Ziel der in regelmäßigen Abständen vorgenommenen Überprüfung ist es, die fachübergreifende Ausbildung junger Fußballer objektiv zu beurteilen, die Kontrolle der Abläufe bot wenig Anlass für Beanstandungen. Offizielle der DFL hätten dem Verein bestätigt, „dass hier sehr gut gearbeitet wird“, versicherte Zietsch seinerzeit, vor allem in den Bereichen „Organisation und Verfahren“ sowie „Fußballausbildung und Bewertung“. Worum es in einem NLZ ja auch eigentlich gehen sollte.
Trotzdem schafften es, wie auch in dem Beitrag angemerkt, „zu wenig Spieler aus dem eigenen Nachwuchs“ nach oben, zu den Profis. Für ein Unternehmen, das sich seine Talentförderung pro Saison zuletzt über vier Millionen Euro kosten ließ, war und ist der Ertrag offenbar zu gering. Oder, mit den Worten der PR-Abteilung ausgedrückt: „Maßnahmen und Ausbildung tragen noch nicht die gewünschten Früchte.“ Infrage stellen wollte die Philosophie aber zunächst niemand – zumal in den vergangenen fünf Jahren über 20 Spieler aus dem Nürnberger NLZ den Sprung in eine der drei höchsten deutschen Klassen geschafft haben. Auch deshalb fühlte sich der Club in seinen U-Mannschaften gut aufgestellt für die Zukunft – bis es vor rund drei Wochen den großen, folgenschweren Knall gab. Selbst die nicht für ihre Affinität zum Nachwuchsfußball bekannte BildZeitung titelte: „Jugend-Beben beim Club.“ In einer Pressemitteilung verkündete der 1. FC Nürnberg die laut Sportvorstand Andreas Bornemann „einvernehmliche Trennung“ von NLZ-Leiter Rainer Zietsch – wegen offenkundiger Meinungsverschiedenheiten. Dass die U17 und die U15 wahrscheinlich aus der Bundes- beziehungsweise Regionalliga absteigen, passt Bornemann überhaupt nicht, die U16 müsste deshalb zwangsläufig runter, auch strukturell sieht er durchaus noch Steigerungsbedarf.
„Unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der weiteren strategischen und inhaltlichen Ausrichtung“ seien ausschlaggebend gewesen, hieß es in der Stellungnahme des Vereins, der bereits Mitte März die neu geschaffene Stelle des Sportlichen Leiters im NLZ auch besetzte. Seitdem ist Michael Köllner für die Aus- und Weiterbildung von Talenten verantwortlich im Club; der Fußball-Lehrer aus der Oberpfalz ist schon länger im Geschäft und ein „ausgewiesener Fachmann“, wie Bornemann sagt. „Es tut der ganzen Sache ganz gut“, findet Bornemann, „neue Wege zu beschreiten, um das Ganze etwas zu beleben“.
Die Ziele sind ebenso ehrgeizig wie klar umrissen: größtmöglicher sportlicher Erfolg und regelmäßiger Nachschub für die Profis. Es sei „kein Geheimnis, dass wir künftig den einen oder anderen Spieler mehr nach oben durchreichen wollen“, sagt Bornemann, wofür das NLZ jetzt umgekrempelt und in einigen Bereichen neu aufgebaut wird, um letztlich effizienter und auch rentabler zu werden. „Es ist nicht so, dass kein Stein auf dem anderen bleibt“, sagt Bornemann, „aber es kann auch Veränderungen geben.“ Das viele Geld, das Jahr für Jahr in das NLZ fließt, soll sich noch mehr lohnen für den 1. FC Nürnberg.
Dafür baut der Club nach Informationen dieser Zeitung gewaltig um: Trainer Roger Prinzen und Assistent Andreas Wolf drohen ihre Plätze bei der U21 zu verlieren, für den langjährigen Kapitän wird eine andere Stelle im Verein gesucht. Michael Wimmer muss die U17 abgeben, auch Torwarttrainer Andre Wächter soll gehen. Andere Trainer schauen sich trotz gültiger Verträge nach neuen Vereinen um.
Die atmosphärischen Störungen könnten somit gravierende Auswirkungen haben. Warum es so weit kommen musste, ist auch Rainer Zietsch nicht ganz klar geworden. Zehn Jahre stand Zietsch, der im Frühjahr 2016 vom damaligen Sportvorstand Martin Bader noch einen neuen und seitdem unbefristeten Vertrag erhielt, in der Verantwortung. Zietsch hat einiges bewegt im NLZ und bestimmt nicht schlecht gearbeitet, im Gegenteil. Trotzdem ist jetzt Schluss.
"Eine Mischung aus allem" sei letztlich ausschlaggebend gewesen für den Abschied vom ehemaligen NLZ-Chef, sagt Bornemann. Bei näherer Betrachtung sind die jeweiligen Philosophien wohl auch nicht vereinbar. Beispiel U15: Die frühere Sportliche Leitung vertritt den durchaus nachvollziehbaren Standpunkt, dass nicht nur ständig die 12, 13 Besten zum Einsatz kommen sollten, sondern regelmäßig alle Spieler im Kader – sonst hätten möglicherweise schon in der Winterpause fünf, sechs Unzufriedene das Weite gesucht. Mit der Konsequenz, dass im Sommer deutlich weniger in die nächsthöhere Altersstufe aufrücken würden als geplant.
Die drohenden und wohl nicht mehr vermeidbaren Abstiege gefallen selbstverständlich auch Zietsch nicht. Ansonsten denkt er schon, ein bestelltes Feld zu hinterlassen; der Ausbildungsgedanke genoss bei ihm stets oberste Priorität. Wenn es eben sein musste, auch mal auf Kosten der sportlichen Ergebnisse.
Das sieht mittlerweile nicht mehr jeder so im Club; Bornemann und Köllner stellen das NLZ auf einigen Positionen deshalb jetzt neu auf. „Er soll sich das jetzt ansehen und eigene Eindrücke sammeln“, sagt der Sportvorstand über den Sportlichen Leiter im NLZ, „wir sind mitten in einem Prozess.“ Auf die Ergebnisse darf man durchaus gespannt sein.
Veränderungen tun manchmal weh. Erst recht, wenn damit schmerzhafte Einschnitte verbunden sind. Auch im Nachwuchsleistungszentrum des 1. FC Nürnberg gefällt nicht jedem, dass die Ära Zietsch nach zehn Jahren vorüber ist. Der ehemalige Profi ist ein ausgewiesener Experte im Jugendfußball und hat sich deshalb auch bis in DFL-Gremien vorgearbeitet.
Die Entscheidung des Sportvorstands ist deshalb auch keine gegen Zietsch, sondern für einen Neuanfang. In fast jedem größeren Unternehmen werden Posten auf Führungsebene in regelmäßigen Abständen anders besetzt, um Impulse zu setzen und möglicherweise verkrustete Strukturen aufzubrechen. Denn letztlich dreht sich auch in der Jugendabteilung eines Profivereins ja fast alles um das liebe Geld.
Etwa vier Millionen hat sich der Club sein Drei-Sterne-NLZ kosten lassen in den vergangenen Jahren, pro Saison wohlgemerkt. Als Investition in die Zukunft soll die Summe verstanden werden, um sich seine Leistungsund Hoffnungsträger selbst heranziehen zu können. Niklas Stark oder Patrick Erras haben den Sprung zu den Profis auch geschafft. Die meisten anderen nicht. Aber das ist normal.
Die Quote soll dennoch besser werden, mit Michael Köllner als Sportlichem Leiter und ein paar neuen Trainern, auch Umbesetzungen sind geplant. Sie alle haben eine faire Chance verdient. Auch wenn sich nicht jeder mit den Veränderungen anfreunden kann. WOLFGANG LAASS