2024-05-02T16:12:49.858Z

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Die Kirsche bleibt im Dorf

1736 Kühe, 127 Schafe, ein Team - woher der Bezirksligist SV Haldern seine Kraft schöpft.

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Eigentlich war es von vornherein ein aussichtsloses Unterfangen. Aber einige hatten ihr Glück dann doch versucht und in der Sommerpause beim SV Haldern durchgeklingelt. Der war ja gerade in die Bezirksliga aufgestiegen. Mit viel Getöse, aber nahezu ohne Spieler, die außerhalb von Rees und Bocholt schon mal gegen einen Ball getreten haben. Da muss es doch Bedarf an erfahrenem Personal geben, dachte sich so mancher gestandene Fußballer am Niederrhein und rief einfach mal an.

„Hier hat schon oft das Telefon geklingelt“, sagt Henrik Tenhagen und kann ein kleines bisschen Stolz nicht verbergen. Allzu lang sei die Leitung aber nie belegt gewesen, vermutet der Vizekapitän lachend. Zumindest nicht, wenn Jürgen Stratmann abnahm. Der Trainer, seit zehn Jahren in Haldern an der Linie, hatte zum Thema Personalpolitik schon in der Winterpause alles gesagt: „Wenn wir aufsteigen, will ich keine neuen Spieler. Die Jungs haben dann so hart dafür gekämpft, dann sollen sie in der Liga auch spielen.“

Das war nicht etwa irgendein Motivationsgequatsche, Stratmann meinte das ernst. Und hat trotz der Versuchungen Wort gehalten. Kein einziger Spieler kam im Sommer von außerhalb dazu. Auch in der Bezirksliga geht es beim SV Haldern mit einer Dorfmannschaft weiter. Im besten Wortsinn.

In anderen Orten lädt der Parkplatz vor der Sportanlage ja gern mal zum munteren Kennzeichen-Raten ein. Höhere Spielklassen und (selbstredend geheime) Gehälter haben immer schon Spieler von außerhalb angelockt. Wenn Perspektive und Scheck stimmen, fährt so mancher Amateurfußballer auch mal 50 und mehr Kilometer zum (selbstredend offen) geliebten Verein.

In Haldern, ein 5000-Einwohner-Örtchen unweit der deutsch-niederländischen Grenze, ist das anders. Da können sie zum Sportplatz laufen, sie wohnen ja alle hier. Ganze zwei Ausnahmen kennt der 22er-Kader – aber selbst die bräuchten kein Auto. „Zehn Minuten mit dem Fahrrad“, sagt Tobias Lasthuis, einer der zwei, die aus Mehrhoog kommen, knapp sechs Kilometer die Landstraße runter.

Seit einem Jahr spielt Lasthuis, 29, nun im Trikot des ehemaligen Rivalen aus dem Nachbardorf. Bereut hat er es keine Sekunde: „So etwas wie hier habe ich noch nie erlebt. Hier steht das komplette Dorf dahinter.“ Schon als Gegner habe er die Spiele hier genossen, sei nachher gern da geblieben und habe ein Bier mitgetrunken. „Einfach megageil“, stimmt Christopher Kipp energisch nickend zu, der zweite Mehrhooger.

Für Lasthuis, Kipp und all die anderen aus der ersten Mannschaft steht gleich das dritte Heimspiel der neuen Saison an. Bisher lief es nicht so richtig. Zum Auftakt gab es eine böse 0:6-Klatsche bei Viktoria Goch. Danach spielte der Aufsteiger zwar etwas besser mit, der erste Sieg ließ trotzdem bis zum vierten Spieltag auf sich warten. Nun, am heutigen fünften gegen den GSV Geldern, wollen sie in Haldern „nachlegen“, wie es dann immer heißt.

Noch ist etwas Zeit, noch stehen sie da in ihren roten Trainingsanzügen vor der Kabine und gucken mit einem halben Auge, was die zweite Mannschaft so treibt. Die hat gerade das 2:0 geschossen. Doch die Spieler der ersten Mannschaft sehen das nur nebenbei. Es ist wie an der Bushaltestelle. Manche sitzen dort und starren auf ihr Handy, andere gucken auf die Uhr und stecken sich schnell eine letzte Zigarette an.

Auch Tobias Lasthuis raucht noch eine, für ihn hat der Spieltag bereits am Morgen in der heimischen Küche begonnen. Lasthuis hat ein paar Bleche Pizza vorbereitet, die er schnell nach oben ins Vereinsheim bringt. „Das ist normal hier“, sagt er so auffällig achselzuckend, dass er eigentlich sagen will: Woanders ist es eben nicht normal, dass die komplette Mannschaft nach dem Spiel gemeinsam kocht und Bundesliga schaut. Obwohl deren abgehobene Glitzerwelt hier im Lindenstadion zwischen Schnellstraße und Ackerbau weiter weg scheint als nirgendwo sonst.

Haldern ist eins dieser katholischen Dörfer am Niederrhein, für die einst Worte wie „beschaulich“ und „heimelig“ erfunden wurden. Hier ist niemand überrascht oder gar genervt, wenn der Traktor vor ihm herschleicht. Wiesen und Wälder, Bauernund Pferdehöfe säumen den Weg von der Autobahn bis in den Ort. Kaum ein Haus hat mehr als drei Etagen, dafür gepflegte Fensterläden, Blumenkästen und Vorgärten. Müll liegt hier keiner auf der Straße. Auch Hektik kommt eher selten auf, den Kalender bestimmen Kirche und Schützenverein.

Knapp 50 Prozent haben bei der jüngsten Kommunalwahl für die CDU gestimmt. Die Leute mögen ihren Ort, geht es nach ihnen, kann er so bleiben, wie er ist. Die große Welt, Berlin, Brüssel, New York, ist weit weg. Und sie vermisst auch keiner. Wer mitspielt in Schützen- und Fußballverein, wer Spaß an Dorfkirmes, Kuhfladen-Lotto und Heimatmuseum hat, der hat hier genug zu tun. Der findet Anschluss und gehört dazu.

Für alternative Jugendliche kann das ein Graus sein. Ein klassischer Ort, den die Weggezogenen Jahre später vor ihren hippen Großstadtfreunden verleugnen. Aber das wird kein Haldener tun, von hier zieht kaum jemand weg, und ausgerechnet hier gibt es eins der renommiertesten Indie-Festivals Europas. Rockbands aus aller Welt standen schon auf dem Alten Reitplatz und haben ihre Bässe über die Felder wabern lassen.

Jedes Jahr im Sommer dreht sich in Haldern ein Wochenende lang alles um alternative Musik. Dann sind mehr Rockfans als Einwohner da. Dann wird gezeltet und gefeiert. Doch Gegensätze ziehen sich nicht nur in der Physik an. Weitgereiste Festivalbesucher schwärmen vom Charme der Konzerte auf dem Alten Reitplatz, der bei Regen schnell zur Schlammgrube wird. Und die Gastgeber sind immer wieder aufs Neue verzückt von den zwar irgendwie komischen, aber unterhaltsamen Gästen. Zu keiner Jahreszeit werde so wenig geklaut, heißt es aus dem Einzelhandel.

Für die besondere Beziehung der Haldener zu ihrem Festival reicht das aber nicht als Erklärung, die liegt in seiner Geschichte und an der Art und Weise, wie das komplette Dorf darin involviert ist. Das „Haldern Pop“ ist keine Erfindung von millionenschweren Konzertveranstaltern, die nach außergewöhnlichen Orten gesucht haben, es geht zurück auf eine Gruppe Messdiener, die Anfang der 80er nichts mit sich anzufangen wusste und eine Party organisierte. Lange blieb sie nicht allein auf dem Alten Reitplatz, vierstellige Zahlen waren schnell die Regel. Also fassten die Messdiener einen weitreichenden Entschluss: Sie wollten aus der Fete ein Festival machen. Doch dafür brauchten sie finanzielle Unterstützung. Fündig wurden sie nicht bei Banken oder großen Sponsoren, sondern im Dorf selbst. Dutzende Halderner schmissen je 500 D-Mark in den Topf.

Obwohl über die Jahre Größen wie Bob Geldof, Franz Ferdinand oder Fettes Brot in Haldern auf der Bühne standen, hat sich das System bis heute nicht geändert. Nur, dass die Zahl der Teilhaber mittlerweile auf 150 angewachsen ist – die der ehrenamtlichen Helfer aus dem Ort liegt bei weit jenseits der 300. Denn trotz all der Professionalität, das Festival lebt vor allem vom Engagement der Dorfbewohner.

Auch die Fußballer sind jedes Jahr dabei. „Die ganze Mannschaft geht dahin und hilft beim Aufbau, an der Kasse und am Bierwagen“, sagt Tobias Lasthuis. Und wenn es mal wieder zu sehr geregnet hat, kommt der Vater eines Spielers mit dem Traktor vorbei und lädt Grünzeug ab, das die Spieler dann auf dem Platz verteilen, damit der nicht absäuft. „Festival und Fußball gehören zusammen“, weiß Vizekapitän Henrik Tenhagen. Dieses Jahr hatten sie beim Verband extra um eine Verlegung gebeten, weil das erste Spiel am Sonntag des Festivals stattfand. „Wir haben da alle bis nachts um drei malocht“, sagt Tenhagen. Vielleicht war das ja der Grund, warum es am Ende 0:6 hieß. Aber meckern möchte er nicht: „Das Festival ist genauso wichtig wie der Fußball, das gehört genauso zum Ort wie der Verein.“

In Haldern gehört irgendwie alles zusammen. Die Spieler helfen ehrenamtlich bei den Musikern mit, nach dem bislang letzten Abstieg sprang das Festival ein und sponserte im Gegenzug die Mannschaft. Jetzt ist das Hotel Doppeladler auf Trikot und Trainingsanzug zu sehen. In dem wurde nicht nur der Aufstieg gefeiert, in dem übernachten auch immer die Rockstars. Auf deren Backstage-Pässen wiederum war vor Jahren ein altes Bild von Egon Tenbruck zu sehen, dem Kapitän der legendären Aufstiegsmannschaft von 1966

„Den Ausweis hab ich zu Hause hängen“, sagt Tenbruck lächelnd, während er die letzten Minuten des Spiels der zweiten Mannschaft allein auf dem kleinen Hügel der Gegengerade schaut, den Schirm neben sich in den Rasen gerammt, es könnte ja noch regnen. „Wir waren auch vor dem Festival eine Gemeinschaft, aber dadurch sind wir noch mehr zusammengewachsen“, sagt Tenbruck, der zu denen gehört, die es wissen müssen. 72 Jahre ist der nun alt. Sämtliche 72 Jahre hat er in Haldern verbracht. „Ich bin sogar hier geboren, mitten im Dorf.“

Letztens ehrte ihn der Club für 60 Jahre Mitgliedschaft. „Der Hauptteil meines Lebens“, sei der Verein, sagt er. Jeden Sonntag steht er dort auf dem Hügel. „Wenn die Dritte um 11 Uhr morgens spielt, ist der auch da“, sagt Vizekapitän Tenhagen, der sich den SV Haldern nicht ohne Egon Tenbruck vorstellen kann. Jeder im Dorf kennt „den Langen“, selbst die Jugendlichen. In der 66er-Aufstiegssaison hat er als Libero 24 Tore gemacht und bekam danach Angebote von höherklassigen Vereinen. Nicht nur eins. Selbst ein Auto wurde ihm angeboten. Aber er lehnte immer ab und blieb in der Heimat. Mehr als 1200 Spiele hat er für den SV Haldern gemacht. Selbst mit 41 Jahren spielte er noch in der ersten Mannschaft.

Ein „hoch angesehener Mann“, nennt ihn Trainer Jürgen Stratmann. „Der Egon ist eine Legende“, weiß auch Matthias Bauhaus, wenn man so will, Tenbrucks Nachfolger. Vergangene Saison, genau 50 Jahre später, war er Kapitän und bester Torschütze der Aufstiegsmannschaft.

Danach wurde tagelang gefeiert. Erst beim Training, als sie erfuhren, dass die Konkurrenz gepatzt hat und sie bereits aufgestiegen waren. Dann am Sonntag drauf, als sie vom letzten Auswärtsspiel der Saison zurückkamen und das halbe Dorf geschmückt war. Vor dem Hotel Doppeladler stand ein Strohballen, der Trainer Stratmann darstellen sollte. Auch den kennen in Haldern alle. Denn auch der kommt von hier.

Stratmann, 45, ist seit seiner Jugend im Verein. 1991 war er Torwart der Aufstiegsmannschaft, 25 Jahre nach und 25 Jahre vor den anderen beiden Aufstiegen der Vereinsgeschichte. Jetzt geht er in seine elfte Saison als Trainer. Als er das Team übernahm, spielte es in der Kreisliga C. Nun ist er zum dritten Mal aufgestiegen. „Eigentlich wollten wir nur schnell in die B-Liga und mittelfristig in die Kreisliga A, die Bezirksliga ist jetzt ein Sahnehäubchen“, sagt Stratmann.

Die vergangene Saison sei eine der schönsten überhaupt gewesen. Es sei ein richtiger Ruck durch das Dorf gegangen, mehrere hundert Zuschauer kamen zu den Spielen, überall war der mögliche Aufstieg Gesprächsthema. Trotzdem weiß Jürgen Stratmann, dass er nicht ewig im Lindenstadion an der Linie stehen wird: „Elf Jahre sind schon ungewöhnlich. Ich bin gerne hier, aber irgendwann wird man sich zusammensetzen und sagen, dass es besser ist, wenn man sich trennt.“ Einen Zeitplan gebe es aber nicht, „aktuell plane ich hier meine Zukunft“.

Die sollte am liebsten Bezirksliga heißen. Mehr sei ohnehin nicht möglich. „Sonst müssten wir Spieler von außen holen, aber das wird der Verein nicht tun“, sagt der Coach. Den ein oder anderen, der in die Truppe passt, könne er sich vorstellen, aber eben nicht mehr. „Unter meiner Ägide wird sich das nicht ändern. Und hoffentlich auch danach nicht.“ Dass hauptsächlich Halderner auf dem Rasen stehen und dafür kein Geld bekommen, mache den Verein aus. Deswegen sei die Identifikation des Dorfes mit seinem Verein auch so groß.

Selbst die Spieler sehen das so. „Nach Geld fragt nicht mal einer. Das macht man nicht, das ist doch der Heimatverein“, sagt Tobias Lasthuis, „nur weil wir jetzt eine Klasse höher spielen? Das ist lächerlich, wir spielen für die Flasche Bier nach dem Spiel.“

Es sind Sätze wie diese, die an diesem Nachmittag immer wieder fallen. Vom Zusammenhalt, vom Herzblut, von der einmaligen Stimmung im Dorf. Gerne garniert mit dem Zusatz: „Das gibt es nur in Haldern.“ Das wirkt zuweilen etwas dick aufgetragen. Auch in anderen Orten gibt es ehrenamtliche Helfer, die den Laden zusammenhalten. Auch in Haldern gibt es Menschen, die eben nicht dazugehören. Aber wer ein Teil dieser Dorfgemeinschaft ist, der ist das zu 100 Prozent.

„Man muss Haldern lieben und leben“, sagt Kapitän Matthias Bauhaus, der es bestimmt tut. Auch der Rest des Teams. Bei jedem Training seien 22 Spieler da. „Wir können immer Elf-gegen-elf spielen“, sagt Henrik Tenhagen, „bei jedem Wetter.“ Geht es nach Trainer Stratmann, klappe das nur, weil es kein Geld gibt. Würden Auflaufprämien oder Ähnliches gezahlt, wäre der Zusammenhalt zwischen Stamm- und Ersatzspielern nicht so groß.

Dann würde sich die erste Mannschaft auch nicht so um den Nachwuchs kümmern. Beim jährlichen Jugendtag sind alle da und helfen mit. Logisch, möchte man meinen, wer nichts von außen holt, muss selbst ausbilden. Das kommt an, sämtliche Altersklassen sind besetzt, es ist schwer im Ort eine Familie zu finden, die niemanden im Verein hat.

Das ist ihr Kapital hier in Haldern. Das geben sie seit Jahrzehnten weiter. Mancher Spieler ist in dritter Generation auf dem Platz, auch die Tenhagens sind dem Verein schon lange treu. „Mein Vater war Kapitän der Aufstiegsmannschaft 91, ich bin früher jeden Morgen an dem Mannschaftsbild bei uns im Flur vorbeigelaufen, an dem die alte Binde hängt.“ Nun ist er der zweite aus der Familie, der mit dem Heimatverein aufgestiegen ist.

Es sind Geschichten, wie sie Werner Konnik liebt. Konnik ist einer der treibenden Kräfte im Verein. Jeden Sonntag steht er hinter dem kleinen Gasgrill vor dem Vereinsheim und verkauft Bratwurst mit Toastbrot zu 1,50 Euro. Für einen Schiedsrichter, der kein Schweinefleisch mag, rennt er aber schon mal rüber zum Schnellrestaurant und holt ein paar Chicken Wings.

Konnik, 72, war früher selbst Spieler und Trainer der „Ersten“, seinen Trainerschein habe er bei Hennes Weisweiler gemacht, erzählt er stolz und kommt ins Plaudern. Das kann Konnik besonders gut. Wenn ihn keiner bremst, kann er stundenlang erzählen, haben die Spieler eben lachend über ihn gesagt. Sie haben nicht zu viel versprochen.

Konniks Augen sind weit aufgerissen, wenn er erzählt, dass er selbst in Rio de Janeiro auf das Musikfestival angesprochen wurde. „Die kennen Haldern da“, sagt er. Und dass der Spruch auf dem TShirt „Unser Dorf, unser Verein“ kein Lippenbekenntnis sei. Gesehen habe man das beim Bau des neuen dritten Platzes, „da haben alle geholfen, nicht nur der SV Haldern, 300 Leute waren da“. Auch finanziell hätte sich der ganze Ort beteiligt, die SV-Mitglieder, die anderen Vereine und Geschäftsleute. „Der Bäcker Jansen hat SVHaldern- Brötchen verkauft, die Volksbank hier hat gebürgt“. Aber das sei gar nicht nötig gewesen, sagt Konnik. „Am Ende hatten wir noch Geld übrig und haben die Drainage für den Rasen neu gemacht.“ Auch das Vereinsheim, das jahrelang Verlust machte, hätten sie wieder auf Vordermann gebracht.

2007 fing das langsam an. Damals rief Werner Konnik die „Veteranen“ ins Leben, um die Spieler der vergangenen Jahrzehnte wieder mal beisammen zu haben. Mittlerweile hat die Gruppe mehr als 50 Mitglieder und trifft sich wieder regelmäßig. Manche spielen wieder Fußball, andere sind eher bei den Radtouren oder sonstigen Ausflügen dabei.

Letztens hatten die Veteranen zum ganz großen Treffen der beiden Aufstiegsmannschaften von 1966 und 1991 geladen. Dutzende waren da und tauschten Anekdoten aus. So wie die vom ersten Auswärtsspiel der Saison 1966/67. „Wir mussten nach Oberhausen und sind vorher gewarnt worden, dass die Gegner das als Länderspiel sehen.“ Die Gegner waren Polen, die teilweise kein Deutsch sprachen und als beinhart galten. Doch Probleme gab es überhaupt keine. Im Gegenteil: „Wir haben uns mit denen richtig angefreundet und sind jahrelang in Kontakt geblieben. Als letztens einer von denen gestorben ist, waren wir mit zwölf Mann bei der Beerdigung.“

Konnik kann Dutzende solcher Geschichten erzählen. Er feuert sie einfach heraus. Da vergisst er auch mal den Grill. Dem nächsten Kunden versichert er dann augenzwinkernd, dass die Wurst „extra für dich besonders gut durch“ ist. Konnik genießt seine Rolle hier. Es hat ein wenig etwas von einer Bühne, er steht etwas erhöht und plaudert.

Dass sie von manchen Gegnern als Bauern beschimpft werden, mache ihm gar nichts aus. „Das war früher schon so“, sagt er und hat gleich die nächste Anekdote im Sinn. Ihr Torwart sei wirklich Landwirt gewesen, habe sich im Training aber den Arm ausgekugelt. „Dann standen wir am nächsten Samstag alle auf dem Feld und haben die Rübenernte für den gemacht. Da waren wir wirklich Bauern“, sagt Konnik und fängt herzlich an zu lachen.

Währenddessen kommt die Zweite Mannschaft mit etwas hängenden Köpfen vom Platz. Sie hat ihre Führung noch verspielt, am Ende stand es 2:2. Konnik ruft einen Spieler zu sich und flüstert ihm etwas ins Ohr. Kurze Zeit später klirren die Bierflaschen aneinander, ein „Dreifaches SV Haldern auf den lieben Werner“ schallt es über die Anlage.

Langsam wird es auch für die „Erste“ ernst, die noch in der Kabine weilt und sich heiß macht. Hämmernde Bässe dringen nach draußen. Alternativ sind die meisten hier nur für ein Wochenende im Jahr, jetzt ist Zeit für beliebige Electro-Musik, wie sie an jedem Autoscooter zu hören ist.

Im Spiel selbst ist zunächst wenig von der aufputschenden Wirkung der Musik zu sehen. Die Halderner spielen kaum strukturiert nach vorne. Zur Pause steht es verdient 0:2. Nach knapp einer Stunde hat Trainer Stratmann genug gesehen und wechselt Christopher Kipp ein. Drei Minuten und zwei Ballkontakte Kipps später steht es 2:2. Dass der eigentlich aus dem Nachbardorf kommt, interessiert niemanden. Er ist längst ein echter Haldener geworden.

Aufrufe: 026.10.2016, 09:01 Uhr
Bernd SchwickerathAutor