2024-05-02T16:12:49.858Z

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In den Baracken des Roten Kreuzes entstand einst der FK Jugsoslavija, ein stolzer Multikulti-Ver­ein mit langer Historie. Zum dritten Mal gelang dem Verein nun der Sprung in die Kreisklasse. F: privat
In den Baracken des Roten Kreuzes entstand einst der FK Jugsoslavija, ein stolzer Multikulti-Ver­ein mit langer Historie. Zum dritten Mal gelang dem Verein nun der Sprung in die Kreisklasse. F: privat

Ein Stück Heimat voll klopfender Herzen und schöner Tore

Über den Aufstieg des FK Jugoslavjia, einer besonderen Mannschaft, die vor allem stolz darauf ist, wie viele Nationalitäten sie friedlich vereint

Zum dritten Mal in der Vereinsge­schichte ist der FK Jugoslavija Erlan­gen in die Kreisklasse aufgestiegen. Jovica Garic ist stolz darauf. Aber das ist nicht alles, worüber sich das letzte verbliebene Gründungsmitlied des Ver­eines freut.

Die Geschichte be­ginnt am 15. November 1971 in den Baracken des Erlanger Roten Kreu­zes. Zu fünft saßen sie an einem Tisch, sagt Jovica Garic, er ist zwar schon 72 Jahre alt, aber an diesen Tag erinnert er sich noch wie gestern: „Wir waren fünf junge Männer aus Jugoslawien, nach Erlangen gekommen mit der Hoffnung auf ein besseres Leben, auf Arbeit, auf Zukunft.“ Damals war er 26 Jahre alt und das kleine Dorf in Dalmatien, in dem er groß wurde, hatte er gerade erst verlas­sen. Am 4. August 1969 kam Garic nach Erlangen, am 5. August stand er bei Siemens im Werk und schraubte seine ersten medizinischen Geräte zu­sammen. „Das habe ich so gemacht bis zu meiner Rente.“ In diesen Bara­cken des Roten Kreuzes ging es aber um etwas anderes: „Wir wollten Fuß­ball spielen“, sagt Garic. Kurz darauf war der FK Jugoslavija gegründet, 50, 60 Mitglieder hatte der Verein sehr schnell, beinahe täglich stieg die Zahl, weil immer neue junge Gastarbeiter aus Jugoslawien dazustießen. Nach dem gleichen Prinzip, nach dem auch heute noch Neuzugänge in die Mann­schaft finden: „Irgendeiner trifft einen Jugoslawen und fragt ihn, ob er nicht mal vorbei kommen will.“Garic kennt die Öffnungszeiten des Sport­heimes auswendig — das ist der erste Schritt. Der zweite ist, die Kroaten, Serben, Bosnier, Mazedonen, Kosova­ren dort zu überreden, auch zum Trai­ning der Fußballer zu kommen.

„Manche bleiben, manche gehen wieder in die Heimat, manche ziehen weiter“, sagt Jovica Garic. So war das damals schon, im November 71. Das erste Freundschaftsspiel war ein 3:3 im März 72 gegen den SV Poxdorf. Garic berichtet von klopfenden Her­zen, von Freundschaft, von schönen Toren. „Ich selbst habe meistens in der Zweiten gespielt“, sagt er, seine Stärken liegen neben dem Platz: Spiel­leiter, Kassier, Vorsitzender – alles war Jovica Garic schon bei seinem Ver­ein – und das ist es mittlerweile auch: Von den fünf jungen Männern aus der Baracke ist nur noch er übrig geblie­ben. Zwei sind gestorben, einer lebt jetzt in Norddeutschland, einer ist zu­rück in die Heimat gegangen. „Mein Stück Heimat ist hier“, sagt Garic und meint den FK Jugoslavija.

All die Kosovaren, Mazedonier, Ser­ben, Slowenen, Kroaten, Bosnier sehen das ähnlich. Woche für Woche spielen sie auf dem Gelände des FC West Fußball. „Wir haben auch Jorda­nier und Tunesier dabei. Deutsche haben auch schon für uns gespielt“, erzählt Garic. „Das macht mich stolz: Der FK Jugoslavija ist multikulti.“ Das haben sie auch nicht geändert, als der Bürgerkrieg in den 90er Jahren ausbrach: Serben, Kroaten, Slowe­nen, Bosnier, die eben noch friedlich nebeneinander lebten, schlugen sich in der Heimat plötzlich gegenseitig die Köpfe ein. Beim FK Jugoslavija ging es friedlich weiter: „Wir haben die Politik rausgehalten, die hat doch mit Fußball nichts zu tun“, sagt Jovi­ca Garic. Natürlich gab es Diskussio­nen, Kabinengespräche über das, was da los war in der geliebten Heimat. „Aber wir sind hier eine Familie.“ Das ist bis heute so geblieben, und darauf sind sie besonders stolz. Fast noch mehr als über den Aufstieg aus der A-Klasse, den dritten in der langen Vereinsgeschichte. 1978 war das erst­mals gelungen, zwei Jahre hielt sich die Mannschaft in der damaligen B-Klasse. Dann waren sie noch ein­mal fünf Jahre oben. „Heuer hatten wir wieder eine gute Truppe“, sagt Garic. Und das ist untertrieben: Von 27 Partien feierte Jugoslavija 22 Sie­ge, fünf Unentschieden. Keine einzi­ges Spiel hat das Team verloren, nur der SV Tennenlohe II war noch besser, der hat 24 Partien gewonnen, eine ver­loren – 0:1, gegen Jugoslavija. „Die Jungs haben angefangen, sich über ein Unentschieden so zu ärgern, als hätten sie verloren“, beschreibt Garic den Ehrgeiz unter Trainer Emir Rasto­der. „Unser Problem ist meistens der August, wenn die Spieler in der Hei­mat Urlaub machen. Da müssen wir immer den Kader auffüllen mit den Alten Herren.“ Den da verlorenen Punkten rennen sie dann regelmäßig hinter her – „heuer war das anders. Da waren wir gut genug im August.“ Drei Serben, zwei Bosnier und ein Kroate waren zum Team gestoßen, „die haben in der Heimat alle schon Amateurfußball gespielt. Auch der Teamgeist ist gewachsen, vor und nach dem Spiel unternehmen die Spie­ler viel miteinander. Das war nicht immer so, früher gab es Teams, die tra­fen sich nur zum Fußballspielen."

Die beste Mannschaft, die je für Jugoslavija spielte? Soweit würde Jovica Garic nicht gehen: „1971/72“, sagt er, „da hatten wir eine riesige Auswahl. Das waren alles Straßenfuß­baller, die hatten hier nichts außer die Arbeit, nicht ein Wort Deutsch konn­ten manche. So schnell wie sie kamen, waren manche wieder weg. Nicht ein­mal Jugoslawien gibt es mehr.“ Aber den FK Jugoslavija gibt es noch. Und mit ihm Jovica Garic.

Aufrufe: 015.6.2017, 10:57 Uhr
Christoph Benesch (EN)Autor