkt, „zu wenig Spieler aus dem eigenen Nachwuchs“ nach oben, zu den Profis. Für ein Unternehmen, das sich seine Talent­förderung pro Saison zuletzt über vier Millionen Euro kosten ließ, war und ist der Ertrag offenbar zu gering. Oder, mit den Worten der PR-Abtei­lung ausgedrückt: „Maßnahmen und Ausbildung tragen noch nicht die gewünschten Früchte.“ Infrage stellen wollte die Philoso­phie aber zunächst niemand – zumal in den vergangenen fünf Jahren über 20 Spieler aus dem Nürnberger NLZ den Sprung in eine der drei höchsten deutschen Klassen geschafft haben. Auch deshalb fühlte sich der Club in seinen U-Mannschaften gut aufge­stellt für die Zukunft – bis es vor rund drei Wochen den großen, folgenschwe­ren Knall gab. Selbst die nicht für ihre Affinität zum Nachwuchsfußball bekannte Bild­Zeitung titelte: „Jugend-Beben beim Club.“ In einer Pressemitteilung verkünde­te der 1. FC Nürnberg die laut Sport­vorstand Andreas Bornemann „einver­nehmliche Trennung“ von NLZ-Lei­ter Rainer Zietsch – wegen offenkundi­ger Meinungsverschiedenheiten. Dass die U17 und die U15 wahrscheinlich aus der Bundes- beziehungsweise Regionalliga absteigen, passt Borne­mann überhaupt nicht, die U16 müss­te deshalb zwangsläufig runter, auch strukturell sieht er durchaus noch Steigerungsbedarf.

„Unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der weiteren strategi­schen und inhaltlichen Ausrichtung“ seien ausschlaggebend gewesen, hieß es in der Stellungnahme des Vereins, der bereits Mitte März die neu geschaf­fene Stelle des Sportlichen Leiters im NLZ auch besetzte. Seitdem ist Micha­el Köllner für die Aus- und Weiterbil­dung von Talenten verantwortlich im Club; der Fußball-Lehrer aus der Oberpfalz ist schon länger im Geschäft und ein „ausgewiesener Fachmann“, wie Bornemann sagt. „Es tut der ganzen Sache ganz gut“, findet Bornemann, „neue Wege zu beschrei­ten, um das Ganze etwas zu beleben“.

Die Ziele sind ebenso ehrgeizig wie klar umrissen: größtmöglicher sportli­cher Erfolg und regelmäßiger Nach­schub für die Profis. Es sei „kein Geheimnis, dass wir künftig den einen oder anderen Spieler mehr nach oben durchreichen wollen“, sagt Borne­mann, wofür das NLZ jetzt umgekrem­pelt und in einigen Bereichen neu auf­gebaut wird, um letztlich effizienter und auch rentabler zu werden. „Es ist nicht so, dass kein Stein auf dem ande­ren bleibt“, sagt Bornemann, „aber es kann auch Veränderungen geben.“ Das viele Geld, das Jahr für Jahr in das NLZ fließt, soll sich noch mehr lohnen für den 1. FC Nürnberg.

Dafür baut der Club nach Informa­tionen dieser Zeitung gewaltig um: Trainer Roger Prinzen und Assistent Andreas Wolf drohen ihre Plätze bei der U21 zu verlieren, für den langjähri­gen Kapitän wird eine andere Stelle im Verein gesucht. Michael Wimmer muss die U17 abgeben, auch Torwart­trainer Andre Wächter soll gehen. An­dere Trainer schauen sich trotz gülti­ger Verträge nach neuen Vereinen um.

Die atmosphärischen Störungen könnten somit gravierende Auswir­kungen haben. Warum es so weit kom­men musste, ist auch Rainer Zietsch nicht ganz klar geworden. Zehn Jahre stand Zietsch, der im Frühjahr 2016 vom damaligen Sportvorstand Martin Bader noch einen neuen und seitdem unbefristeten Vertrag erhielt, in der Verantwortung. Zietsch hat einiges bewegt im NLZ und bestimmt nicht schlecht gearbeitet, im Gegenteil. Trotzdem ist jetzt Schluss.

"Mischung aus allem"

"Eine Mischung aus allem" sei letzt­lich ausschlaggebend gewesen für den Abschied vom ehemaligen NLZ-Chef, sagt Bornemann. Bei näherer Betrach­tung sind die jeweiligen Philosophien wohl auch nicht vereinbar. Beispiel U15: Die frühere Sportliche Leitung vertritt den durchaus nachvollziehba­ren Standpunkt, dass nicht nur stän­dig die 12, 13 Besten zum Einsatz kom­men sollten, sondern regelmäßig alle Spieler im Kader – sonst hätten mögli­cherweise schon in der Winterpause fünf, sechs Unzufriedene das Weite gesucht. Mit der Konsequenz, dass im Sommer deutlich weniger in die nächsthöhere Altersstufe aufrücken würden als geplant.

Die drohenden und wohl nicht mehr vermeidbaren Abstiege gefallen selbst­verständlich auch Zietsch nicht. Ansonsten denkt er schon, ein bestell­tes Feld zu hinterlassen; der Ausbil­dungsgedanke genoss bei ihm stets oberste Priorität. Wenn es eben sein musste, auch mal auf Kosten der sport­lichen Ergebnisse.

Das sieht mittlerweile nicht mehr jeder so im Club; Bornemann und Köll­ner stellen das NLZ auf einigen Posi­tionen deshalb jetzt neu auf. „Er soll sich das jetzt ansehen und eigene Ein­drücke sammeln“, sagt der Sportvor­stand über den Sportlichen Leiter im NLZ, „wir sind mitten in einem Pro­zess.“ Auf die Ergebnisse darf man durchaus gespannt sein.



Im Blickpunkt: Jedes Ende ist auch ein Anfang

Die Neuen im Club-NLZ haben eine Chance verdient

Veränderungen tun manchmal weh. Erst recht, wenn damit schmerzhafte Einschnitte verbunden sind. Auch im Nachwuchsleistungszentrum des 1. FC Nürnberg gefällt nicht jedem, dass die Ära Zietsch nach zehn Jahren vorüber ist. Der ehemalige Profi ist ein ausgewiesener Experte im Jugend­fußball und hat sich deshalb auch bis in DFL-Gremien vorgearbeitet.

Die Entscheidung des Sportvor­stands ist deshalb auch keine gegen Zietsch, sondern für einen Neuan­fang. In fast jedem größeren Unterneh­men werden Posten auf Führungsebe­ne in regelmäßigen Abständen anders besetzt, um Impulse zu setzen und möglicherweise verkrustete Struktu­ren aufzubrechen. Denn letztlich dreht sich auch in der Jugendabtei­lung eines Profivereins ja fast alles um das liebe Geld.

Etwa vier Millionen hat sich der Club sein Drei-Sterne-NLZ kosten las­sen in den vergangenen Jahren, pro Saison wohlgemerkt. Als Investition in die Zukunft soll die Summe verstan­den werden, um sich seine Leistungs­und Hoffnungsträger selbst heranzie­hen zu können. Niklas Stark oder Patrick Erras haben den Sprung zu den Profis auch geschafft. Die meisten anderen nicht. Aber das ist normal.

Die Quote soll dennoch besser wer­den, mit Michael Köllner als Sportli­chem Leiter und ein paar neuen Trai­nern, auch Umbesetzungen sind geplant. Sie alle haben eine faire Chance verdient. Auch wenn sich nicht jeder mit den Veränderungen an­freunden kann. WOLFGANG LAASS

Aufrufe: 04.5.2016, 10:08 Uhr
Wolfgang LaaßAutor