2024-05-08T14:46:11.570Z

Interview
Steven Jahn im Trikot des FSV 63 Luckenwalde. Foto: Verein
Steven Jahn im Trikot des FSV 63 Luckenwalde. Foto: Verein

"Ein Luckenwalder soll nicht nur Trainingsgast sein“

Rückkehrer Steven Jahn vom FSV 63 Luckenwalde im FuPa Brandenburg-Interview

Beim 1. FC Union Berlin durfte Steven Jahn schon 2. Liga-Luft schnuppern. Doch eine schwere Erkrankung zwang den 27-Jährigen 2012 zum vorzeitigen Karriereende. Im Frühjahr 2016 beendete Jahn aber seine sportliche Auszeit - und jetzt will er bei seinem Heimatverein FSV 63 Luckenwalde den Weg zurück in den bezahlten Fußball schaffen. FuPa Brandenburg sprach mit dem Offensivspieler über seine Rückkehr.
Herr Jahn, wie kam es zu der überraschenden Rückkehr?

Ende März 2016 habe ich wieder mit dem Training begonnen und meine Ernährung komplett umgestellt. Thomas Mill vom FSV hat meine Fortschritte seitdem mitverfolgt. Und er wusste, dass ich seit Januar ohne Verein war. Da hat er mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, wieder in Luckenwalde zu spielen. Ich hatte aber erstmal vorgehabt, es im Ausland zu versuchen. Deswegen habe ich noch um etwas Geduld gebeten.

Wie versucht man es als Fußball-Profi im Ausland?

Mein großer Traum ist nach wie vor die Major League Soccer in Amerika. Ich habe viele Vereine angeschrieben und mich bei ihnen beworben. Da kam aber leider nicht viel zurück. Das Ausland hat mich aber trotzdem weiter gereizt. Mit TuS Sachsenhausen war abgesprochen, dass ich dort nur in der Hinrunde spiele, um wieder fit zu werden. Deswegen habe ich ganz viele Vereine unter anderem in Irland, Polen, Estland, Dänemark, Schweden und sogar Australien und Neuseeland angeschrieben. Die meisten hatten aber Zweifel wegen meiner Krankheitsgeschichte. So habe ich Anfang Januar Zuhause gesessen und hatte noch immer keinen Verein, bei dem ich mich vorstellen konnte.

Sicher keine einfache Situation.

Ich kannte das schon aus meiner Union-Zeit. Also habe ich einfach selbst die Initiative ergriffen, habe mir im Internet ein Ticket für einen Billigflieger gekauft und bin nach Belfast geflogen. Vorher hatte ich dem Linfield FC, dem nordirischen Rekordmeister und größtem Club der Stadt, eine Mail geschickt, dass ich demnächst in Belfast bin und gerne mittrainieren würde. Da kam auch sofort eine Antwort, dass ich mich beim Verein melden soll, wenn ich dort bin. Nur mit einem Rucksack bin ich also hin geflogen. Der Teammanager fand das sehr cool, dass ich mir das tatsächlich getraut habe. Das Training bei Linfield war richtig geil. Wann kann man schon mal mit Roy Carroll, einem Premier League-Meister mit Manchester United zusammen trainieren? Linfield hätte mich auch sehr gerne sofort verpflichtet, aber leider haben sie ihr Budget für die laufende Saison schon aufgebraucht. Ähnlich wie bei vielen unserer Regionalliga-Clubs spielen dort nur drei oder vier Vollprofis, der Rest muss nebenbei noch arbeiten. Aber wir haben besprochen, dass wir weiter in Kontakt bleiben wollen und im Sommer nochmal schauen, ob ein Engagement möglich ist.

Da kam der FSV wieder ins Spiel?

Ich habe sofort nach meiner Rückkehr bei Thomas Mill angerufen und ihm gesagt, dass wir jetzt über eine Rückkehr sprechen können und ich gerne wieder in Luckenwalde spielen würde. Er hat alles in Bewegung gesetzt, um das möglich zu machen. Nach dem ersten Training vor einer Woche hat schließlich auch Trainer Ingo Nachtigall gesagt, dass ich gerne bleiben kann.

Hätten Sie damit vor einem Jahr gerechnet?

Nein, das ist voll krass. Ich hatte vor neun Monaten noch 30 Kilogramm mehr auf den Knochen und war körperlich völlig fertig. Jetzt stehe ich wieder kurz vor einem Regionalliga-Einsatz. Das ist der völlige Wahnsinn.

Wie weit sehen Sie sich leistungsmäßig?

Es fehlt - auch im Vergleich zu früher - noch richtig viel. Ich war immer ein schneller Spieler. Ich bin zwar älter geworden, aber auch mit 27 Jahren sollte man noch einigermaßen flink auf dem Platz unterwegs sein. Es wird aber von Training zu Training besser. Außerdem brennen zum Beispiel meine Oberschenkel sofort. Ich muss mich erst wieder an die Belastung gewöhnen und an das fußballerisch höhere Niveau in der Regionalliga.

Wie kam es eigentlich zum Rücktritt vom Karriereende?

Ich war fünf Jahre mit meiner Freundin zusammen. Sie hat mich auch während der schweren Zeit der Krankheit immer unterstützt. Im Februar 2016 haben wir unsere erste gemeinsame Wohnung eingerichtet und sind zusammengezogen. Nur wenige Wochen später hat sie mir aber am Ostersonntag gesagt, dass sie nicht mehr will, hat ihre Sachen gepackt und ist ausgezogen. Da ist mein Leben komplett zusammengebrochen. Der aktive Fußball hat bis dahin überhaupt keine Rolle mehr gespielt. Nachdem ich deswegen viel geweint hatte, brauchte ich ein neues Ziel. Da habe ich die Trainingssachen angezogen und bin das erste Mal wieder laufen gegangen. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es immer besser ging.

Sie hatten also wieder Blut geleckt.

Ja, anfangs habe ich es nach der Trennung zum Trotz voll durchgezogen. Ganz schnell war es aber kein Trotz mehr, sondern der Traum wuchs wieder, mit dem Fußball Geld verdienen zu können. Ich hatte eine Gänsehaut, als ich im Mai 2016 bei Sachsenhausen das erste Mal wieder auflaufen durfte. Und das erste Tor war ein unbeschreibliches Gefühl. Sachsenhausen hätte mich auch gerne behalten, aber das ging für mich nicht. Mit 27 Jahren kann ich nicht weiter Brandenburgliga spielen, sondern muss jetzt jede Chance nutzen, höherklassig Fußball zu spielen.

Der Sprung von der Brandenburg- in die Regionalliga ist sportlich dennoch beachtlich.

Ja, zwei Ligen höher ist schon nicht ohne. Aber ich merke, dass ich mithalten kann. In der Regionalliga wird viel mehr Fußball gespielt, in der Brandenburgliga eher gearbeitet. Das kommt mir auf jeden Fall entgegen. Ich freue mich richtig darauf. Es wird sicher cool, vor 3000 oder 4000 Zuschauern bei einiges Teams spielen zu dürfen. Ich freue mich auch riesig über den vielen positiven Zuspruch, den ich von allen Seiten bekomme. Vor neun Monaten hätte ich nicht gedacht, dass ich wieder so glücklich sein könnte.

Bereiten Ihnen die Folgen des Epstein-Bar-Virus noch Probleme?

Nein, wenn man die Krankheit ein Mal durchgestanden hat, ist es vorbei. Es können ab und zu noch Schübe ähnlich wie eine Migräne kommen mit Schwindelgefühl und Übelkeit. Das habe ich aber gut im Griff und nehme auch Tabletten dagegen. Nur mit der Regeneration dauert es jetzt etwa einen Tag länger.

Wie sehen Ihre Ziele für die Rückrunde persönlich und mit dem FSV aus?

Wir wollen auf jeden Fall die Klasse halten. Die Mannschaft hat die Qualität dazu. Da sind richtig gute Fußballer dabei. Mit den bescheidenen Möglichkeiten des FSV kann der Verein trotzdem mithalten und Luckenwalde gehört einfach in die Regionalliga. Ich persönlich muss mich erst noch an das Tempo und die Härte in der Liga gewöhnen. Ich möchte so viel Spiele absolvieren wie möglich und meinen Teil beitragen. Außerdem wünschen sich sicher die Leute, dass ein Luckenwalder nicht nur Trainingsgast ist.

Und im Sommer geht es dann ins Ausland?

Generell bin ich für alles offen. Ich plane meine Karriere nicht und vieles kann man auch nicht planen. Sicherlich werde ich es nochmal versuchen. Linfield habe ich da besonders im Blick, wenn die schon so angetan von mir waren. Das große Ziel bleibt natürlich auch weiterhin die USA. Erstmal möchte ich aber die Rückrunde genießen und alles raushauen, was geht.

Mit Steven Jahn sprach Sven Bock.
Aufrufe: 02.2.2017, 19:59 Uhr
Sven BockAutor