2024-05-10T08:19:16.237Z

Vereinsnachrichten
Auch mit 64 Jahren noch für den Fußballsport engagiert: Klaus Fischer. Foto: Jochen Dedeleit
Auch mit 64 Jahren noch für den Fußballsport engagiert: Klaus Fischer. Foto: Jochen Dedeleit

Ex-Torjäger Klaus Fischer hält ordentliche Standpauke im Schwarzwald

Der 64-Jährige findet klare Worte auf und neben dem Platz - 126 Nachwuchsfußballer bei Fußballcamp im Schwarzwald dabei

Friedrichshafen / sz - ,,Einer läuft - und die anderen gehen spazieren. Das ist kein Fußball, der Fußball heute ist ein anderer. Das geht mir alles viel zu langsam hier." Der Erfolg nach der Standpauke von einem der besten Torjäger, den Deutschland je hatte, lässt auf dem Kunstrasenplatz des SV Waldkirch nicht lange auf sich warten. Klaus Fischer schaut wieder zufriedener drein, als seine Gruppe unter den 126 Nachwuchskickern, die sich in den Sommerferien vier Tage seiner Fußballschule angeschlossen haben, engagiert zu Werke geht und sich die Spieler nicht mehr mit der Rolle des Zuschauers zufrieden geben, wenn der jeweilige Gegner den Ball annimmt.

Schalkes Stürmer-Legende hält sich nicht zurück, ist oftmals auf Ballhöhe und schaltet sich mit seinen mittlerweile 64 Jahren auch selbst ins (Angriffs-)Spiel mit ein. ,,Ihr müsst in Bewegung bleiben. Drei Meter weiter rechts entsteht schon eine neue Situation." Kurze Pause. ,,Aber das größte Problem ist, dass ihr den Kopf unten habt. Und nicht redet. Wer nicht spricht, ist keine Hilfe." Die Jungs und die wenigen Mädchen sind bei Temperaturen knapp unter 30 Grad gewillt, die Tipps aufzunehmen, nur selten verdreht einer die Augen. Lob gibt es auch, die zwölfjährige Juliana bekommt zu Recht am meisten davon ab. Immer wieder zappelt der Ball nach einem Schuss von ihr im Netz, ,,ja, so geht das: annehmen, drehen, schießen", ist der Vize-Weltmeister von 1982 von den Qualitäten der Jung-Stürmerin angetan.

Klaus Fischer ist es egal, wie alt die Lernbegierigen sind. ,,Ob groß oder klein, die Grundlagen des Fußballs müssen im Vordergrund stehen. Klares Passspiel, Kopf oben, sauberes Ballstoppen. Auch wenn alle nur spielen wollen: Wie sieht denn das Spiel aus, wenn sie diese Dinge nicht beherrschen?" Beim abschließenden Trainingsspiel zwinkert der 45-fache Nationalspieler (und 32-fache Torschütze) dem Chronisten zu. ,,Die merken gar nicht, dass sie einer weniger sind." Wenige Minuten später wird das Gleichgewicht hergestellt, die ,,Betrogenen" sind mittlerweile aber zu müde, um lange zu protestieren. Vorausgegangen war auch Fischers Lieblingsspiel, Acht gegen Vier. ,,Die vier in der Mitte müssen den Ball erobern. Da bist du ein halbes Jahr drin, wenn du nur trabst."

Die Hemmschwelle ist am dritten Tag bei den jungen Kickern des SV Waldkirch bereits gesunken, ,,die kennen mich ja jetzt. Die müssen nicht mehr schüchtern sein". Aber kennen die Kids auch den einstigen Weltklassestürmer, der in der Fußball-Bundesliga 535 Einsätze hatte und für 1860 München, Schalke 04, 1. FC Köln und VfL Bochum insgesamt 268 Tore erzielte und sich damit hinter Gerd Müller auf Platz zwei der ewigen Torschützenliste befindet? ,,Natürlich, es gibt ja die Eltern und Opa. Und das Internet. Da sehen sie auch die Tore." Fischers Tore. Ein Kapitel für sich. Die Fallrückzieher und Flugkopfbälle ließen die Fußball-Feinschmecker in höchsten Tönen schwärmen, 1977 im Länderspiel Deutschland - Schweiz (4:1) erzielte er das Tor des Jahrhunderts.

Nachdenklich wird der Mann, der 1970/1971 in den großen Bundesliga-Skandal verstrickt war und vom DFB zunächst lebenslang gesperrt wurde, wenn er darauf angesprochen wird, warum er von seinem ehemaligen Verein Schalke 04 nicht in die tägliche Arbeit mit eingebunden wird. ,,98 Prozent der Vereine haben noch nicht mitbekommen, wie es funktioniert. Die Bayern machen es vor, die Ehemaligen wollen ihren Verein schließlich nach vorne bringen. Die, die geholt werden, kommen in erster Linie, um Geld zu verdienen. In der Zeit von Präsident Günter Eichberg war ich für Schalke auf Stürmersuche, das war das einzige Mal", erinnert sich der gelernte Glasbläser.

Aufrufe: 019.8.2014, 14:39 Uhr
Schwäbische ZeitungAutor