2024-05-10T08:19:16.237Z

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Wie viel Geld steht Sportlern, etwa Fußballern, nach Mindestlohngesetz zu? Ulrich Goetze gab erste Antworten. Fotos: Imago
Wie viel Geld steht Sportlern, etwa Fußballern, nach Mindestlohngesetz zu? Ulrich Goetze gab erste Antworten. Fotos: Imago

Ehrenamt oder Mindestlohn?

Gesetzesänderung könnte Sportwelt auf den Kopf stellen - Wenig Rechtssicherheit

Osnabrück. Bedrohung, Verunsicherung, Abgründe: Die Gestaltung der Schlagzeilen der letzten Wochen zum Thema Mindestlohn im Sport - speziell im Fußball - symbolisiert, dass ein Riesenproblem auf die Finanzierung der vielen Sportvereine in Deutschland zurollt. Im Folgenden ein Blick ins Dickicht gesetzlicher Regelungen und ungeklärter, weil weiter offener Fragen.

Spiele, die ausfallen, weil Vereinen die Kicker weglaufen. Ausgetretene Spielfelder, weil der Platzwart nicht kommt. Trainer und Spieler, die Vorstände vors Arbeitsgericht zerren: Nicht nur für den Amateurfußball zeichnete etwa die ,,Hannoversche Allgemeine Zeitung" ein düsteres Bild der Zukunft. Der Grund: die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro pro Arbeitsstunde, auch für den Sportbereich - wobei dieser dort längst nicht für alle gilt.

,,Maßgeblich dafür, ob der Verein Mindestlohn zahlen muss, ist immer die Frage, ob jemand als Arbeitnehmer tätig ist oder nicht", erklärte Ulrich Goetze jüngst in einer Fortbildung des Stadtsportbundes Osnabrück. Der Steuer- und Vereinsberater machte klar, dass auch Teilzeit- und kurzfristig Beschäftigte sowie Mini-Jobber Anspruch auf den Mindestlohn haben.

Schwieriger wird es mit der Tatsache, dass Selbstständige und Ehrenamtliche vom Mindestlohn ausgenommen sind. Doch unter welchen Umständen kann jemand selbstständig für einen Verein tätig sein? Goetze nennt als Beispiel den Tennistrainer, der für verschiedene Clubs arbeitet. ,,Wenn jemand aber - wie der klassische Ballsporttrainer - organisatorische Maßnahmen im Auftrag des Vereins ausführt, ist er Arbeitnehmer", erklärte der Steuerberater.

Für Ehrenamtliche sind dagegen Aufwandsentschädigungen bis zu einer gewissen Höhe steuer- und sozialversicherungsfrei: für Betreuer, Übungsleiter oder Pflegekräfte gilt ein Freibetrag von 2400 Euro im Jahr - also im Schnitt 200 Euro im Monat. Für Vorstände, Platz- und Zeugwarte sowie Kampf- und Schiedsrichter gelten 720 Euro pro Jahr. ,,Wenn Sie sich im Bereich dieser Freibeträge bewegen, können Sie die Leute ausbeuten, so viel Sie wollen", sagte Goetze mit Augenzwinkern zu den etwa 200 Vereinsvertretern.

Wieder anders sieht es für die Sportler aus, sofern sie als Aktive Geld vom Verein bekommen: Grundsätzlich werden Aufwandsentschädigungen für Amateursportler bis zu 200 Euro im Monat sozialversicherungsrechtlich nicht aufgegriffen - sind aber steuerpflichtig. Vergütungen an Vertragsamateure unterliegen dem Mindestlohngesetz. Richtig kompliziert wird es, wenn man dieses Gesetz studiert: Laut Paragraf 22, Absatz 3, heißt es, dass unter den Arbeitnehmerbegriff nicht fällt, wer ,,nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl einzusetzen".

Die Trennlinie zwischen Ehrenamt und Arbeitsverhältnis ist also entscheidend. Doch genau diese lässt sich häufig nicht leicht ziehen - gerade bei Clubs in der Grauzone zwischen reinem Amateursport und reinem Profisport. Im Fußball etwa dürfte dies viele Clubs von der Regionalliga bis zu ambitionierten Bezirksligisten betreffen. Laut Niedersächsischem Fußball-Verband gibt es landesweit 1000 Vertragsamateure, die als Fußballer Mindestlohn fordern können.

Denn viele von ihnen erhalten pro Monat 250 Euro: Das ist nach Sportrecht die Mindestvergütung, um Versicherungsschutz zu genießen. Für einen Stundenlohn von 8,50 dürften sie aber nur 29 Stunden im Monat kicken. Im gehobenen Amateurfußball dürfte der Arbeitsaufwand bei dreimal Training und einem Spiel pro Woche größer sein. Zudem ist bis dato rechtlich ungeklärt, ob Besprechungen oder Auswärtsfahrten auch als Arbeitszeit gelten. Ein Treffen zwischen Vertretern des Innenministeriums und des Deutschen Olympischen Sport-Bundes Ende Februar soll helfen, die Rechtssicherheit zu erhöhen.

Aufrufe: 020.2.2015, 15:00 Uhr
Neue Osnabrücker ZeitungAutor