Als Andreas Wolf auf seinem Weg zum Bratwurststand vorbeikommt, da lächelt Petr Ruman kurz. Ruman war einst Angreifer bei der Spielvereinigung Greuther Fürth, Wolf Innenverteidiger beim 1. FC Nürnberg. Man kennt sich aus den Derbys. Jetzt arbeiten beide im Nachwuchsbereich, Ruman tritt heute offiziell seine Stelle als Jugend-Cheftrainer bei Darmstadt 98 an, Wolf ist Co-Trainer der Nürnberger U21. Aber um den Nachwuchs geht es jetzt erst einmal nicht. „Bei euch“, sagt also der lächelnde Ruman, „ist ja ganz schön was los, wenn das alles stimmt, was man so liest.“ Wolf verdreht zur Antwort die Augen, das genügt, weil ja tatsächlich fast alles stimmt, was man derzeit so liest über den Club.
Kurz zuvor hat Ruman selbst schon ein wenig die Augen verdreht. Es ging um seinen neuen Job, der sicherlich nicht ganz einfach werden dürfte. Es ist zuletzt in Darmstadt ja alles sehr schnell gegangen. Der Verein war vor kurzem noch beinahe in die Regionalliga abgestiegen, jetzt ist man ein Bundesligist. Ein Bundesligist ohne bundesligareifen Unterbau. Eine zweite Mannschaft, erzählt Ruman, haben sie zum Beispiel nicht in Darmstadt. Vor einem Jahr, da waren sie gerade in die 2. Liga aufgestiegen, haben sie die Reserve abgemeldet – sie wollten das wenige Geld dafür verwenden, mit der ersten Mannschaft den Klassenverbleib zu sichern.
Das hat noch besser geklappt als erwartet, aber jetzt stehen sie eben ohne Unterbau da – und können ihren Talenten in der Jugend kaum eine richtige Alternative bieten. Darunter leidet auch die U19, die zwar in der Bundesliga spielt, aber es ist schwer, geeignete Spieler zu finden, wenn die Perspektive nach zwei Jahren lautet, es entweder in die Bundesligamannschaft zu schaffen oder sich einen neuen Verein zu suchen. Jetzt ist die U19 chancenlos am Tabellenende, überfordert von der Bundesliga. Man merkt das auch an diesem Nachmittag am Valznerweiher, an den Ruman sie begleitet hat. Gegen die U19 des 1. FCN ist Darmstadt von Beginn an chancenlos. Noch vor der Pause steht es 3:0 für den Club, der die Gäste kaum aus der eigenen Hälfte lässt. Es zeichnet sich also da schon ein schöner Nachmittag für das Nürnberger Nachwuchsleistungszentrum ab. Kurz zuvor hat nämlich bereits die U21 ihr Spiel gegen den TSV Rain gewonnen. In Nürnberg haben sie sich im letzten Jahr dagegen entschieden, ihre zweite Mannschaft abzumelden vom Spielbetrieb, wie das neben den Darmstädtern noch andere Mannschaften gemacht haben, weil es sich nicht rentiert hat.
In Nürnberg haben sie sich nur entschlossen, die Mannschaft noch einmal zu verjüngen. Statt einer U23 ging fortan also eine U21 an den Start – und hatte in ihrer Premierensaison lange Zeit große Probleme. Die Mannschaft von Trainer Roger Prinzen schaffte zwar am Ende souverän den Klassenverbleib, die Zeit im Abstiegskampf hatten aber jene im Umfeld gerne genutzt, um über die angeblich so schlechte Nachwuchsarbeit beim Club zu schimpfen. Jetzt ist die U21 Vierter nach acht Spieltagen, schimpfen kann vorerst keiner mehr, der ernst genommen werden will.
Dabei hatte alles furchtbar angefangen, am ersten Spieltag gab es ein 1:5 in Schweinfurt. „Individuelle Fehler“ hatte Prinzen damals ausgemacht und sich mit der Mannschaft darüber unterhalten, dass es so bitte nicht schon wieder losgehen soll. „Die brauchen harte Worte, aber auch ruhige Töne“, sagt Prinzen über eine Mischung, die offenbar erfolgreich war. Der Sieg gegen Rain am Lech bedeutet, dass sie ihre schöne Serie ausbauen: Fünf Partien in Folge haben sie jetzt schon nicht mehr verloren. Das liegt vor allem an Spielern wie Patrick Erras. Der Innenverteidiger hatte die Vorbereitung der Profis mitgemacht, jetzt stabilisiert er die U21. Gegen Rain trifft er nach 16 Minuten per Kopf zur Führung, Patrick Weimar erzielt in der 77. Minute den Endstand.
„Das war heute kein perfektes Spiel“, sagt Prinzen, „aber man sieht, dass wir dieses Jahr reifer sind, weil wir letztes Jahr mit einer jungen Mannschaft Erfahrungen gesammelt haben, obwohl das ein Risiko war.“ Erfahrungen sollen sie ja sammeln in der U21 – und irgendwann dann die Profis besser machen. Einer dem das nicht nur Prinzen zutraut, ist Erras. „Das ist ein wirklich stabiler Spieler, der sich im Profifußball durchsetzen wird“, sagt Prinzen. Er muss dann, wenn es so weit ist, Ersatz finden für seinen Innenverteidiger.
Sorgen muss er sich deshalb nicht machen, das sieht er nach dem eigenen Spiel, als er sich auch noch den Auftritt der U19 – also der künftigen U21-Akteure – gegen die armen Darmstädter ansieht. Am Ende steht es 4:0 und Trainer Pellegrino Matarazzo darf sagen, dass „wir das, was wir uns vorgenommen hatten, ab der ersten Minute gut umgesetzt haben.“ Eigentlich machen sie das schon seit dem ersten Spieltag: Nach drei Partien steht der Club ungeschlagen auf Bundesliga- Platz vier. Es ist nicht alles schlecht, was man so liest über diesen 1. FC Nürnberg.