2024-05-02T16:12:49.858Z

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Diskussionsrunde: Geschäftsführer Andreas Hartmann zwischen den Spielern der dritten Mannschaft. Foto: Kirch
Diskussionsrunde: Geschäftsführer Andreas Hartmann zwischen den Spielern der dritten Mannschaft. Foto: Kirch

Doktor Viererkette

Die Mannschaften des Kreisligisten ASG Uni Bonn bestehen weitestgehend aus Akademikern. Während anderswo geflucht wird, diskutiert man hier freundschaftlich.

Die Anweisung vom Spielfeldrand ist eigentlich eindeutig. Vom Grün schallt jedoch ein „Ja, aber...“ zurück. Eine Situation, die wohl jeder Fußballtrainer schon mal erlebt hat. Bei der ASG Uni Bonn wird besonders gerne diskutiert.
Immer wieder beraten sich die Uni-Kicker auf dem Feld, wie ein Standard geschlagen werden soll, wie die Laufwege der Angreifer auszusehen haben oder wie die gegnerischen Stürmer am effektivsten ausgeschaltet werden können. „Bei uns wird zwar viel diskutiert“, gibt Geschäftsführer Andreas Hartmann zu. „Dafür wird bei uns weniger geflucht.“ Auch Holger Baudach, erster Vorsitzender des Vereins, kennt diese kleinen Diskussionen nur zu gut: „Das ist eine Uni-Bonn-Krankheit. Auf dem Platz wird manchmal viel zu lange nachgedacht, bis etwas gemacht wird.“

Dass dieses Phänomen verstärkt bei den Spielern der ASG Uni Bonn auftritt, verwundert aber nicht: Unter ihnen befinden sich besonders viele Akademiker aller Arten, wie etwa Lehrer, Juristen, Mediziner oder Wirtschaftswissenschaftler. Teilweise haben sie ihr Studium schon hinter sich und sind berufstätig, andere aber sind eingeschriebene Studenten. Ein akademischer Hintergrund ist aber nicht verpflichtend, wie Baudach betont: „Jeder, der bei uns spielen will, ist herzlich willkommen. Es ist uns egal, ob jemand Student ist oder war oder etwas anderes macht.“

Schon der Name „ASG Uni Bonn“ macht jedoch deutlich, dass es im Gegensatz zu anderen Clubs keine Bindung an einen Stadtteil oder ein Dorf gibt. Die Wurzeln des Vereins liegen stattdessen im ehemaligen Sportwissenschaftlichen Institut der Bonner Universität: Einige Studenten gründeten dort 1970 die „Akademiker Sport Gemeinschaft“, weil sie nicht nur ein bisschen privat kicken, sondern am geregelten Spielbetrieb teilnehmen wollten.

Durch diese Konstellation hat die ASG nie das Problem, Spieler akquirieren zu müssen. Studenten, die ihr Studium abgeschlossen haben werden von Erstsemestern ersetzt. Vor allem für diejenigen, die neu in die Stadt kamen, war die ASG die erste Anlaufstelle. Jedoch fand in den 1980-er Jahren eine stetige Loslösung von der Universität statt, zu der es abgesehen vom Namen keine formale Beziehung gab. Auf diese Weise wurde aus der „Akademiker Sport Gemeinschaft“ die „Ausgleichssportgemeinschaft“ und der Verein zog von der Universitätssportanlage auf dem Venusberg zum Aschenplatz Vogelsang in Dransdorf.

Der zweite Umzug nach Buschdorf erfolgte vor vier Jahren, weil es in Dransdorf immer wieder Probleme mit Zuschauern gab und der Platz in einem katastrophalen Zustand ist. Eines ist aber immer gleich geblieben: Die gemeinschaftliche Atmosphäre ist allen Beteiligten wichtiger als der große sportliche Erfolg. „Hier wird keiner hochgejubelt, sondern jeder gleich behandelt. Wenn einem diese Stimmung nicht gefällt, ist er auch schnell wieder weg“, sagt Baudach, der 1991 als Jurastudent zum Verein kam und noch immer in der dritten Mannschaft aktiv ist.

Insofern war es für die Verantwortlichen auch nicht immer einfach, einen passenden Trainer zu finden. Um dies aber sicherzustellen, war man in der Vergangenheit bereit, einen ungewöhnlichen Weg zu gehen: Mit Tina Erkenrath installierte der Verein 1996 als deutschlandweit einziger Club eine Frau als Trainerin eines Herrenteams. Hätte diese Entscheidung bei manchem Club zu Protesten geführt, wurde bei der ASG eben nicht diskutiert: „Sie hat Ahnung vom Fußball und hat ein gutes Training veranstaltet. Deswegen war die Akzeptanz bei den Spielern immer da“, betont Baudach. Zwölf Jahre war Erkenrath als Trainerin bei der ASG Uni Bonn aktiv und empfahl den jetzigen Übungsleiter Gregor Treppner.

Das stark ausgeprägte Gemeinschaftsgefühl ist über die Jahre erhalten geblieben, obwohl die Fluktuation in den Mannschaften sehr groß ist. „Das ist nun einmal das Problem, wenn viele Studenten dabei sind, von denen manche auch aus dem Ausland kommen“, so Baudach. Während der Studentenanteil in der zweiten und dritten Mannschaft besonders groß ist, sind rund drei Viertel der in der Kreisliga B spielenden ersten Mannschaft berufstätig. Auffällig ist dabei, dass sich darunter besonders viele Lehrer oder Referendare befinden. Zeitweilig bestand die Abwehrkette aus vier Doktoren.

Im Kader der dritten Mannschaft (Kreisliga D) befinden sich 30 Spieler – Zustände, von denen andere Vereine nur träumen können. „Ich überlege derzeit, ob wir für die nächste Saison nicht noch eine vierte Mannschaft anmelden sollen“, sagt Baudach. Viele Spieler für viele kleinere Diskussionen.

Aufrufe: 019.9.2015, 07:30 Uhr
General-Anzeiger / Matthias KirchAutor