
Zunächst zum Spiel: die ersten Minuten verschlief der KSV Hessen komplett und zeigte auch bis zur Pause alles andere als eine überzeugende Leistung. Ausgerechnet Ex-Löwe Mario Klinger erzielte gegen seinen einstigen Arbeitgeber bereits nach vier Minuten das 0:1. Zwei Minuten später erhöhte Pascal Reinhardt auf 0:2, was einen Punktgewinn der Nordhessen recht unwahrscheinlich werden ließ. Der FC Homburg zog sich nach der sicheren Zwei-Tore-Führung ein wenig zurück und konzentrierte sich stärker auf´s Konterspiel. Wenn die Gäste in die Nähe des Kasseler Strafraums kamen, wurde es immer wieder gefährlich.
Zur zweiten Halbzeit nahm KSV-Trainer Jörn Großkopf zwei Änderungen vor, brachte Gabriel Gallus und Jonas Marz für Sebastian Schmeer und Marcel Andrijanic. Gallus belebte das Angriffsspiel der Gastgeber und nun trauten sich die Löwen allmählich mehr zu. Somit kam der KSV in der 68. Minute immerhin zum Anschlusstreffer. Nach Foul an Tobias Damm verwandelte Andreas Mayer den zugesprochenen Strafstoß - sein sechster Saisontreffer, fünf davon per Elfmeter (4 direkt, einen im Nachschuss), einen per direkt verwandeltem Freistoß. Kurze Zeit später lupfte Gabriel Gallus einen Ball an die Latte des Homburger Tors. Die KSV-Fans der knapp 1.200 Zuschauer im Auestadion konnten und wollten nun noch einmal hoffen, doch weitere Offensivbemühungen der Löwen wurden schließlich mit einem Konter zum 1:3-Endstand in der 87. Spielminute bestraft. Der eingewechselte Dennis Gerlinger erzielte den Treffer.
Der KSV Hessen Kassel steht nach 14 Spieltagen nun also mit 18 Punkten auf Platz 11 der Tabelle. Von der Tabellenspitze, die elf Punkte entfernt liegt, wird auf absehbare Zeit wohl keiner mehr reden. Am nächsten Sonntag geht es noch dazu nach Freiburg zum Tabellenzweiten, der Reserve des Bundesligisten SC Freiburg. Die Mannschaft lässt Kampfgeist und spielerische Qualitäten gleichermaßen vermissen, die Zuschauerzahlen sinken rapide - was fehlt, ist die Perspektive.
Der Blick zurück: Wie lief es denn in der Vergangenheit beim KSV Hessen in ähnlichen Spielzeiten? Die erste "verkorkste" Saison seit Neugründung war die Oberliga-Saison 2004/05. Zuvor war man trotz 84 erspielter Punkte und 93 geschossener Tore nicht aufgestiegen und hatte dem SV Darmstadt 98 den Vortritt lassen müssen. Der Frust saß tief und den damaligen Trainer Hans-Ulrich Thomale und später Bernd Sturm sollte es nicht gelingen, diesen aus den Köpfen der Spieler herauszubekommen. So beendete man die Saison als Tabellendreizehnter und vermied mit 4 Punkten Vorsprung den Abstieg. Im Jahr darauf gelang die grandiose Aufholjagd auf den FSV Frankfurt, gekrönt mit dem Regionalliga-Aufstieg.
Misslungene Saison Nummer 2 war 2007/08, als man die Qualifikation zur 3. Liga verpasste. Trainer Matthias Hamann verspekulierte sich damals beim Versuch, den KSV ohne Spielmacher ins Rennen zu schicken. In den folgenden drei Jahren spielte der KSV Hessen stets um die Meisterschaft in der Regionalliga Süd mit, verpasste den Aufstieg mal knapp, mal weniger knapp. Aber zumindest versprachen jene Jahre Spannung und zogen dabei so manchen Zuschauer ins Auestadion. Der dritte Tiefpunkt war die Saison 2011/12. Trainer der Löwen war Christian Hock, der wohl vor allem als der Mann in die Vereinshistorie einging, der "Fußballgott" Thorsten Bauer aus dem Kader schmiss. Diese Seuchensaison beendeten die Nordhessen mit Uwe Wolf auf der Trainerbank, der sich in der Folge eine Mannschaft zusammenstellte, in der mehrere Fußballer aus seinen früheren Trainerstationen spieleten und die letztlich die Meisterschaft nach Kassel brachte. Vor allem mit Kampf, aber weniger mit Kreativität musste man sich in der Aufstiegsrelegation den starken Kielern geschlagen geben.
Nun sollte und wollte also Jörn Großkopf mehr spielerische Elemente in die Kasseler Mannschaft bringen und trotz Sparkurses wollte der KSV erneut ein Wörtchen im Aufstiegskampf mitreden. Auch Großkopf brachte einige seiner ehemaligen Spieler mit nach Nordhessen, doch das Problem: keiner der drei konnte bislang überzeugen. Auch sonst fällt beim KSV Hessen mittlerweile ein Stilbruch auf, der bereits unter Uwe Wolf seinen Lauf nahm - im Kader der Löwen stehen vergleichsweise wenige Spieler aus der Region. Dabei war gerade dies etwas, was den KSV Hessen Kassel über Jahre auszeichnete und mit zur Identifikation der Löwen-Fans mit ihrem Verein beitrug. Stürmer Pascal Kemper beispielsweise entschied sich lieber für den OSC Vellmar und überzeugt dort in der Hessenliga ebenso, wie zuvor beim FSV Dörnberg in der Verbandsliga Nord.
Das Ausbleiben des spielerischen Elements zeigt sich wohl am besten an der Tatsache, dass Mittelfeldspieler Andreas Mayer mit fünf Elfmetern und einem Freistoß derzeit der erfolgreichste Kasseler Torschütze ist. Sicherlich wurden die Löwen zuletzt von erheblichem Verletzungspech geplagt, doch einige Positionswechsel kamen nicht nur dadurch zustande. Dem KSV Hessen mangelt es derzeit vor allem an System und Konzept.
