2024-04-19T07:32:36.736Z

Allgemeines

Besuch bei den bayrischen Hessen

FuPa unterwegs: +++ Torfestival in Alzenau mit Highlights auf und neben dem Platz +++ Seit den frühen 90ern hessisch +++ Traum von Regionalliga +++ Wunsch nach gutem Verhältnis zu Nachbarn +++

Hier unser Erlebnisbericht vom Besuch beim FC Bayern Alzenau. Die FCB-Verantworlichen hatten uns in der Rückrunde einmal eingeladen, uns ein Bild vom ambitionierten Hessenligisten zu machen. Das haben wir getan, und zwar beim Mittelhessen-Duell am letzten Spieltag. Genauso interessant wie das Spiel an sich war aber auch das Drumherum. Wie arbeitet das Umfeld, mit welchen Zielen? Und wie ist das Verhältnis zu den Teams im Umland? Und warum spielen die Bayern eigentlich in Hessen?

Als die Mannschaft singend und feiernd die Pressekonferenz stürmte, war selbst für den größten kartoffelsalatfutternden Laien (FuPa-Reporter) klar, dass man beim FC Bayern Alzenau mächtig stolz ist auf die abgelaufene Hessenliga-Saison. Auch wenn Vorstand Andreas Trageser, der noch vor Beginn der Pressekonferenz den Spielbericht fertig zum Upload auf dem Laptop blinken hatte, doch immer mal in Rechenspiele verfiel: „Fünf Punkte mehr, und wir wären direkt aufgestiegen – und es weiß ja kaum wer von außerhalb des Clubs, was für Chancen wir in dieser Runde liegen gelassen haben…“. Sein leichtes Kopfschütteln ist aber nur von kurzer Dauer, denn wenn er sich im Presse- und VIP-Raum des FCB umschaut, sieht er nur zufriedene Gesichter. Allen voran übrigens das den umworbenen Erfolgscoachs Angelo Barletta.

Dass der Ex-Zweitliga-Profi (FSV Frankfurt, Sportfreunde Siegen, Rot-Weiß Erfurt) sein Team auch für das letzte Saisonspiel gegen den SV Steinbach hervorragend eingestellt hatte, war bei unserer Ankunft in der Nähe des „Hundewalds“ (Google Maps) noch nicht klar gewesen. Apropos diffus: Im Vorfeld hatte es widersprüchliche Meldungen darüber gegeben, ob die gegnerische Elf nun eigentlich noch um den Klassenverbleib kämpfen musste oder nicht – dank der verbindlichen Aussage von Hessen Kassel, den Punktabzug mit in die neue Regionalligasaison zu nehmen, konnten die mitgereisten Steinbacher Fans (einige, bedenkt man, dass parallel die letzte Bundesliga-Konferenz über die Bildschirme flatterte) ganz entspannt verfolgen, was ihre Mannschaft in Alzenau so fabrizieren würde.

Und wir waren enorm gespannt, wie der Besuch in Alzenau ausfallen würde. Während wir im Vorfeld im direkten Kontakt ausschließlich positive Erfahrungen mit dem zweiten FCB in diesem Land gemacht hatten, hat man im Gespräch mit den Gelnhäuser Kreiskollegen schon immer mal zwischen den Zeilen gehört, dass der Club nicht den besten Ruf zu haben scheint. Nicht von der grundsätzlichen Führung her, es sind wohl eher größtenteils knapp ein Jahrzehnt zurückliegende Abwerbe-Geschichten und das nachgesagte hohe Selbstverständnis manch eines Fans und Vereinsvertreters der Bayern, die hier und da ein paar atmosphärische Pfützen hinterlassen haben, die nicht allerorts getrocknet sind. Dazu der übliche kritische Blick auf den größten Nachbarn – da kann sich dann insgesamt schon mal ein negativer Eindruck festsetzen. „In meinen Augen haben wir eigentlich ein recht gutes Verhältnis zu den Nachbarvereinen“, sagt dagegen Trageser, „und das ist für uns auch eine wichtige Sache im alltäglichen Umgang“. Der große Gegner der Alzenauer ist sowieso in der Bayernliga Nord aktiv – das Erreichen des Relegationsplatzes von Viktoria Aschaffenburg an diesem Tag verfolgen alle Alzenauer Anhänger höchst aufmerksam.

Beachtlich professionell geht es jedenfalls in der einzigen bayrischen Ecke des FuPa Mittelhessen-Gebiets zu. Aufmerksame Ordner, freundliches Personal an der Kasse, engagierte Helfer für die Verpflegung der Zuschauer und Sponsoren vor und nach dem Spiel (und während der Halbzeit!), dazu eine gepflegte Anlage – der FC Bayern Alzenau ist definitiv regionalligatauglich, was das ganze Drumherum angeht.

Auf Mittellinienhöhe nehmen wir schließlich Platz, nachdem uns ein weiteres Mitglied des Vorstandssextetts, Karl-Heinz „Kalle“ Frank, erklärt hat, wie es eigentlich dazu kam, dass die überzeugten Bayern im Hessenland auf Punktejagd gehen. 1992 wechselten sie in den HFV – Grund waren hauptsächlich die langen Anreisewege, die sich in Hessen einigermaßen in Grenzen halten. „Klar, Vellmar ist nicht um die Ecke“, sagt Frank, „aber im Vergleich zu den Odysseen durch Bayern…“, lacht er und winkt ab.

Vor dem Anpfiff werden unter reichlich akustischer Untermalung des Vereinstrommlers die scheidenden Spieler verabschiedet. Darunter auch Markus Auer, der zum Regionalliga-Absteiger Teutonia Watzenborn-Steinberg wechselt und damit künftig gegen die Blau-Weißen auf dem Platz stehen wird.

Das Spiel beginnt mit Feldvorteilen für die Gäste, die frech nach vorne spielen, sichtlich befreit vom Druck der letzten Wochen. Allerdings agieren sie auch hinten sorglos – und so fällt das frühe 1:0 für die Hausherren durch Aret Demir nach einem eigentlich vielversprechenden Angriff der Steinbacher. Elias Niesigk (24.) und Marcel Wilke (34.) sorgten schon vor der Pause für die Entscheidung. Was etwas seltsam war, schließlich hielten die Gäste zumindest offensiv stark dagegen, scheiterten jedoch entweder am starken Döbert im Tor der Hausherren oder trafen schlichtweg das Gehäuse nicht. Für „Kalle“ Frank jedoch gar nicht so komisch: „In solchen Spielen siehst du einfach, warum ein Verein oben oder unten steht“, so der FCB-Vorstand, der uns lächelnd die Funk-Fernbedienung für die Anzeigetafel reicht – schon springt für alle sichtbar das Ergebnis um ein Tor höher.

Im zweiten Durchgang dann der verdiente Anschlusstreffer für die Steinbacher durch Daniel Hanslik (53.). Danach fallen die Gäste defensiv aber völlig auseinander – vielleicht sind doch einige eher mit ihren Bundesliga-Idolen zusammen mental auf dem Entscheidungsplatz ganz woanders in Deutschland? Schließlich läuft parallel auch in der Bundesliga das große Finale. Die Bayern netzen durch erneut Demir (direkt verwandelter Eckball, 64.), Francesco Calabrese (66.) und Salvatore Bari (82.) zum Endstand, und inzwischen ist der Abstand hochverdient wenn nicht sogar zu knapp. „Salvatore schießt noch Tore“, rufen die Zuschauer italienischer Herkunft begeistert, und dann ist die Partie auch beendet. Die Steinbacher Anhänger nehmen es sportlich, Pfiffe oder Beschimpfungen gibt es nicht. Karl Müller, der Steinbacher Coach, zeigt sich bei der nur kurz unterbrochenen Trainer-PK ebenso sportlich fair: "Glückwunsch zum Sieg für Alzenau. Wir hatten diese Woche ein Auf und Ab. Wir sind trotzdem glücklich über die Saison mit 36 Punkten, haben die siebtmeisten Tore geschossen. Ich freue mich auf die nächste Saison und auch auf ein Wiedersehn in Alzenau. Es hat hier Spaß gemacht, bei diesem Platz und diesem Umfeld."

Das kann man aus FuPa-Gastperspektive nur unterstreichen. Selbst nach dem Spiel bleiben viele Zuschauer noch da, verfolgen gemeinsam die Bundesliga-Entscheidungen und wundern sich über den RW Frankfurt-Patzer, der Stadtallendorf den direkten Aufstieg ermöglicht. Andreas Trageser hat die Bilder des Spiels schon in der Halbzeit bearbeitet, während Coach Barletta also noch die letzten Worte spricht, ist online alles vorbereitet, und alle Bäuche sind voll. „Es war ein schöner Abschluss und wir haben alle Erwartungen übertroffen. Wir haben die Messlatte für die nächste Saison mit 64 Punkten sehr hoch gelegt. Ich möchte mich bei allen Helfern in Alzenau bedanken. Ohne so ein Umfeld wäre dies nicht möglich. Wir haben einen tollen Charakter in der Mannschaft und ich freue mich auf die neue Saison." Auch hier nochmal einen bestätigenden Daumen hoch. Mit Alzenau wird weiter oben zu rechnen sein. „Erst die Infrastruktur, dann das Personal – das ist unser Motto und es ist überraschend, wie viele Vereine den steinigen umgekehrten Weg gehen“, wundert sich Frank. Vielleicht wird die gute Vorarbeit in diesem stabilen Umfeld bald mit dem Regionalliga-Aufstieg gekrönt. Watzenborn, Fulda, Waldgirmes, Steinbach und Fulda können sich als mittelhessische Liga-Konkurrenten jedenfalls auf schwere Partien gegen die einzigen Bayern hierzulande einstellen. Und vielleicht löst sich ja der ein oder andere atmosphärische Knoten gegenüber benachbarten Vereinen schneller, als man denkt. Wir werden das 6:1 jedenfalls in guter Erinnerung behalten. Auf dem Beschleunigungsstreifen der A45 gen Gießen laufen die Highlights rauf und runter. Auf und neben dem Platz.

Aufrufe: 019.6.2017, 13:19 Uhr
Dennis BellofAutor