2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
180 Unterschriften von Promis bedecken Vor- und Rückseite. Sogar ?Ente Lippens? hat das rote Trikot schon gesehen. Foto: Wanner
180 Unterschriften von Promis bedecken Vor- und Rückseite. Sogar ?Ente Lippens? hat das rote Trikot schon gesehen. Foto: Wanner

Ein Jahn-Trikot geht seit vier Jahren um die Welt

Ein Fußballverrückter namens Del`Haye sammelt darauf Autogramme für die Eröffnung des neuen Jahn-Stadions

Verlinkte Inhalte

Man nennt ihn Del'Haye, nach dem traurigen Rechtsaußen vom Niederrhein, der bei Bayern nur auf der Bank saß. Auch “weißer Hai” ist geläufig, weil er so ein scharfes Mundwerk hat. Im “Perso” steht Reinhard Köhler. Seit 35 Jahren lebt er in Pielenhofen bei seiner Naabtalperle. Traudl stammt aus dem “Café Bleicher” und bedient im Restaurant Wurstkuchl. Ihr Lebenspartner ist Stammgast in “Stars'N'Bars” in Monaco, dem Treff der Promis aus Film, Musik und Sport. Monegassen-Fürst Albert begrüßt ihn persönlich, seit er ihm die handschriftlichen Grüße des Papstbruders auf der Rückseite eines Papstbildes übermittelt hat.
Nichts in der Drei-Zimmer-Wohnung mit Naabblick lässt erkennen, dass hier der Mann wohnt, der dieses Jahr “45 Jahre Hockenheim” feiert und halb Monaco kennt. Katzen, nicht Ferrari-Pferde prägen seine vier Wände. Seine Partnerin liest abends im Lesezirkel, was ihr Reinhard seit Jahrzehnten erlebt: Promis hautnah. Ortstermin, Naabstraße. Del'Haye öffnet im weißblauen Fußballdress und Turnschuhen. In den folgenden dreieinhalb Stunden wird er auf dem Wohnzimmerteppich viele Meter gehen und dabei sprechen, ohne abzusetzen. Das musst du als Frau erstmal 35 Jahre aushalten! Seit 1980 steht Woche für Woche ein Strauß Rosen auf dem Tisch. Das ist auch Del'Haye. Den Spitznamen bekam er im Naabtal. Wegen der blonden Mähne und weil er “a Preiß” ist. Seit er 30 Sekunden nach seiner allerersten Einwechslung im Pokalfinale den Siegtreffer für Pielenhofen schoss - mit dem Knie, nennen sie ihn Del'Haye.

Mit dem Mund ist er Weltmeister

Lange her. Aber gut für verrückte Aktionen ist er noch. Den Jahn hat er im Blut. Der am 31. Mai 1953 geborene Hannoveraner hat sich 1973 unter Aki Schmidt in der Jahn-Geschäftsstelle als linker Außenstürmer selbst angemeldet. In der Ersten mit Michael Hümmer und Hans Meichel kam er nie zum Zuge, gilt aber am Stammtisch der ehemaligen Aktiven in der Jahntribüne als der Ihre. Nach einer Fersenbeinzertrümmerung hatte er seine Schnelligkeit verloren. In der A-Jugend-Auswahl von NRW war er mit 14 Jahren auf 100 Metern noch 11,2 gelaufen. “Mit der Gosche bist du Weltmeister, auf dem Platz nicht mal Hausmeister. Der Spruch stammt von Aki Schmidt. Wir sind bis heute Freunde.”

Seit 2011 reist in Reinhard Köhlers Koffer ein Jahn-Trikot mit. Er hat es selber nie getragen. Es ist voll mit 180 Unterschriften. Von Boris Becker bis zum Kartenabreißer im Stadion haben Menschen unterschrieben, die dem Jahn was Gutes wünschen. Als noch keiner vom Stadion-Neubau sprach, da hatte Reinhard Köhler schon die Idee mit der Trikot-Aktion. “Ich hab mit Harry Gfreiter geredet, der gab mir ein Trikot mit nach Monaco.” Gfreiter gilt in Regensburg als Kult-Spieler. 2007 wurde er in die Jahrhundert-Elf gewählt. Dieses von Harry Gfreiter zur Kontakt-Reliquie gemachte Jahn-Trikot schickte Reinhard Köhler um die halbe Welt. Jedem Promi hielt er es unter die Nase.

Jetzt ist es voll. Ursprünglich wollte er es zur Eröffnung des Jahnstadions am 18. Juli übergeben - zusammen mit 180 Promi-Fotos beim Unterschreiben. Aber nun hat er nicht einmal ein Ticket zum Eröffnungsspiel. Was ist da los? Dabei ist das Trikot ein “Who's Who” der europäischen Sportprominenz: Der ehemalige Chef des Rennstalls von Ferrari hat sich darauf ebenso verewigt wie Agnes Heindl, die verstorbene Hausdame des Domkapellmeisters. Georg Ratzinger hat das Trikot gesegnet. Fürst Albert von Monaco und Erich Beer von Hertha BSC Berlin stehen drauf. Die Formel 1-Weltmeister Jacky Stewart, Alain Prost, Niki Lauda, Mika Häkinnen, Fernando Alonso, Lewis Hamilton, Sebastian Vettel, Keke Rosberg und Damon Hill unterschrieben, die Fußballweltmeister Stefan Reuter und Icke Hässler, vor allem aber: Markus Weinzierl, der Trainer-Gott aus Augsburg, der sogar mit dem Jahn Wunder vollbrachte.

Wunder hat Köhler selbst erlebt. Zweimal hat er dem Tod ins Auge geblickt. “Ihr Sohn wird die Schule nicht erleben”, sagten die Ärzte seiner Mutter. Er hatte offene TBC, war ein Jahr in der Geschlossenen. Erst vor 11 Jahren bekam der Protestant nach einem Magendurchbruch von einem katholischen Priester die letzte Ölung. Den 22. April 2004 bezeichnet Köhler deswegen als seinen zweiten Geburtstag. “Ich gab meinem Leben eine 180 Grad-Drehung. Jetzt bin ich der, der ich bin.” Er glaubt, sich gefunden zu haben.

Die einen mögen ihn, die anderen gehen ihm aus dem Weg - kalt lässt er keinen: Del'Haye ist ein Hans Dampf in allen Boxen-Gassen. Trotz aller Penetranz ist er letztlich ein guter Kerl mit dem Herz am rechten Fleck. Er hat einen schweren Weg hinter sich. Sein Vater war ein Fußballverrückter wie er, der die Familie bald nach der Geburt von Reinhard verlassen hat. Fußball war für seine Mutter Traute von da an ein Rotes Tuch. “Meine Fußballklamotten hat sie nicht angefasst. Ich musste sie selber waschen.” Zwei Seelen hat er, die andere brennt für den Motorsport. Jochen Rindt war sein Guru. Wegen ihm lernte er Automechaniker. Danach sattelte er auf technischen Kaufmann um. Seit seinem zweiten Geburtstag vor elf Jahren hat er alle Scheu abgelegt und nutzt seine Promi-Kontakte. “Ausnutzen war immer das falsche Wort, die ersten drei Buchstaben mussten weg. Dann hab ich mit den Events angefangen: Benefiz-Fußballspiele, Planung für Formel 1-Reisen, Audienzen in Rom. Ok, kleinere Brötchen, aber ich bin mit mir seit langer Zeit zufrieden.” Andere Eventmanager fahren einen BMW X 3, Reinhard Köhler fährt Bus, Linie 12. Für den Charity-Golfclub “The Eagles” organisierte er am 3. Dezember 2008 die “prima fila” bei Papst Benedikt XVI. Schauspieler Günther Maria Halmer, “der Grantler”, ist ihm immer noch böse, weil er in der zweiten Reihe stehen musste.

“Hurra! Der Papst in der Tasche!”

Köhler ließ 30 Papstbildchen von Georg Ratzinger für die WM in Südafrika segnen. “Bild” titelte über den “Eder-Kumpel”: “Hurra! Wir haben den Papst in der Tasche!” Köhler sieht sich indirekt auch für den WM-Titel 2014 verantwortlich. “Der Segen von Papst Benedikt erwies sich stärker als der von Franziskus für Argentinien.” Der sehbehinderte Domkapellmeister schrieb auf die Rückseite eines Bildes von Papst Benedikt XVI. die folgenden Worte: “Der deutschen Fußballmannschaft bei der Fußball-WM in Brasilien für das Endspiel die besten Segenswünsche, 12. Juli 2014, Georg Ratzinger.” Köhler führte nicht die Hand, aber setzte sie immer wieder in die nächste Zeile. Er ließ das Benedikt-Bild segnen, machte ein Foto davon und schickte es über “What's App” an Klaus Eder ins Mannschaftslager. “Am selben Abend waren wir Weltmeister.”

Alles ziemlich schräg, aber geholfen hat's. Solche Fürsprecher könnte der Jahn auch brauchen. Was geschieht also mit dem Promi-Jahntrikot? Kommt es als Glücksbringer in den Schrein des neuen Stadions?



Aufrufe: 05.7.2015, 16:30 Uhr
Helmut WannerAutor