2024-05-10T08:19:16.237Z

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Foto: Marco Büren
Foto: Marco Büren

Drei Insolvenzen und ein Todesfall

Die Geschichte des BSC Union Solingen

Union Solingen war einmal ein gestandener Zweitligist. Übrig geblieben sind ein marodes Stadion, das immer mal wieder abgerissen werden soll, und zwei Vereine, die sich spinnefeind sind und von denen jeder für sich meint, die Tradition der Union und ihrer Vorgänger-Vereine gepachtet zu haben – in den Niederungen der Kreisligen.

Sonntag, 18. Juni 1989, kurz nach 16.45 Uhr: Die SG Union Solingen verabschiedet sich vor 3000 Zuschauern mit einer 0:4-Heimniederlage gegen den 1. FC Saarbrücken von der Bühne des deutschen Profifußballs – für immer. Der Abstieg des Zweitligisten aus der Klingenstadt ist der Anfang vom Ende, der tiefe Fall bis in die Amateurklassen beginnt. Am Ende steht die Auflösung des Vereins, der von Insolvenz zu Insolvenz trudelt. Den Verein, der 14 Jahre lang in der 2. Bundesliga unterwegs und der sportliches Aushängeschild der Stadt war, gibt es nicht mehr. Das letzte von drei Insolvenzverfahren beendete das sportliche Dasein der Union. Was bleibt, sind zwei Vereine, die – jeder für sich – die Tradition am Leben erhalten wollen. Der eine heißt BSC Union Solingen, der andere OFC Solingen.

BSC Union hieß bis zum Juni 2012 noch BSC Aufderhöhe. Der kleine Verein hatte zu diesem Zeitpunkt gerade mal eine Seniorenmannschaft zum Spielbetrieb angemeldet, Jugendmannschaften gab es nicht. 15.000 Euro hat den BSC Aufderhöhe die Marke „Union Solingen“ gekostet, das Geld wurde beim Insolvenzverwalter Stefan Hahn hinterlegt. Mit der Marke „Union“ im Vereinsnamen beansprucht der BSC für sich, in der Tradition des großen Zweitligisten zu stehen. Trotz des Etiketts, das sich der BSC gegeben hat, und trotz des Wappens der Union, dass er weiterhin führt, ist nicht jeder in Solingen der Meinung, dass am Sportplatz Brabant die „alte“ Union weiterlebt.

Am wenigsten die Mitglieder und Sympathisanten des OFC Solingen. Der Ohligser Fußballclub Solingen wurde im Dezember 2010 neu gegründet, zu einer Zeit, in der die „alte“ Union keine Seniorenmannschaft stellen konnte und nur die Jugend am Spielbetrieb teilnahm. Als neugegründeter Klub musste der OFC in der untersten Spielklasse, der Kreisliga C des Kreises Solingen, atreten. Wie die „alte“ Union trägt der OFC dieselben Vereinsfarben, gelb und blau. Als Nachfolger des untergegangenen Vereins versteht sich der OFC nicht. „Wir sind nicht der Nachfolgeverein der Union“, sagte der Vereinsvorsitzende Peter Deutzmann. Juris- tisch gesehen gibt es den ohnehin nicht. Der OFC Solingen sieht sich lieber als Erbe des Ohligser FC. Den gab es von 1906 bis 1949, bis der FC in die spätere Union Solingen aufging – so ganz ohne die „alte“ Union kommt also auch der OFC Solingen nicht aus.

Ein Stück der großen Solinger Fußballtradition gehört dem OFC. Seine Heimspiele trägt der Klub am Hermann-Löns-Weg aus. Hier steht das Stadion am „HLW“, wie es unter Solinger Fußballern kurz genannt wird. Die OFC-Fußballer treten allerdings nicht im ehemaligen Zweitliga-Stadion an, sondern auf dem daneben liegenden Kunstrasenplatz. Das Stadion, das zu besten Zeiten mit 16.000 Zuschauern ausverkauft war, gammelt vor sich hin und ist für den Spielbetrieb nicht mehr zu gebrauchen. Und weil eine Instandsetzung Geld kostet, das die Stadt Solingen nicht hat, wird immer wieder über einen Abriss nachgedacht.

Die Sportstätte ist wie ein Symbol für die Geschichte der Union: Beide haben bessere Zeiten gesehen, es tut sich nicht mehr viel, aber alle reden darüber – meistens im Streit. So, wie die Vertreter von BSC Union und OFC selten einer Meinung sind, geht es auch um das „HLW“-Stadion hin und her.

Die Stadt Solingen versprach sich einst bis zu drei Millionen Euro Erlös für das Grundstück, auf dem Investoren ein schmuckes Wohngebiet planen. Im November 2012 hieß es dann plötzlich wieder in einem Gutachten des Sportausschus- ses, dass die Vermarktung des Baulandes unwirtschaftlich sei. Im Juli 2013 kündigte die Verwaltung an, das Areal für mindestens 1,5 Millionen Euro zu veräußern. Dann wäre das „HLW“-Stadion Geschichte. Mit dem Erlös will die Stadt Solingen eine Sportstätte an anderer Stelle bauen – der Gewinn für die klamme Stadtkasse wäre gleich null.

Ob der Abriss der traditionsreichen Spielstätte angemessen ist, darüber scheiden sich im Solinger Stadtteil Ohligs die Geister. 2010 haben sich Bürger im Rahmen der Aktion „Solingen spart!“ gegen den Erhalt des Stadions ausgesprochen, allerdings noch ausgehend von einem Erlös von drei Millionen Euro. Traditiona- listen waren und sind damals wie heute nicht müde, das „HLW“-Stadion zu bewahren. Die jüngste Aktion nannte sich „Tradition ist nicht verkäuflich – erhaltet das Hermann-Löns-Weg-Stadion“. CDU-Vertreter der Bezirksvertretung Ohligs/Aufderhöhe/Widdert gingen davon aus, dass die Sportstätte rentabel betrieben werden könne, denn der Abriss des Stadions allein könnte bis zu 750.000 Euro kosten.

„Das Stadion wieder instand zu setzen, kostet in meinen Augen weniger, als es abzureißen und andernorts wieder einen neuen Platz zu bauen, der ohnehin kein Flair hätte“, sagte Rüdiger Niederberger. Seit den sechziger Jahren war er bei Union Solingen tätig, sehr lange Zeit als Jugendobmann. Jetzt ist er Vorsitzender des BSC Union. „Wenn man für das Stadiongrundstück drei Millionen bekommen hätte, hätte ich mit dem Abriss leben können, aber was nun zur Debatte steht, das kann ich nicht begreifen.“

In der Sache, das „HLW“-Stadion zu erhalten, sind sich BSC Union und OFC Solingen ausnahmsweise einig. Der OFC hat 2012 der Stadt ein Konzept vorgelegt, wie man das Stadion nutzen könnte – als Nachwuchsleistungszentrum etwa. Die Frage ist, welcher Nachwuchs gefördert werden soll. Oberhalb der Bezirksliga ist kein Solinger Verein aktiv, weshalb immer mal wieder die Fusion von Solinger Klubs ins Gespräch gebracht wird. Die Stadt hat unterdessen eine Zwischenlösung. Zurzeit lagert auf dem Rasen des Stadions Bauschutt. „So ein großes Stadion abzureißen, halte ich für fahrlässig“, sagt Niederberger. Wie gut der Solinger Fußball das Stadion gebrauchen könnte, weiß der BV Gräfrath. Der Bezirksligist tritt in der ersten Runde des Verbandspokals gegen Rot-Weiß Oberhausen an und erwartet großen Andrang.

Die Frage, wie eine Fusion von Solinger Vereinen ins Rollen gebracht werden soll, wenn sich zwei Nachbarvereine so fremd sind, ï¬Ândet keine Antwort – im Gegenteil. Die Neugründung des OFC und der Namenskauf der BSC Aufderhöhe haben die „alte“ Union gespalten. Jugend- wie Seniorenspieler spielen hier wie dort – knapp 400 Meter Luftlinie voneinander getrennt. In beiden Klubs wirken in Niederberger (BSC Union) und Deutzmann (OFC) im Vorstand ehemalige Funktionäre des alten Vereins. 2007 waren beide Vorstandsmitglieder, als der 1. FC Union Solingen, der Nachfolgeverein der SG Union Solingen, Insolvenz anmelden musste. Später trennten sich die Wege. „Beim OFC“, sagt Niederberger, „gibt es Menschen, die sich damals, als es der Union schlecht ging, aus der Verantwortung gezogen haben. Aber damit muss ich mich nicht befassen. Was die Union betrifft, schaue ich nur nach vorne, nicht zurück.“ Dabei kann Niederberger aus der Geschichte der Union unendlich viel erzählen.

Daneben gibt es unzählige Grabenkämpfe, die auch über Internetseiten ausgetragen werden. Im Februar 2013 bringt Deutzmann auf der OFC-Homepage „Personen, die ohne Zweifel dem BSC Union zuzuordnen sind“ mit Sachbeschädigungen an seiner Versicherungs-Geschäftsstelle und mit Diebstahl in Verbindung. Natürlich reagiert der Vorstand des BSC Union um Niederberger prompt und teilt mit: „Dieses bewusst erzeugte falsche Bild über unseren Verein und unsere Mitglieder ist geeignet,uns größeren Schaden zuzufügen, da niemand einen ‚kriminellen‘ Verein unterstützen würde, wohl auch seine Kinder nicht in einem solchen Milieu zur fußballerischen Ausbildung geben würde.“ Damit nicht genug: Nach dem Kreisliga-B-Duell zwischen BSC Union II und OFC soll ein Spieler des BSC die OFC-Anhänger mit dem Hitlergruß provoziert haben. Für Außenstehende bleibt im Dunkeln, was wirklich geschehen ist. Was aber offensichtlich ist: Die „Erben“ des ehemaligen Zweitligisten haben sich wenig Nettes zu sagen.

Keine Regel ohne Ausnahme: Jörg und Patrick Dresen machen vor, dass Feindschaft zwischen BSC Union und OFC nicht verpflichtend ist. Während Vater Jörg, der selbst schon für die Union gegen den Ball trat, die zweite Mannschaft des BSC übernommen hat, trainiert Patrick seit dem 1. Juli die neu gegründete Reserve des OFC. Der Vater verspricht: „Ich komme mit Vertretern beider Vereine gut klar.“ Er meint, dass genauso gut sein Sohn beim BSC hätte Trainer sein können und umgekehrt. Der Junior weiß, „dass ich mir immer beim Vater Tipps holen kann“. Ein Testspiel in der Saisonvorbereitung wird es aber nicht geben. Jörg Dresen: „Mein Vorbereitungsplan stand bereits fest, als ich noch nicht wusste, dass Patrick beim OFC anfängt.“

Einenweiten Ansatz, BSC Union und OFC wieder zusammen zu bringen, verfolgt OFC-Anhänger Andreas Preuß. Er ist Moderator der Facebook-Gruppe „Umfrage zur Fusion OFC Solingen und Union Solingen“. Darin beschreibt Preuß die Grundidee, wieder aufeinander zuzugehen, als „Herzensangelegenheit“. Wer die Beiträge liest, hat den Eindruck, dass es wohl einfacher wäre, die katholische und evangelische Kirche zu fusionieren.

Bis dahin dümpelt der Fußball in Solingen vor sich hin und das große Stadion verrottet. Das Flutlicht ist im Übrigen nicht mehr tauglich für Großveranstaltungen, weil das Notstromaggregat nicht mehr schnell genug anspringt. Da wird die Spielstätte wieder zum Symbol des großen Solinger Fußballs: Das Licht ist aus.

Aufrufe: 012.9.2013, 16:00 Uhr
Marco BürenAutor