2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligabericht
Trainer Friedel Henßen bedankt sich bei einem, der weiß, wo das Tor steht: Arian Berkigt nach dessem Viererpack gegen Leverkusen. Foto: Royal
Trainer Friedel Henßen bedankt sich bei einem, der weiß, wo das Tor steht: Arian Berkigt nach dessem Viererpack gegen Leverkusen. Foto: Royal

Eine Liga, zwei Klubs und zwei Ziele

Alemannia Aachen und FC Wegberg-Beeck sind nun Konkurrenten. Ansonsten verbindet die Vereine kaum etwas.

Nein, Berührungsängste hat Christian Benbennek sicher nicht. Beim ersten Training stand er für jeden Bilderwunsch zur Verfügung, machte selbst ein paar unvergessliche „Selfies“ und gab launige Interviews inmitten der Fangemeinde. „Ich habe kein Problem damit, auf die Leute zuzugehen.“

Ein paar Minuten vorher war er erstmals auf seine neue Mannschaft zugegangen und hatte sich vorgestellt. Natürlich hat er auch über das Saisonziel gesprochen. „Das Ziel ergibt sich doch auch aus der Vorsaison.“ Der letztjährige Zweite will sich um einen Platz verbessern. Benbennek verzichtet jedoch darauf, die Mannschaft mit Ballast zu überfrachten. „Das Team muss sich entwickeln, wir müssen nicht vom ersten Spieltag an oben mitspielen, wir wollen es.“ Vermutlich ist es noch nie so schwierig gewesen, dieser Regionalliga West zu entkommen. „Rödinghausen und Viktoria Köln besitzen Gelddruckmaschinen“, hat der Neuling im Westen bereits registriert. Die beiden Klubs sind nicht die einzigen, die Meister werden wollen. Absteiger Borussia Dortmund II will sofort wieder aufsteigen, Borussia Mönchengladbach II will den Titel verteidigen, und RW Essen, RW Oberhausen und die Sportfreunde Lotte haben nur einen Anspruch: „Oben mitspielen“.

Es wird ein ziemliches Gedränge im Norden der Tabelle, und natürlich will auch der Trainer die Liga durch die Oberluke verlassen. Er könnte das Leitmotiv „Ich will hoch“ auch an die Kabinentür nageln. Aber das ist ihm zu plakativ. „Wir müssen es leben.“ Teambuilding-Maßnahmen im Kletterwald oder auf glühenden Holzkohlen gehören eher nicht zum Instrumentarium des Trainers. Er will die Begeisterung vorleben.

„Der nächste Schritt“

Benbennek hat auch von seiner Mannschaft schon zur Begrüßung „Herz und Leidenschaft“ gefordert – wie es wohl viele seiner Zunftkollegen in diesen Tagen proklamieren. Der ehrgeizige Trainer kann darauf verweisen, dass er diesen Elan zumindest beim TSV Havelse implantiert hat. Der kleine Verein war in der Regionalliga Nord der erste Verfolger der potenten Zweitvertretungen von Erstligisten. Benbennek hat sich dennoch nach zwei erfolgreichen Jahren verabschiedet. Für ihn ist Aachen „der nächste Schritt“. Er hat schon in der 3. Liga in Babelsberg gearbeitet, aber das haben nicht so viele Menschen verfolgt. Jetzt, bei einem Traditionsverein, ist die Lupe größer, die Erwartungen sind hoch – auch weil sein Vorgänger überzeugende Arbeit geleistet hat. „Ich arbeite für einen großen Verein, das gibt zusätzliche Motivation und Verantwortung.“

Die Mannschaft hat zumindest schon einmal verbal erfahren, dass sie einen „sehr launischen Trainer“ bekommen hat, sagt er selbst. Das hat wenig mit Wetterfühligkeit oder hormonellen Schwankungen zu tun. Der Umgang mit Niederlagen ist ihm manchmal selbst nicht geheuer. „Daran muss ich arbeiten.“ Und natürlich kann auch die Mannschaft für gute Laune beim Trainer und beim Anhang sorgen. Sie sollte dafür möglichst oft gewinnen.

FC WEGBERG-BEECK

Vieles wird anders werden für den FC Wegberg-Beeck in der Regionalliga, aber eines nicht: „Unser Etat ist nicht größer geworden“, schmunzelt Friedel Henßen. Das hat Konsequenzen für den Aufsteiger, die dem 43-Jährigen aber offensichtlich Vergnügen bereiten: „Wir setzen auf junge, hungrige Spieler. Das ist seit den drei Jahren so, seitdem ich hier bin. Und der Spaß ist riesengroß.“ Große Namen (für die Regionalliga) sind deshalb auch für die neue Saison kein Thema. Henßen setzt auf mannschaftliche Geschlossenheit und Teamgeist. „Selbst wenn ich einen sehr guten Spieler günstig bekommen könnte, er aber menschlich nicht passt, würde ich auf ihn verzichten.“

Diese Einstellung ist nicht ohne Risiko, denn der Coach weiß, „das Tempo ist höher in der Regionalliga“. Und das Ergebnistempo muss seiner Einstellung nach sofort am oberen Limit sein. „Das Wichtigste ist, in Schlagweite zu bleiben. Wenn du die ersten sechs, sieben Spiele nicht punktest, kriegst du nicht mehr den Umkehrschwung.“ Das passierte Hennef so, zu dessen Trainer Marco Bäumer Henßen einen guten Draht hat. „Sie haben erst in der Rückrunde ihre Erkenntnisse umsetzen können, aber da war es zu spät.“

Entsprechend elanvoll will der FC-Coach mit seinem jungen Team in die Saison starten. Einen Schnupperkurs in der jetzt dünneren Luft wird’s nicht geben. „Wir müssen in jedem Spiel unser Potenzial abrufen, in jedem Spiel versuchen zu punkten.“ Was seine Mannschaft neben dem beschworenen Hunger und jugendlichem Elan für viele Regionalligisten unangenehm machen könnte, ist die Ausgeglichenheit. Und auch in der 4. Liga gilt: Alle Beteiligten gehen noch einem zivilen Beruf nach.

Die Planungen sind noch nicht komplett abgeschlossen. „Wir suchen noch einen Mann für die offensive Außenbahn und einen Rechtsverteidiger.“ Die Ausschreibung ist klar: jung und hungrig . . .

Einen Torjäger im üblichen Sinne, auf dem die ganze Trefferhoffnung lastet, wird es nicht geben. So wird’s auch nicht ins Gewicht fallen, dass Denis Pozder zum FC Den Bosch wechselt. Der Torjäger war erst in der Winterpause gekommen und hat auch nur fünf Spiele von Anfang an bestritten. „Bei uns ruht die Verantwortung auf zahlreichen Schultern. Als vor einem Jahr Sahin Dagistan zu Alemannia gewechselt ist, sind wir auch erfolgreich geblieben. Wir besitzen viele Spieler, die wissen, wo das Tor steht. Darauf ist auch unser Spielsystem ausgerichtet.“ Sich bewusst nicht abhängig machen von einem Spieler, das Kollektiv zählt. Die Abteilung Attacke ist breit gefächert und schwierig zu fassen für gegnerische Abwehrspieler. Und einer dieser Offensiv-Fische, die durch deren Hände flutschen könnten, könnte Zugang Danny Richter (VfJ Ratheim) sein. „Er hat vor zwei Jahren in der B-Liga 54 Tore erzielt und zuletzt 30 Tore in der A-Liga.“ Und den Vierklassensprung sieht Henßen nicht als problematisch an. „Die Tore sind in der Regionalliga genauso groß wie in der B-Liga.“

Wesentlich größer aber sind andere Anforderungen an den Verein. „Unser 2. Vorsitzender Thomas Klingen geht jeden Abend mit der Spielordnung, die die gleiche, wie für die 3. Liga ist, ins Bett. Mit der Bibel, wie ich immer sage. Was da alles auf uns zukommt – der pure Wahnsinn.“

Aufrufe: 029.6.2015, 13:21 Uhr
Von Christoph Pauli und Bernd Schneiders I AZ/ANAutor