2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview
Autor Olaf Jansen auf der Anlage des ESV Olympia Foto: Dahmen
Autor Olaf Jansen auf der Anlage des ESV Olympia Foto: Dahmen

"Die Infrastruktur ist schlecht"

Journalist Olaf Jansen erzählt anhand von 111 Orten Geschichten des Fußballs in und um Köln

Herr Jansen, „111 Kölner Fußballorte, die man gesehen haben muss“, heißt Ihr Buch – warum muss man zum Beispiel den Platz an der Bunsenstraße in Godorf gesehen haben?

Olaf Jansen: Ich habe den Begriff extra weit gefasst, weil ich über die Orte auch Fußball-Geschichte und -Geschichten erzählen können wollte. Die ausgefallenste FC-Kneipe zum Beispiel liegt nun mal nicht in Köln, sondern auf Mallorca: Das „4711“ von „Big Ron“ Büttner. In Godorf war es so, dass dort in den 60er Jahren die Schwestern Charlotte und Christa Nüsser gespielt haben, und zwar heimlich in einer Jungenmannschaft. Frauenfußball war bis 1970 vom DFB verboten. Nach drei Jahren wurden sie verpetzt. Aber die Nüsser-Schwestern sind dann 1975 mit dem Bonner SC noch Deutsche Meisterinnen geworden.

Viele Orte erzählen traurige Geschichten vom Niedergang einst wichtiger Vereine im Kölner Fußball. Wie ist es um die Situation an der Basis bestellt?

Jansen: Die Mitgliederzahlen gegen zurück. Im Rechtsrheinischen haben ehemalige Institutionen wie TuS Höhenhaus oder Borussia Kalk riesige Probleme, Winfriedia Mülheim gibt es nicht mehr. Die Infrastruktur ist vielerorts schlecht, die Plätze sind in furchtbarem Zustand wie bei DJK Südwest. Da hören Jugendliche mit Fußball auf und gehen lieber ins Fitnessstudio zum Pumpen. Die kleinen Vereine haben wenig Unterstützung, auch von der Stadt. In Bochum zum Beispiel ist das Verhältnis von Kunstrasen- zu Hartplätzen 21 zu 38. In Köln ist es 25 zu 88. Und die Kommune steht in Bochum oder in Essen finanziell bestimmt nicht besser da als Köln. Aber sie bekommen es hin. Und wir sehen auch in Köln: Die Vereine mit Kunstrasen haben noch Zulauf.

Was tut die Stadt Köln?

Jansen: Die Prioritäten sind offenbar andere. In Köln steht die Kultur im Vordergrund. Es ist ja auch sehr wichtig für eine solche Stadt, dass es einen funktionierenden und starken Kulturbetrieb gibt. Aber der Sport und der Fußball scheinen mir zu kurz zu kommen. Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat bisher wenig Interesse an den Belangen des Breitensports gezeigt. Für die Klubs ist das bitter, zu sehen, wie Hunderte Millionen in ein Opernhaus gesteckt werden. Und es ist kein Geld da, um einen Platz so herzurichten, dass die Kinder und Jugendlichen in den Fußball-Vereinen darauf vernünftig spielen können. Oder mal das Dach der Halle zu reparieren. Oder auch die Hallen wieder an den Sport zurückzugeben, nachdem der Flüchtlingsstrom nachgelassen hat. In Essen ist gerade die letzte Turnhalle wieder für den Sport frei gemacht worden. In Köln ist alles noch so wie auf dem Höhepunkt der Krise.

Welche Gründe gibt es noch?

Jansen: Alles steht und fällt mit dem Engagement von Ehrenamtlern. Das ist ja ein allgemeines Phänomen unserer Gesellschaft: Es gibt immer weniger dieser Leute, die sich mit Herzblut und zum Teil auch viel Geld ein halbes Leben lang für ihren kleinen Verein ehrenamtlich engagieren. Leute wie Salvatore Saporiti bei Borussia Kalk, der von der Verbandsliga bis runter in die C-Klasse alles mitgemacht hat, und ohne den es den Klub gar nicht mehr geben würde. Und diesen wenigen Leuten macht der Verband selbst das Leben schwer.

Inwiefern?

Jansen: Mit einem Wust von Bürokratie und Vorschriften und Fristen. Da sitzt dann zum Beispiel der 65 Jahre alte Ehrenamtler am Sonntag vor dem Computer und verzweifelt daran, die Ergebnisse elektronisch zu übermitteln, weil sein Sohn an dem Wochenende keine Zeit hat. Ergebnis nicht oder falsch eintragen kostet fünf Euro Ordnungsgeld, mal acht Jugendspiele am Wochenende, macht 40. Oder ein Zeuge kann nicht zur Spruchkammer-Verhandlung kommen, weil es plötzlich mit der Arbeit halt nicht passt: 100 Euro Ordnungsgeld für den Verein. 100 Euro sind viel Geld für einen kleinen Verein. Wir reden über Mitgliedsbeiträge von acht bis 15 Euro im Monat. Der Amateurfußball in Köln ist an der Stelle auch nicht gut gemanagt.

Liegt der Niedergang nicht auch daran, dass auf den Kreisliga-Plätzen die Schlägereien und Attacken auf Schiedsrichter zunehmen und viele junge Leute die Lust verlieren?

Jansen: Natürlich gibt es diese Vorfälle. Ich sage: Sie spiegeln unser Leben, die Veränderungen im Umgang, wider. Die spektakulären Fälle ziehen eben auch das mediale Interesse auf sich. Dabei fällt unter den Tisch, wie viele Spiele jedes Wochenende unter schwierigsten Konstellationen ohne Probleme absolviert werden, weil besonnene Leute in den Klubs das gut managen. Das ist schade.

Welche Rolle spielt der DFB für die Klubs an der Basis? Es gibt die DFB-Kampagne „Unsere Amateure - echte Profis“. Der neue Präsident Reinhard Grindel kommt aus dem Amateur-Lager. Wir haben gerade den „Finaltag der Amateure“ erlebt, mit mehreren Stunden Live-Übertragung. Sind das Signale der Hoffnung für die Klubs?

Jansen: Der Finaltag war für diese Vereine aus der Spitze des Amateurfußballs natürlich sehr schön und kann einen Schub bringen, wenn sich ihre Sponsoren in einer Live-Übertragung sehen. Aber ganz unten? Wenn man an den DFB schreibt und um Unterstützung bittet, kommt ein Paket mit Plakaten, „Sei fair zum Schiri“ und so etwas. Das war's dann. Der Kontakt zur Basis scheint mir ziemlich abgerissen. Ich hab' bei der Recherche nie gehört: 'Es gibt bald einen neuen DFB-Präsidenten, vielleicht wird alles besser'. Für die kleinen Vereine hört die Beziehung „nach oben“ beim Fußballkreis Köln auf.

Haben manche der Probleme mit dem FC zu tun? Weil es an entscheidenden Stellen die Haltung gibt: Geht es dem FC gut, geht es dem Kölner Fußball gut?

Jansen: Der FC kann ja nichts dafür, dass er da ist. Aber wenn die Bundesliga sonntags zum 15.30 Uhr spielt, ist das ein Problem für die Vereine. Oder demnächst auch noch um 13.30 Uhr. Die Leute schauen den FC dann im TV oder gehen ins Stadion statt zum Klub aus dem Veedel. 30 Zuschauer weniger macht wieder 100 Euro weniger Geld in der Vereinskasse.

Der FC unterstützt zum Beispiel die Fußball spielenden Frauen in der JVA Ossendorf, er ist in der Flüchtlings-Hilfe aktiv, organisiert Training in sozialen Brennpunkten...

Jansen: Ja, und das ist alles sehr gut und wichtig. Aber schön wäre auch, wenn er zum Beispiel für jedes seiner Sonntagspiele ein bisschen was in einen Topf beim Fußballkreis einzahlen würde, um den Verlust auszugleichen. Über die verteilten Anstoßzeiten entsteht ja das viele Geld aus den TV-Verträgen, das die Profis einnehmen. Aber es gibt kein Statut, keine Vorschrift, das die Profis zu Solidarität mit den Amateuren zwingt. Es müsste aus den Klubs selbst kommen. Ich erinnere gern an Reiner Calmund in seiner Zeit bei Bayer 04, der immer ein Auge und Herz für die kleinen Klubs in der Umgebung hatte.




Aufrufe: 03.6.2016, 21:23 Uhr
Kölner Stadt-Anzeiger/Christian OeynhausenAutor