2024-04-23T13:35:06.289Z

Totopokal
Mit einem 4:3-Sieg kegelten die Sportfreunde (in Rot) den Jahn aus dem laufenden Pokalwettbewerb. F: Andreas Webel
Mit einem 4:3-Sieg kegelten die Sportfreunde (in Rot) den Jahn aus dem laufenden Pokalwettbewerb. F: Andreas Webel

Die Pokal-Sensation von Dinkelsbühl

Sportfreunde kegeln Drittligisten Jahn Regensburg mit 4:3-Sieg aus dem Wettbewerb

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Mit Superlativen wie „Wunder“ oder „Sensation“ ist man heutzutage gerade im schnelllebigen Fußball zügig bei der Hand. Was sich aber am Mittwoch in der Pokalpartie zwischen den Sportfreunden Dinkelsbühl und dem SSV Jahn Regensburg abspielte, hat den Begriff „Sensation“ verdient. Wie oft erlebt man es schließlich, dass ein Landesligist, der vor zwei Jahren noch in der Kreisliga spielte, einen gerade aus der zweiten Liga abgestiegenen Drittligisten aus dem Wettbewerb wirft – und das nach einem 0:2-Rückstand.

SF Dinkelsbühl - SSV Jahn Regensburg 4:3 (1:2)

Um 19.33 Uhr am Mittwochabend stand die Mutschach Kopf! 900 euphorisierte Zuschauer feierten den unfassbaren Triumph ihrer Mannschaft gegen den haushohen Favoriten aus Regensburg. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“, schallte es über das enge und proppevolle Sportgelände der Sportfreunde Dinkelsbühl, die soeben ins am 3. Oktober stattfindende Achtelfinale des BFV-Pokals eingezogen waren. „Ich weiß nicht, wie wir das geschafft haben, das ist der Wahnsinn, ich hatte nach dem Spiel Tränen in den Augen“, sprach Thomas Ackermann, der Erfolgstrainer des Südwest-Landesligisten, „ich kann meiner Mannschaft nur den allergrößten Respekt zollen.“

Dem musste sich jeder Augenzeuge dieses denkwürdigen Abends anschließen. Denn die Westmittelfranken haben nicht nur „einfach“ gegen einen Drittligisten gewonnen, sie haben auch gegen eine ungeschriebene Gesetzmäßigkeit des Fußballs verstoßen. Natürlich waren die Hausherren nach dem Derbysieg gegen die SpVgg Ansbach in der ersten Hauptrunde und vor dem wahrscheinlich größten Spiel ihrer Vereinsgeschichte hochmotiviert an die eigentlich unlösbare Aufgabe herangegangen. Doch nach 26 Minuten sah es so aus, als sollte alles seinen erwarteten Gang gehen.

Der Sechstligist spielte ordentlich mit, doch Regensburg – das zwar nicht mit allen Stammspielern, aber dennoch dem Kader aus der 3. Liga antrat – führte in relativ abgezockter Manier durch Treffer von Marius Müller (12.) und Gino Windmüller (26.) mit 2:0.

Doch vor der Pause meldete sich der Außenseiter zurück. Ein vermeintliches Foulspiel an einem Regensburger ahndete der Unparteiische Steffen Grimmeißen nicht, der herausragende Stephan Sachs schickte Pascal Haltmayer auf der rechten Außenbahn steil, und der traf nach einem sehenswerten Solo in den Jahn-Strafraum zum Anschlusstreffer (43.). Und dann kam es für die Gäste doppelt bitter. Zunächst musste Torhüter Bernhard Hendl in der Pause verletzt raus, dann fiel in der 49. Minute per Eigentor der Ausgleich. Erneut war Haltmayer auf der Außenbahn nicht zu stoppen, seine Hereingabe drückte Windmüller über die eigene Torlinie.

Die Mutschach brodelte und das Tor zeigte Wirkung. Regensburg war von der Rolle, leistete sich unter anderem einen falschen Einwurf; und nach 72. Minuten eine weitere Naivität, die man sich als Drittligist eigentlich nicht erlauben darf. Bei einem Freistoß an der Strafraumecke dirigierte Torwart Patrick Wiegers die Mauer, keiner stellte sich vor den Ball, der auch nicht gesperrt war. Schlitzohr Tim Müller, in der Jugend bei der SpVgg Ansbach und der SpVgg Greuther Fürth ausgebildet, schaltete geistesgegenwärtig und zirkelte das Leder in den Torwinkel. Plötzlich hatten die Sportfreunde das Spiel gedreht und die Sensation lag in der Luft. Der Jahn, der auch noch die Ampelkarte von Abdenour Amachaibou (74.) verkraften musste, raffte sich aber noch einmal auf und erzielte durch Marius Müller das 3:3 (80.).

Kurzzeitig wurde es ruhig, doch nur für vier Minuten. Dann startete der nicht zu bremsende Tim Müller ein Solo in den Gäste-Strafraum, wurde von zwei Regensburgern bedrängt, strauchelte, rappelte sich wieder hoch – und vernahm einen Pfiff. Grimmeisen deutete zum Entsetzen der Oberpfälzer, zur Überraschung vieler und zur Freude der Dinkelsbühler auf den Punkt. Torjäger Müller zeigte keinerlei Nerven und verwandelte eiskalt zum 4:3.

Und diesmal fand der Drittligist keinen Weg mehr zurück. Der Jahn, der vor gar nicht allzu langer Zeit noch in der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde den FC Bayern vor einem Millionenpublikum in der ARD herausgefordert hatte, war draußen und hatte somit auch die Chance auf wichtige Zusatzeinnahmen aus dem Pokalwettbewerb verpasst. Angesichts der herben Enttäuschung blieb Gäste-Trainer Thomas Stratos auch der Gesprächsrunde nach dem Spiel zunächst fern. Gerade als Thomas Ackermann seine Sicht der Dinge erläutern wollte, kam der langjährige Profi von Arminia Bielefeld aber doch noch und sicherte sich die Sympathien der Gastgeber.

„Als erstes möchte ich den Dinkelsbühlern gratulieren, sie haben alles gegeben und den Sieg verdient“, begann Stratos, der sich für seine Verspätung entschuldigte. „Ich habe erstmal etwas Ruhe gebraucht, ansonsten hätte ich etwas Unbedachtes zum Thema Schiedsrichter gesagt.“

Eine aus Regensburger Sicht nachvollziehbare Kritik am Unparteiischen, die aber die Leistung der Dinkelsbühler nicht schmälern soll. Denn wer als Landesligaaufsteiger einen Zweitligaabsteiger nach einem 0:2-Rückstand mit einer unglaublichen Energieleistung noch niederringt, der hat den Sieg in jedem Fall verdient.

Tore: 0:1 M. Müller (12.), 0:2 Windmüller (26.), 1:2 Haltmayer (43.), 2:2 Windmüller (49., Eigentor), 3:2 T. Müller (72.), 3:3 M. Müller (80.), 4:3 T. Müller (84., Foulelfmeter) / SR: Grimmeißen (Löpsingen) / Zuschauer: 900 / Gelb-Rote Karte: Amachaibou (Regensburg) wegen Foulspiels und Meckerns (74.).

Aufrufe: 029.8.2013, 13:25 Uhr
Mathias HochreutherAutor