2024-04-23T13:35:06.289Z

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"We are one" Der Slogan der WM in Brasilien. Fankultur hat so viele schöne Facetten. Doch leider sind auch immer wieder die dunklen Seiten präsent. Wir besuchten einen Vortrag über Ultras und Fankulturen (Bild: Flickr/ JohnSeb)
"We are one" Der Slogan der WM in Brasilien. Fankultur hat so viele schöne Facetten. Doch leider sind auch immer wieder die dunklen Seiten präsent. Wir besuchten einen Vortrag über Ultras und Fankulturen (Bild: Flickr/ JohnSeb)

Diskriminierung in der Fußball-Fankultur

Jonas Gabler im Vortrag +++ Was sind Ultras? +++ Formen der Diskriminierung

Im Rahmen des „festival contre le racisme“ in Mainz, hielt Jonas Gabler in der“ Bar Jeder Sicht“ einen Vortrag über die Fankultur im Allgemeinen, die Diskriminierungen und die Mechanismen dagegen. Der 32-jährige Jonas Gabler ist deutscher Politikwissenschaftler aus Berlin. Seine Diplom-Arbeit heißt „Ultrakulturen und Rechtsextremismus – Fußballfans in Deutschland und Italien“. Sein Buch „Die Ultras“ wurde ein deutschlandweiter Erfolg, zu dem er viele Lesungen gab.
Seit 2012 ist er nun in der Kompetenzgruppe "Fankultur und Sport bezogene Soziale Arbeit" (KoFaS) an der Universität Hannover tätig.

Einführung in die Fankultur

Zuerst gab Jonas Gabler eine allgemeine Einführung in die Fankultur, um die ca. 30 Personen auf einen Stand des Wissens zu bringen. Für ihn kann das Erlebnis Stadion ein Ausbruch aus gesellschaftlichen Konventionen bedeuten. Die Menschen in der Kurve suchen nach Gemeinschaft und Geselligkeit, Erleben und Ausleben von Emotionen steht hierbei klar im Fokus. Zusätzlich bediene sich die Fankultur dem klassischen Freund-Feind-Schema: „Wir vs. die anderen“. Die Loyalität und Verbundenheit gegenüber der Stadt, dem Verein und der Fanszene fungiert als „Klammer“ um die verschiedenen Bevölkerungsschichten und Nationalitäten zu vereinen. Er gibt auch zu bedenken, dass das Stadion im Gegensatz zu z.B. einer Oper, ein Platz sei, um „sich daneben benehmen zu können“.
Der Fußball werde als heterosexuelle Männersportart angesehen: Diskriminierungen in Form von Sexismus, Homophobie, Antisemitismus und Rassismus werden benutzt, um den Gegner abzuwerten. Er stellt aber auch klar: Die Diskriminierung als breites Massenphänomen hat abgenommen, er nennt hierfür als positives Beispiel die Ultras.

Was sind die Ultras?

Im Folgenden gab er einen kleinen Einblick, was Ultras überhaupt sind. Die Ultras sind eine vor allem jugendlich geprägte Subkultur, deren Mittelpunkt es ist, den Verein zu vertreten. Er stellt dabei heraus, dass sie gar nicht so verschieden wie die Kuttenträger von früher sind. Auf Nachfrage aus dem Publikum erklärt er auch kurz den Begriff der Kuttenträger. Sie sind die Fans, die mit einer Weste herumlaufen, auf denen verschiedene Aufnäher befestigt sind, sei es vom eigenen Verein, einem befreundeten Verein oder dem Rivalen.

Die Ultras bedienen sich verschiedener Ausdrucksformen: Spruchbänder, Doppelhalter, Megafon und Choreographien. Dadurch erfolgt eine „Choreographierung des Blocks“. Die Ultras verfolgen laut Gabler das Ziel der Repräsentation und der Reputation.

Antidiskriminierende Arbeit von Fans und Ultras ist Realität!

Das Bild in Sachen Diskriminierung habe sich deutlich verbessert: „Männer können im Stadion weinen, wenn der eigene Verein absteigt und Frauen können rülpsen und pupsen.“.
Oft werden Fußballfans aber auch als stigmatisierte Gruppe angesehen, sie werden hierbei z.B. von der Polizei als Verbrecher wahrgenommen.

Verschiedene Formen der Fankulturen

Gabler stellt drei grundlegende Formen heraus:

  • offen-diskriminierend: Die Fans, die offen alleine oder in Gruppen andere diskriminieren
  • nicht-diskriminierend: Die Fans, die zwar nicht diskriminieren, aber auch nicht wirklich einschreiten. Der Fußball hat für sie einen höheren Stellenwert als die Politik.
  • anti-diskriminierend: Die Fans für die die Antidiskriminierung noch über dem Fußball steht, sie messen also der Politik immer noch einen höheren Wert als dem Fußball bei.

Missbrauch der Fankultur durch rechte Kräfte

Früher wurden viele Fans durch die rechte Szene rekrutiert – die Fankurve galt als Kontakthof. Dabei wurden nicht offen rechte Parolen herausgeschrieen, sondern es wurde feinfühliger mit möglichen Rekruten gesprochen, um diese für sich gewinnen zu können. Werte wie Männlichkeit oder Tapferkeit reichten hier am Anfang aus, um das Interesse zu gewinnen.

Die Arbeit des Rechtsextremen war dadurch oft erleichtert durch das sogenannte „No Politics“-Dogma, dass den Kräften gegen Rechts die Arbeit erschwerte. Gabler stellt hierbei heraus, dass die Braunschweiger sowie die Dortmunder Fankultur hier deutlich Probleme mit rechten Strömungen haben. Am deutlichsten macht er es am Beispiel Aachens: Hier konnte die rechtgesinnte Gruppierung „Karlsbande“ die liberalen Ultras aus Aachen aus dem eigenen Stadion verscheuchen.

Fußball und Politik

Am Ende des Vortrags ging Gabler noch einmal auf die Rolle der Politik im Fußball ein. Er zeigte hierfür ein Bild von Silvio Berlusconi jubelnd mit der Mannschaft des AC Mailands beim Gewinn einer Trophäe. Berlusconi, „der all sein Geld natürlich legal verdient hat“, gibt Gabler sarkastisch zu bedenken, hatte der Verein in Krisenzeiten in den 80er Jahren übernommen und finanziell unterstützt. Dies ist eine klare Inszenierung des Fußballs, um für die eigene Politik zu werben. Ein Besuch Angela Merkels in der Mannschaftskabine nach dem Halbfinale, in dem sie Poldi und Schweini herzt, steht dem in nichts nach.
Danach rief Gabler zu einer Diskussionsrunde auf, aber stellte vorher klar:
Fußballfankultur ist immer politisch!
Aufrufe: 013.6.2014, 12:51 Uhr
Andreas SchlichtAutor