2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Der Ex-Offenbacher Thomas Rathgeber (rechts, neben Christos Stoilas) traf zum Ulmer 2:0 – was aber nicht reichte. Foto: Eibner
Der Ex-Offenbacher Thomas Rathgeber (rechts, neben Christos Stoilas) traf zum Ulmer 2:0 – was aber nicht reichte. Foto: Eibner
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Die Spatzen verlieren den klaren Kopf

Nach 2:0-Führung gibt der SSV Ulm 1846 Fußball die Partie bei den Kickers Offenbach aus der Hand - mit Bildergalerie und Video-Highlights

2:0 führte der SSV Ulm 1846 Fußball in Offenbach. Nachlassende Konzentration, ein fragwürdiger Elfmeter und ein Traumfreistoß in der 90. Minute sorgten für die 2:3-Niederlage.

Die Offenbacher Kickers geben sich viel Mühe mit ihrem Stadionheft, dem „Kickers Magazin“. Zu jedem Spieltag erscheint ein auf den jeweiligen Gegner ausgerichteter Comic. In der Ausgabe zum Spiel gegen den SSV Ulm 1846 Fußball erteilt ein OFC-Spieler seinem Kollegen, dem US-Boy Bryan Gaul, eine – ziemlich fiese – Deutschstunde: Gaul soll den Zungenbrecher „In Ulm, um Ulm und um Ulm herum“ aufsagen. Natürlich scheitert der 27-Jährige daran. Mit Gauls Antwort war der „Lehrer“ dennoch zufrieden. Denn die lautete: „Gegen Ulm, um den Ulmer herum, ins Ulmer Tor hinein!“

Das Dumme aus Sicht des SSV Ulm 1846 Fußball: der Comic sollte sich bewahrheiten. In einem laut Offenbachs Trainer Oliver Reck „grandiosen Spiel, wie es perfekt zum Bieberer Berg passt“, feierten die Kickers einen 3:2-Heimsieg. Und das, obwohl die Ulmer bis zur 62. Minute durch David Braig und Thomas Rathgeber mit 2:0 geführt hatten. Fußball verrückt, doch wie konnte das passieren?

In der ersten Halbzeit agierten die Ulmer sehr diszipliniert. Der Fokus war auf die Defensive gerichtet, das gesamte Team beteiligte sich daran. Die Folge: Die Offenbacher waren zwar häufiger am Ball, konnten sich jedoch kaum eine Torchance erspielen.

Zur Disziplin kam beim SSV 46 in den ersten 45 Minuten eine bemerkenswerte Effektivität. In der 15. Minute leitete Alper Bagceci einen Konter ein. Felix Nierlicho setzte sich links durch und flankte auf David Braig. Der traf aus kurzer Distanz zum 1:0. Sein Stürmerkollege Thomas Rathgeber spielte in der 41. Minute an seiner ehemaligen Wirkungsstätte OFC-Innenverteidiger Dennis Schulte aus, der schon vor dem 0:1 eine schlechte Figur abgegeben hatte, und zog ab: Zur Pause lagen die Spatzen mit 2:0 vorne.

Im zweiten Durchgang jedoch verloren die Ulmer mehr und mehr ihren in der ersten Halbzeit so klaren Kopf. Die Offenbacher, phantastisch angefeuert von viereinhalbtausend Kehlen, entfachten nun immer mehr Druck, dem die Ulmer nicht mehr viel entgegenzusetzen hatten. Der 1:2-Anschlusstreffer durch einen Volleyschuss von Serkan Firat (62.) ins rechte Eck lag zu dieser Phase in der Luft und zeigte Wirkung. „Statt einen weiteren Gang hochzuschalten, haben wir versucht, das Spiel nur noch zu verwalten. Das darf nicht sein“, monierte Alper Bagceci nach dem Spiel.

Dennoch wäre mehr drin gewesen. Doch zu der eigenen Nachlässigkeiten kam auch noch eine Portion Pech dazu. Die Gegentreffer zum 2:2 und 2:3 resultierten aus einem umstrittenen Handelfmeter und einem direkt verwandelten Freistoß in der 90. Minute.

„Ich habe mich weggedreht. Das war kein Strafstoß“, beschwor Rechtsverteidiger Olcay Kücük, der trotz Leistenproblemen spielen konnte, die Szene in der 77. Minute, als ihm im Strafraum der Ball an den Oberarm gesprungen war. Schiedsrichter Timo Klein (Wiebelskirchen) sah es anders und gab Handelfmeter. Dren Hodja nutzte ihn zum 2:2 (78.).

Trotz der Hektik war auch jetzt noch alles möglich, Sieg, Unentschieden und Niederlage. Nach einem Konter über die Einwechselspieler Ndriqim Halili und Janik Michel traf Christian Sauter (86.) aus kurzer Distanz. Für einen Sekundenbruchteil glaubten die Spatzen an das 3:2. Doch der Schiedsrichter pfiff Abseits.

Ganz am Ende, in der 90. Minute, neigte sich die Waage auf die Seiten der Gastgeber. Pierre Fassnacht ließ sich kurz vor der Strafraumlinie zu einem Foulspiel hinreißen. Den fälligen Freistoß schlug Spezialist Serkan Firat mit viel Effet vom rechten Strafraumeck in den linken oberen Torwinkel, unhaltbar für Holger Betz und verdächtig für das „Tor des Monats“. Gegen Ulm, um die Ulmer Abwehrmauer herum, ins Ulmer Tor hinein. Wie im Stadionheft-Comic angekündigt.

Am Ende machten sich die 100 mitgereisten Fans und die Ulmer Spieler frustriert auf den Nachhauseweg. Obwohl die Offenbacher anders als die Ulmer am Dienstag spielen mussten, hatten sie am Ende mehr zuzulegen gehabt – und letztlich auch das nötige Glück auf ihrer Seite.

Aufrufe: 024.10.2016, 09:23 Uhr
Gerold Knehr | SWPAutor