2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview der Woche
Interview-Termin im nachgebauten Mannschaftsbus der Fußball-Weltmeister von 1974: Die Drittliga-Trainer Horst Steffen, Jürgen Kramny, Peter Vollmann und Rüdiger Rehm (v. li.) Pressefoto Baumann
Interview-Termin im nachgebauten Mannschaftsbus der Fußball-Weltmeister von 1974: Die Drittliga-Trainer Horst Steffen, Jürgen Kramny, Peter Vollmann und Rüdiger Rehm (v. li.) Pressefoto Baumann

Drittliga-Trainerquartett im großen Interview

Dritte Liga: die vier Cheftrainer aus der Region im Gespräch

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Das Treffen mit den Trainern der württembergischen Fußball-Drittligisten hat Tradition. Horst Steffen (Stuttgarter Kickers), Jürgen Kramny (VfB II), Peter Vollmann (VfR Aalen) und Rüdiger Rehm (SG Sonnenhof Großaspach) sind sich einig: Die neue Saison wird so spannend wie noch nie.
Meine Herren, können Sie sich vorstellen, warum wir aus regionaler Sicht vor einer ganz besonderen Saison stehen? Kramny: So viele württembergische Clubs hat es in der dritten Liga seit der Gründung 2008/09 noch nie gegeben. Zu viert waren wir noch nie.
Vollmann: Und zum Interview im Bus mit der Aufschrift BR Deutschland seid ihr wahrscheinlich auch noch nie gesessen.
Kramny:
Stimmt. Wir waren schon im Ruderboot auf dem Neckar, im Flugzeug oder auf dem Fernsehturm. Aber wahrscheinlich ist das schon ein Vorgeschmack auf die neue Saison. Die Auswärtsfahrten werden immer länger. Wir werden viel Zeit im Bus verbringen.
Steffen:
Erzgebirge Aue kam aus der zweiten Liga runter, der 1. FC Magdeburg und Werder Bremen II stiegen aus der Regionalliga auf, dafür blieben die Kieler drin.
Rehm:
Vielleicht hätten es die Kickers in den Relegationsspielen gegen den TSV 1860 ja besser gemacht.
Steffen:
Wir hätten es gerne darauf ankommen lassen. Als Vorjahres-Vierter kann das Ziel der Blauen doch eigentlich nur Aufstieg heißen. Kramny: Verschlechtern werden sie sich als ambitionierter Club kaum wollen.
Steffen:
Wir können aus der vergangenen Saison sicher etwas mitnehmen, aber letztendlich starten wir bei null, und jeder muss sich neu beweisen.
Vollmann:
Die Zweitliga-Absteiger werden diesmal keine so große Rolle spielen wie in der letzten Runde. Deshalb glaube ich schon, dass Teams wie Kiel oder die Kickers, die vergangenes Jahr oben dabei waren, diesmal sogar ganz oben dabei sein werden. Sie selbst rechnen sich gar keine Chancen auf den sofortigen Wiederaufstieg aus? Vollmann: Nein, eher muss man einen Aufsteiger wie die Würzburger Kickers auf der Rechnung haben. Wir stecken im totalen Umbruch und starten aus der letzten Reihe. 21 Spieler haben den Verein verlassen.
Kramny: Der neue VfR ist schwer einzuschätzen, aber ein paar Gute habt ihr schon auch dazubekommen.
Rehm: Finde ich auch. Matthias Morys hätten wir gerne bei der SG behalten, doch mit Vereinen wie dem VfR Aalen können wir ­finanziell nicht mithalten.
Steffen:
Und Randy Edwini-Bonsu hat ja auch seine Qualitäten.
Vollmann:
Aber letztendlich wollten ihn die Kickers nicht mehr. Wir hoffen, dass er bei uns über die Jokerrolle hinauswächst. Herr Steffen, Sie legten bei der Spielerauswahl den Schwerpunkt auf junge, schnelle, technisch starke Offensivspieler. Den Spruch, dass der Sturm Spiele gewinnt . . . Steffen: . . . und die Abwehr Meisterschaften, kenne ich.

Hätten die Kickers dann nicht ihre Defensive nachhaltiger verstärken müssen? Steffen: Zum einen haben wir ja Alternativen dazugeholt. Zweitens bin ich von unserer Spielweise überzeugt, mit der haben wir eine Menge Fans gewonnen. Dass wir zu viele Gegentore bekommen haben, heißt nicht, dass wir nicht weiter offensiv spielen werden. Ich bin überzeugt davon, dass man auch mit Offensivfußball aufsteigen kann. Steigt nicht das Team auf, das über 38 Spieltage hinweg die wenigsten Fehler macht? Kramny: Im Normalfall ja. Der 1. FC Heidenheim oder auch Darmstadt 98 haben mit einer anderen, rustikaleren Spielweise den Sprung nach oben geschafft - und ihre Spieler hatten im Schnitt fünf Zentimeter mehr Körpergröße als die der Kickers
Vollmann: Die Konstanz ist schon das entscheidende Kriterium. Wenn die Konkurrenz Schwächen zeigt, musst du zuschlagen. Dazu brauchst du Qualitätsspieler, die aus Nichts etwas machen, und einen langen Atem.
Rehm:
Ich muss für Horst Steffen mal eine Lanze brechen. Ich glaube nicht, dass die Kickers wegen ihrer dominanten, offensiv ausgerichteten Spielweise am Ende nur Vierter geworden sind, sondern weil in der entscheidenden Phase der Kader qualitativ nicht breit genug war. Arminia Bielefeld und der MSV Duisburg hatten da ganz andere ­Möglichkeiten. Ich fand die Spielweise der Kickers jedenfalls attraktiv. Dennoch haben Sie die Blauen bei der Umfrage unter den Drittliga-Trainern nicht unter den ersten drei getippt. Rehm: Ich mag Horst, wollte ein bisschen Druck von ihm nehmen und ihm lieber die Rolle des Geheimfavoriten lassen (lacht). Im Ernst: Es wird ganz eng werden oben. Acht Teams werden den Aufstieg unter sich ausmachen. Da gehören die Kickers natürlich dazu, genauso Dynamo Dresden, der Chemnitzer FC, Energie Cottbus, Holstein Kiel oder der SV Wehen Wiesbaden.
Vollmann:
Es wird so spannend wie noch nie. Denn einen Topfavoriten, ein Team mit herausragendem Etat und einem einzigartigen Kader gibt es diesmal nicht.
Kramny:
Uns kann ich als Aufsteiger ­ausschließen.
Rehm:
Und wir werden auch nicht das ­Überraschungsteam der Saison. Herr Rehm! Sie haben mit Ihrer Mannschaft Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen mit 1:0 geschlagen. Rehm: Die Bayer-Profis sind direkt aus dem Urlaub zum Testspiel gekommen. Das darf man nicht überbewerten.
Vollmann:
Für die Außendarstellung ist so ein Ergebnis eine schöne Sache, und man geht auch gestärkt daraus hervor. Wir haben gegen den VfB auch nur mit 0:1 verloren. Das motiviert, und vielleicht kommen zum ersten Heimspiel gegen den Chemnitzer FC 500 Zuschauer mehr. Aber in der dritten Liga sind ganz andere Qualitäten gefordert. Herr Kramny, Sie werden mit Ihrer Elf künftig so spielen, wie es die Philosophie des Vereins vorgibt? Kramny: Wir wollen unserem ersten Gegner Dynamo Dresden jetzt aber nicht verraten, dass wir früher ins Pressing gehen und bei Ballbesitz noch schneller umschalten. Ohne Spaß: Natürlich gibt es Anhaltspunkte, an denen wir uns orientieren. Und wenn Sie sich nicht dranhalten? Kramny: Wir werden versuchen, die Spielweise auf dem Platz durchzubringen. Doch es wird auch Situationen geben, in denen die Spieler Entscheidungen treffen, die du als Trainer nur schwer beeinflussen kannst. Wie läuft die Zusammenarbeit mit Profitrainer Alexander Zorniger? Kramny: Ganz normal, wie es sein muss. Wir hatten ein längeres Treffen und Telefonate.

Ihre mit Junioren-Nationalspielern gespickte Mannschaft hat Qualität. Was ist für den VfB II drin in dieser Runde? Kramny: Wir sind neben Erfurt das einzige Team, das seit 2008 ununterbrochen in der dritten Liga dabei ist. Das soll so bleiben, aber es wird wie immer eine große Herausforderung. Die Feuertaufe gibt es schon zum Auftakt im Hexenkessel von Dresden. Da wird sich zeigen, ob ein Jugend-Länderspiel etwas anderes ist als ein Drittligaspiel. Herr Rehm, wie lauten die Ziele der SG? Rehm: Für unsere bewusst verjüngte Mannschaft zählt nur der Klassenverbleib. Wir wollen Negativserien wie im Vorjahr, als wir acht- oder neunmal hintereinander nicht gewonnen haben, vermeiden. Und wir wollen mit unserem kleinen Verein aus dem kleinsten Ort der Liga weiter für Aufruhr sorgen und die Großen ärgern. Von einem maßstabsgerecht verkleinerten Hoffenheim wollen Sie weiter nichts wissen? Rehm: Davon sind wir ganz weit weg.
Kramny: Man kann die Strukturen der beiden Vereine überhaupt nicht vergleichen. Ich finde, bei der SG wird super Arbeit geleistet. Der Klassenverbleib war nicht unbedingt zu erwarten. Außerdem hat der Verein während der Saison in der Trainerfrage zweimal reagiert und gezeigt, dass er nicht handlungsunfähig ist. Wie lehrreich war die Saison? Rehm: Lehrreicher als jede noch so erfolgreiche Runde auch nur ansatzweise sein kann. Dieses Auf und Ab war natürlich prägend. Ich selbst habe den Fußball-Lehrer-Lehrgang absolviert, bin bei der SG letztendlich hierfür freigestellt worden, dann wieder zurückgekehrt, und wir haben noch den Klassenverbleib geschafft. Steffen: Das traue ich euch wieder zu. Ich freue mich schon auf die heißen Derbys.
Vollmann: Der Kampf gegen den Abstieg wird extrem spannend. Ich sehe in diesem Jahr keine Mannschaft, die ein Kandidat ist, aus der Liga rauszufallen. Wie viele sind wir dann bei unserem Trainer-Treffen im nächsten Jahr? Rehm: Ich würde mich freuen, wenn wir wieder zu viert wären. Es macht Spaß, sich auf kurzen Wegen austauschen zu können.
Steffen
: Ich hätte nur einen Vorschlag: Könnten wir uns nicht mittags im Bus, sondern abends bei einem kühlen Radler treffen? Daran soll es nicht scheitern.
Aufrufe: 023.7.2015, 13:30 Uhr
Stuttgarter Nachrichten / Jürgen FreyAutor