2024-05-02T16:12:49.858Z

EM2016
F: Ferreira
F: Ferreira

Endspiel leichter als der Weg dorthin

EM: +++ Fünf EM-Favoriten auf derselben Seite des Turnierbaums +++ Deutschland wäre als Gruppenzweiter Favoriten aus dem Weg gegangen +++

GIESSEN. Beim Blick auf den EM-Turnierbaum fällt einem sofort auf, dass fünf der sechs Favoriten auf derselben Seite stehen. Damit kann nur eines der Nationalteams aus Frankreich, England, Deutschland, Spanien und Italien das Finale erreichen.

Das deutsche Team trifft auf dem Weg dorthin im Viertelfinale auf Italien oder Spanien und im Halbfinale wahrscheinlich auf England oder Frankreich. Im Finale selbst würde die DFB-Auswahl dann auf einen vermeintlich schwächerer Gegner aus dem anderen Turnierzweig stoßen.

Wie konnte diese ungleiche Verteilung der Titelanwärter geschehen? Der Turnierplan ist so konstruiert, dass die drei Gruppensieger aus den Gruppen A, C und E in denselben Turnierzweig kommen und die Gewinner aus den Gruppen B, D und F in den anderen.

Mannschaften, die nicht im selben Zweig sind, können erst im Endspiel aufeinandertreffen. Außerdem sind die Zweiten einer Gruppe nie im selben Zweig des Turnierbaums wie der Erste derselben Gruppe.

Bei den Dritten ist es uneinheitlich, zwei Dritte sind im selben Zweig wie die der Gewinner ihrer Gruppe, und zwei im selben Zweig wie die Zweitplatzierten. Während Frankreich (Gruppe A), Deutschland (Gruppe C) und Italien (Gruppe E) erwartungsgemäß ihre Gruppen gewannen, wurden England in der Gruppe B und Spanien in der Gruppe D nur Zweiter. Portugal wurde in der Gruppe F sogar nur Dritter. Damit wechselten sowohl Spanien als auch England im Turnierbaum die Seiten und schon waren es fünf auf der einen Seite. Portugal, alleine auf der anderen Seite, blieb als Gruppendritter dort, wo es auch als Sieger hingekommen wäre.

Es stellt sich die Frage, wie wahrscheinlich war eine solche Achtelfinalsituation wie sie jetzt eingetreten ist. Um eine solche Situation herbeizuführen, müssen entweder zwei Favoriten aus dem Gruppentriple ACE das ,,Lager" wechseln, oder zwei aus BDF. Das ergibt sechs verschiedene Möglichkeiten.

Es ist aber auch möglich, dass alle aus ACE wechseln und zusätzlich einer aus BDF bzw. umgekehrt. Das sind noch einmal sechs Fälle. Schätzt man die Wahrscheinlichkeit eines Favoriten, dass er seiner zugedachten Rolle nicht gerecht wird und daher im falschen Turnierbaum landet, auf 40% ein, dann bekommt man für die jetzt eingetretene Konstellation eine Wahrscheinlichkeit von 18%. Das ist mehr als viele denken.

Deutschland hätte es am Mittwoch in der Hand gehabt, in den leichteren Turnierbaum zu rutschen. Paradoxerweise war gerade der 1:0-Sieg das denkbar schlechtestes Ergebnis. Hätte das Team von Jogi Löw gegen Nordirland unentschieden gespielt, wären unsere Jungs als Gruppenzweiter den großen Favoriten komplett aus dem Weg gegangen.



Aufrufe: 027.6.2016, 20:06 Uhr
Reiner Euler (Gießener Anzeiger)Autor