2024-04-19T07:32:36.736Z

Team Rückblick
Der schmerzlichste und brutalste Moment einer tollen Fußballer-Laufbahn: Friedel Späth wird am 2. Januar 1966 im DFB-Pokalspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Opel Rüsselsheim nach einem Zusammenprall mit dem eigenen Torwart in der 70. Minute bewusstlos vom Platz getragen. Foto: Main-Spitze
Der schmerzlichste und brutalste Moment einer tollen Fußballer-Laufbahn: Friedel Späth wird am 2. Januar 1966 im DFB-Pokalspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Opel Rüsselsheim nach einem Zusammenprall mit dem eigenen Torwart in der 70. Minute bewusstlos vom Platz getragen. Foto: Main-Spitze

Extrem bitterer DFB-Pokal

Friedel Späth verliert ein Finale und am 2. Januar 1966 mit dem SC Opel das Bewusstsein

Wer sich im Fußballsport auskennt, dem dürfte beim Jahr 1966 sofort das legendäre Wembleytor in den Sinn kommen. Ein russischer Linienrichter namens Tofik Bachramov wollte in der 101. Minute des WM-Endspiels zwischen England und Deutschland (4:2) den von Geoff Hurst an die Unterkante der Latte geschossenen Ball hinter der Linie aufspringen gesehen haben, woraufhin der Schiedsrichter das 3:2 gab und die tapfere DFB-Elf um Kapitän Uwe Seeler bald darauf in ein Tal der Tränen stürzte. Knapp sieben Monate vor dem denkwürdigen Finale am 30. Juli indes hatten sich auch in Mönchengladbach tragische Dinge ereignet. Für den SC Opel Rüsselsheim im Allgemeinen, der eine ganz besondere Begegnung unter Wert 1:5 (0:4) verlor, für Friedel Späth im Speziellen. Aber der Reihe nach.

Große Silvesterfeier fällt aus

Dank Siegen in den Ausscheidungsspielen gegen den 1. FC Pforzheim und die Stuttgarter Kickers hatte der Regionalliga-Aufsteiger vom Untermain es tatsächlich zum ersten und einzigen Male als eine von 34 Mannschaften in den DFB-Pokalwettbewerb geschafft. Das Los wollte es so, dass der Sport-Club am 2. Januar zu einem von zwei Qualifikationspartien beim Bundesligisten Borussia Mönchengladbach anzutreten hatte. ,,Silvester konnten wir natürlich nicht richtig feiern, da wir uns ja vorbereiten mussten", erzählt Friedel Späth, damals 30 Jahre alt. Dass es mit Privatwagen ins Bökelbergstadion ging, es dort auch nach dem 13.45 Uhr Anstoß weiter stark regnete ,,und der Boden knöcheltief aufgeweicht war", daran erinnert sich Späth gut. Ebenso daran, dass auf der anderen Seite Spieler wie Günter Netzer, Jupp Heynckes, Berti Vogts und ein gewisser Bernd Rupp standen.

Dass der Außenseiter in der 8. Minute Pech hatte, als ein Freistoß von Torjäger Karl-Heinz Rößler an den Pfosten klatschte, ehe besagter Rupp das erste von vier Toren anbrachte, ist Späth entfallen. ,,Fast alles ist weg. Ich habe immer gedacht, wir hätten 1:4 verloren". So stand es in der für ihn extrem bitteren 70. Minute. Was dort passierte, weiß er nur aus Erzählungen: ,,Nach einem weiten Ball in unseren Strafraum muss ich bei einem Laufduell mit Heynckes gestürzt und mit dem Kopf voll gegen den Fuß unseres herausstürzenden Torwarts geprallt sein." Bewusstlos wird der Stopper vom Platz getragen, Auswechselungen sind noch nicht erlaubt. Da kein Sanitäter anwesend ist, geht es im Privatwagen - unterwegs noch mit nassen Handtüchern gegen den sich ausbreitenden Bluterguss versorgt - zurück zu einem Nachbarn nach Königstädten, wo ein Arzt am Abend die sofortige Einweisung ins Krankenhaus Rüsselsheim anordnet.

Fast zwei Wochen verbringt Späth mit einer schweren Gehirnerschütterung dort, hat danach zehn Jahre mit Hautproblemen zu kämpfen. ,,Das war meine mit Abstand schwerste Verletzung", sagt der heute 80-Jährige. Zurück im Team des SC Opel hilft er sechs Spielzeiten mit, dass die Gelb-Schwarzen in der seinerzeit zweitklassigen Regionalliga Süd bleiben. Mit dem 163. Einsatz am 19. Mai 1971 gegen SSV Reutlingen, in dem der Abwehrchef noch einmal seiner ursprünglichen Passion als Stürmer frönt, endet Späths Ära im SCO-Trikot. Während der gebürtige Weisenauer noch eine letzte Runde bei TG Ober-Roden anhängt, steigt der Sport-Club ein Jahr später ab und verschwindet bald darauf in der Versenkung.

Keine Freigabe für Italien

Viel hat freilich nicht gefehlt, und Friedel Späth, der seit gut 37 Jahren in Haßloch zu Hause ist, wäre gar nicht nach Rüsselsheim gekommen. Schließlich hatte der hochbegabte und vor allem flexibel einsetzbare Kicker beim 1. FC Kaiserslautern ab 1956 gemeinsame Sache mit den 54er-Weltmeistern Fritz und Ottmar Walter gemacht und in drei Oberliga-Spielzeiten - die Bundesliga wurde 1963 eingeführt - 38 Tore erzielt. Fritz Walter wurde Trauzeuge und der Kontakt hielt lange, obwohl es Späth 1959 für zwei Jahre zum Karlsruher SC (25 Tore/mit einem Freundschaftsspiel gegen Peles FC Santos), danach für vier Jahre zum FSV Frankfurt (65 Tore) zog. ,,Der Fritz hat manchmal zu mir gesagt, dass wir einfach zu früh geboren wurden", erzählt Späth, auf die damaligen und aktuellen Entlohnungen der Profis angesprochen. ,,Man kann das natürlich nicht vergleichen, aber das heute ist einfach zu viel. Wir haben maximal 320 Mark im Monat und 70 Mark für einen Sieg bekommen."

Obwohl der große Traum, es 1958 in den deutschen WM-Kader in Schweden zu schaffen, platzte, ,,weil ich bei einem Lehrgang einmal dem Sepp Herberger widersprochen und dann noch eine Rote Karte bekommen habe", wäre Späth fast nach Italien gegangen. Bei CC Catania, die ihn 1960 unbedingt haben wollten, hätte wohl auch die Kasse gestimmt, ,,aber der KSC hat mich nicht freigegeben". Weitere Angebote aus der Bundesliga kamen, doch als junger Vater standen irgendwann andere Dinge obenan.

Dennoch bedurfte es einer Frankfurter ,,Zeitungsente", dass Späth im Sommer 1965 vom Bornheimer Hang als einer von drei Neuen - neben Torwart Nägler auch noch ein gewisser Karl-Heinz Kamp - an den Rüsselsheimer Sommerdamm kam. Hans-Georg ,,Halu" Blöcher, seinerzeit der Macher beim SC Opel, rief im richtigen Moment an und avisierte Unterstützung bei bedeutsamen Dingen. Zur Wohnung kam ein Arbeitsplatz beim städtischen Tiefbauamt, wo Späth bis zu seiner Pensionierung 30 Jahre tätig war. Beim SC Opel ist er zwar schon lange kein Mitglied mehr, ,,aber wie sie gespielt haben und wo sie stehen, interessiert mich schon noch", sagt Späth. Richtig gute Kontakte unterhält er zu alten KSC-Recken. Und da er mit jenen Karlsruhern 1960 das DFB-Pokalfinale ausgerechnet gegen Borussia Mönchengladbach 2:3 verloren hatte, hätte gerade Friedel Späth den 2. Januar 1966 besonders gerne ganz anders erlebt.

Bor. Mönchengladbach: Kretschmer; Jansen, Vogt, Pöggeler, Wittmann, Milder, Laumann, Heynckes, Rupp, Netzer, Waddey.

SC Opel Rüsselsheim: Nägler; Sieben, Mößinger, Lasse, Späth, Kleinböhl, Latzel, Kamp, Gaspert, Rößler, Rice.

Tore: 1:0 Rupp (15.), 2:0 Netzer (21.), 3:0 (27.), 4:0 (32.) beide Rupp, 4:1 Kamp (49.), 5:1 Rupp (85.); Zuschauer: 3500; Schiedsrichter: Redelf (Hannover); Bes. Vorkommnis: Netzer verschießt Foulelfmeter (90.+2).

Aufrufe: 02.1.2016, 16:00 Uhr
Martin KriegerAutor