2024-05-17T14:19:24.476Z

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Platzverweis für die Gewalt auf und um den Sportplatz sollte es eigentlich heißen. Doch immer wieder kommt es - auch in den hiesigen Fußballstadien - zu Eskalationen. Foto: SZ-Archiv
Platzverweis für die Gewalt auf und um den Sportplatz sollte es eigentlich heißen. Doch immer wieder kommt es - auch in den hiesigen Fußballstadien - zu Eskalationen. Foto: SZ-Archiv
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Einzeltäter sind kaum zu kontrollieren

SZ-Serie Sicherheit: Gewalt auf Fußballplätzen beschäftigt Vereine und Verbände

Bad Saulgau/sz - In den vergangenen Jahren - und jüngst gerade wieder am vergangenen Wochenende in Gammertingen, wo ein Spieler einen anderen mit einem Kopfstoß verletzte - hat es wiederholt Gewalt auf und am Rande der Sportplätze gegeben. Nicht mal in der Bundesliga, nein, vor allem in den unteren Amateurklassen scheint die Zahl der Straftaten zuzunehmen, vor allem die Zahl der gravierenden Gewaltdelikte, gerade gegen Schiedsrichter. Ein Problem, das Verband und Verein versuchen zu lösen

Es gibt sie von der Bundesliga bis in die Niederungen des höherklassigen Amateurfußballs. Die Spiele, die als Hochsicherheitsspiele bezeichnet werden. Partien mit Anhängern von Vereinen, die als problematisch gelten oder deren Aufeinandertreffen mit Anhängern eines anderen Vereins mit problematischen Anhängern Krawalle und gewaltsame Auseinandersetzungen mit sich bringt. Zu diesen Spielen gehören zum Beispiel das Ruhrpottderby zwischen Dortmund und Schalke, aber auch Partien in der 2. Bundesliga wie das Südderby zwischen Karlsruhe und Kaiserslautern. Doch nicht nur der Profifußball ist davon betroffen, auch in den Top-Amateurklassen wie der Regionalliga oder der Oberliga gibt es immer wieder Problemspiele mit Anhängern, von denen Teile als gewaltbereit gelten. „Die zuständige Polizeidirektion beziehungsweise das Innenministerium stuft ein Spiel mit der Beteiligung einer Fangruppierung als Sicherheitsspiel ein und spricht eine Empfehlung aus, nach der der gastgebende Verein für die Betreuung der problematischen Fans sorgen muss“, sagt Heiner Baumeister, Pressesprecher des Württembergischen Fußball-Verbandes (WFV). „Und der WFV widerspricht solchen Empfehlungen eigentlich nicht.“ Schon aus versicherungstechnischen Gründen wäre das eine nicht zu unterschätzende Fahrlässigkeit. Denn widersetzte sich der Verband oder der ausrichtende Verein der Empfehlung und passierte dann etwas, wären Verband und Verein die Gelackmeierten. Auf der anderen Seite gibt es auch in der Oberliga Spiele, zu denen nicht einmal 500 Zuschauer kommen, bei denen aber ein Verein als Gastmannschaft beteiligt ist, dessen Fans als problematisch gelten. Wie zum Beispiel, wenn Fans des SSV Reutlingen oder des SSV Ulm in die Fremde reisen. Das heißt, dass der Einsatz der privaten Sicherheitsdienste, die für die Gästefans zuständig sind, gerade mal so gedeckt ist und bei vermeintlichen „Kassenschlagern“ nichts hängen bleibt.

Tatort Amateur-Sportplatz

Doch längst gibt es nicht nur in den höheren deutschen Spielklasse Problemfälle. Längst hat die Gewalt Einzug gehalten auf den Amateurplätzen der Republik. Sei es, dass die Spieler untereinander die Fäuste fliegen lassen, sich die Gewalt gegen die Schiedsrichter richtet oder einzelne Zuschauer außer Kontrolle geraten. Wie vor eineinhalb Jahren, als in Mengen bei einem Jugendspiel ein Vater eines Beteiligten Juniorenspielers gegen den Schiedsrichter tätlich wurde. „Natürlich sind wir seit diesem Vorfall noch sensibler geworden, natürlich stellen wir bei jedem Spiel die geforderten Ordner, aber so etwas können sie eigentlich nicht unterbinden, denn so etwas rechnen Sie überhaupt nicht“, sagt Conrad Selbherr, Vorsitzender des FC Mengen. Denn kommt es bei Amateurspielen zu Gewalttaten seitens der Zuschauer, sind es oftmals Einzeltäter, ansonsten wenig auffällig, die oft spontan handeln.

Um der Gewalt auf den Sportplätzen in den unteren Spielklassen Herr zu werden, haben der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und der Württembergische Fußball-Verband (WFV) Programme aufgelegt. Der WFV führt seit einigen Jahren Ordnerschulungen durch, in jedem der 16 Bezirke baten Abordnungen zu speziellen Abenden, gestaltet in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Verein Zweikampfverhalten, der sich dem Antiaggressionstraining widmet. Seit einigen Jahren tragen die eingeteilten Ordner des Gastgebervereins sogenannte Ordnerwesten, ein Vorschlag der Kriminologen Tahya Vester, die in den vergangenen Jahren eng mit dem WFV zusammenarbeitete und die detaillierte Untersuchungen zum Thema Gewalt auf Amateursportplätzen in Württemberg veröffentlichte. Das Tragen der Ordnerwesten ist inzwischen Pflicht, finden sich auf dem Platz keine ausgewiesenen Ordner, sollen dies die Schiedsrichter im Spielberichtsbogen festhalten, eine Strafe seitens des WFV ist die Folge.

20 000 Euro investierte der WFV in das Projekt Ordnerschulungen, das Jannik Ruppert für den WFV federführend betreut. „Wir haben in den vergangenen Monaten 348 Ordner geschult, haben ihnen Wege aufgezeigt wie sie eine Situation deeskalieren können, beispielsweise mittels Rollenspielen“, erklärt Ruppert. Insgesamt sind er und WFV-Pressesprecher Heiner Baumeister zufrieden mit der Resonanz. Und auch die Vereine sind mit derlei Vorgehen seitens des WFV zufrieden.

Günther Selg, sportlicher Leiter des FV Neufra/Do., war mit dem FVN im Bezirk Donau Gastgeber der Ordnerschulungen. Er hält die Schulungen für sinnvoll und gut durchdacht. „Es ist schon etwas Besonderes, wenn rund 30 gestandene Personen erst mal einen Stuhlkreis machen, aber am Ende fanden das alle sehr positiv, wie uns Wege zur Deeskalation aufgezeigt wurden, mittels eines Mitarbeiters des Hamburger Vereins.“

Vor allem mittels Rollenspielen sollen Lösungen aufgezeigt werden. Wie kann ich in einem entsprechenden Fall reagieren? Was kann ich tun? Der FV Neufra verfügt mit Patrick Milz bereits über einen Fanbetreuer, der sich auch um die Einteilung der Ordner kümmert. „Wir überlegen derzeit, ob wir in der kommenden Saison spezielle, immer feste Personen als Ordner abstellen“, sagt Selg. „Und grundsätzlich fände ich es gut, wenn der WFV weiter diese Schulungen durchführt.“

Doch auch der Verband weiß, dass er die echten Problemvereine mit Ordnerschulungen nur selten erreicht. Aus diesem Grund gibt es für diese Vereine ganz bestimmte Wochenendseminare, in denen die Übeltäter, gegen die nach Gewalttaten ein Sportgerichtsverfahren anhängig war und die längerfristig gesperrt wurden, dazu verpflichtet werden, in Stuttgart teilzunehmen. Auch hier ist der Verband mit dem Hamburger Verein Zweikampfverhalten engagiert, der ganz besonders geschultes Personal zu den Seminaren schickt. „Nimmt ein Verein an diesem Seminar nicht teil, wird er für den Spielbetrieb gesperrt“, sagt Baumeister und führt das Beispiel eines Vereins aus dem Raum Calw an, der meinte, an einem Seminar in Stuttgart unentschuldigt fehlen zu müssen und vom Spielbetrieb ausgeschlossen wurde. „Ziel ist es, mit solchen. Seminaren gezielt die Schiedsrichter besser zu schützen, die oftmals Opfer von Gewalt auf dem Sportplatz werden.“

Aufrufe: 09.4.2015, 11:46 Uhr
Schwäbische Zeitung / Marc DittmannAutor