2024-05-10T08:19:16.237Z

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Den Bolzplatz in Riedern gibt es noch immer (von links): Michael, Klaus und Benjamin Gallmann. | Foto: Jürgen Ruoff
Den Bolzplatz in Riedern gibt es noch immer (von links): Michael, Klaus und Benjamin Gallmann. | Foto: Jürgen Ruoff

Die Gallmanns: Drei Brüder, die den Fußball leben

Zu Besuch bei den Gallmann-Brüdern +++ Klaus und Benjamin trainieren den FC Neustadt, Michael den FC Weizen

Die drei Brüder Klaus, Benjamin und Michael Gallmann leben den Fußball, mittlerweile sind alle drei Trainer. Jürgen Ruoff hat die Brüder besucht.
Hier hat alles angefangen. In dem kleinen Ort mit 400 Einwohnern, in dem es keinen Lebensmittelladen, keinen Bäcker, keinen Arzt und keinen Friseur gibt – aber einen Bolz- und Fußballplatz. In Riedern am Wald sind die Brüder Michael (33), Benjamin (31) und Klaus (27) Gallmann aufgewachsen, hier konnte sich ihre Fußball-Leidenschaft fern anderer Einflüsse entwickeln. Wer kicken konnte, meldete sich beim FSV Riedern an, dem einzigen Sportverein im Ort, „die mit zwei linken Beinen sind in den Musikverein gegangen“, sagt Benjamin Gallmann und schmunzelt.

Ein älterer Mann kommt herein, setzt sich an den Tisch, trinkt Kaffee und isst Kuchen. „Sind Sie auch fußballbegeistert?“ „Awa“, sagt der Mann, der sich später als Onkel entpuppt. „Er ist im Musikverein“, sagt Benjamin Gallmann. Gelächter. Zusammen mit Bruder Klaus trainiert Benjamin den Verbandsliga-Aufsteiger FC Neustadt. Groß- und Außenhandelskaufmann Michael ist Trainer des A-Kreisligisten FC Weizen.

Klaus, der jüngste der drei Brüder, hat schon zu Landesligazeiten bei den Blauen in Neustadt gespielt. Die Mannschaft steckte im Frühjahr 2014 hüfttief im Abstiegssumpf. Trainer Andreas Ackermann warf das Handtuch, andere sagen, der Verein hat es geworfen. Wie dem auch sei, der FC Neustadt stand ohne Trainer da. Vereinsintern wurde nach einem Coach gefahndet. Stürmer Klaus Gallmann erklärte sich bereit: „Ich war mir sicher, dass ich der Mannschaft im Abstiegskampf an der Seitenlinie besser helfen kann als auf dem Platz.“ Als er zusammen mit Oliver Mahler kurzfristig einsprang, sagte der damals 24-Jährige: „Ich denke, ich werde ein sehr viel besserer Trainer sein, als ich es als Spieler je war.“ Die Mannschaft schaffte den Klassenerhalt und sprach sich dafür aus, mit Klaus Gallmann als Trainer weiterzumachen. In der folgenden Saison belegte der FC Neustadt den dritten Platz in der Landesliga und verpasste die Aufstiegsrelegation zur Verbandsliga nur knapp. „Ich glaube schon, dass ich Menschen begeistern und motivieren kann. Dass es aber so gut funktioniert, war überraschend“, sagt Klaus Gallmann. Die Verbandsliga war als Spieler immer sein Ziel gewesen, „dort fängt für mich der richtige Fußball an“. Im vergangenen Frühjahr gelang ihm als Trainer des FC Neustadt, wovon er als Spieler vergeblich geträumt hatte: der Verbandsliga-Aufstieg. Da war er 26. Mit feucht glänzenden Augen sagte Klaus Gallmann: „Ich weiß, dass jetzt einer da oben stolz auf mich ist.“

Im Alter von 49 war sein Vater gestorben, 2006 war das. Als Jugendtrainer beim FSV Riedern nahm er seine Söhne schon früh mit zu den Übungseinheiten, „so drei bis vier Jahre alt waren sie, als er sie mitgenommen hat“, sagt die Mutter. Sohn Michael erinnert sich: „Er hat das Training sehr lustig gemacht, da war immer viel Spaß dabei.“ Das Vereinstraining konnte schon bald die Lust und Freude der Söhne an diesem Spiel nicht mehr stillen. Kaum von der Schule daheim, warfen sie den Schulranzen in eine Ecke und rannten zum Bolzplatz, der nur einen Steinwurf vom Elternhaus entfernt liegt.

„Nach dem Essen waren sie nicht mehr zu halten.“ Mutter Gallmann

„Das Essen war ihnen schon auch wichtig“, sagt die Mutter, „aber danach waren sie nicht mehr zu halten“. Ein Dutzend Kinder tobte sich Nachmittag für Nachmittag auf dem Bolzplatz aus. Im Winter, wenn es zu kalt war, um draußen zu kicken, klebten die Brüder ein Fußballfeld auf dem Wohnzimmerboden ab und spielten im Haus eins-gegen-eins.

Talentiert waren alle drei, am weitesten gebracht als Fußballer hat es Benjamin Gallmann. „Er hatte mehr Ehrgeiz als die anderen und schon immer höhere Ziele“, sagt die Mutter. Er spielte in der höchsten U-19-Liga der Schweiz. Der Vater hat kein Spiel verpasst. „Wenn es zeitlich möglich war, hat er sogar bei allen drei zugeschaut“, erzählt sie. Mit 18 spielte Benjamin für den SV 08 Laufenburg in der Verbandsliga. Anschließend beim Ligakonkurrenten FV Donaueschingen. „Ich habe schon als Spieler gedacht wie ein Trainer. Es war früh klar, dass ich was in diesem Bereich machen möchte.“ Mit 24 übernahm er als Spielertrainer die SG Schlüchttal. Zum Team gehörten auch Klaus und Michael Gallmann. „Es war immer ein Traum von uns, einmal in einer Mannschaft zusammen zu spielen. Es war die Chance, mit meinen Brüdern und vielen Freunden vom Bolzplatz etwas zusammen zu machen“, sagt Benjamin. Klaus, der Kompakte, spielte im Sturm. Michael, der Lange, in der Innenverteidigung. Und Benjamin, der filigrane Techniker, im Mittelfeld. „Ich spielte in der Mitte und musste meine Brüder immer beruhigen, wenn es zwischen ihnen laut wurde“, sagt Benjamin. Sie stiegen in die Bezirksliga auf – und wieder ab. Für die Mutter war es die schönste Zeit, als die drei Söhne bei der SG Schlüchttal vereint waren.

Benjamin ging anschließend als Spielertrainer zum TuS Bonndorf und stieg mit der Mannschaft in die Landesliga auf, wo er auf den FC Neustadt traf, gecoacht von Bruder Klaus. Sie waren Ligakonkurrenten, zweimal in der Saison kam es zum Duell, dennoch pflegten die beiden B-Schein-Inhaber einen sehr intensiven Kontakt: Sie telefonierten oder trafen sich mindestens einmal am Tag und hatten nur ein Gesprächsthema. „Unser Leben steht voll und ganz im Zeichen des Fußballs. Und wenn mal kein Spiel ist, schauen wir Fußball im Fernsehen“, sagt Benjamin.

Ihre Wege mussten irgendwann wieder zusammenführen. Beim FC Neustadt bot sich im Sommer die Gelegenheit, sie griffen zu. Die ersten Verbandsligaspiele der Saison verlor der Aufsteiger. „Wichtig ist, dass wir ruhig bleiben und intensiv weiterarbeiten“, wiederholte Benjamin Gallmann in der schwierigen Phase gebetsmühlenartig. Seine Maxime: „Wer intensiv arbeitet, wird irgendwann belohnt.“ Nach der achten Niederlage in Folge hörte man zwar seine Worte, der Glaube aber bröckelte. Die Blauen aus Neustadt schienen schon früh abgeschlagen. Plötzlich die Wende. Die Mannschaft gewann einmal, zweimal…19 Punkte sind es bis heute geworden.

Wenn diese Neustädter Mannschaft den Klassenerhalt schafft, dann mit diesem Trainerduo. 18 Stunden investieren die Bankkaufmänner Klaus und Benjamin Gallmann wöchentlich in ihre Nebenbeschäftigung. Sie hängen sich rein, als ginge es um ihre Existenz. Mehr geht auf diesem Niveau nicht: „Es ist viel, was wir von den Spielern verlangen. Ebenso viel dürfen sie aber auch von uns erwarten“, sagt Klaus Gallmann. Er ist der Emotionale, der auch mal die Klappe aufreißt, laut wird. Benjamin ist der Analytiker, der Stratege, der seinem Fußball-Sachverstand folgt. Nach Niederlagen, wenn sie bis in den hintersten Winkel ihrer Seele enttäuscht sind und in der Kabine 20 enttäuschte Spielergesichter auf sie warten, gehen sie erhobenen Hauptes rein und verbreiten wieder Zuversicht. Sie richten die Spieler auf, geben ihnen neue Energie. Sie haben diese Gabe, diese Kraft, ja, das können sie. „Das sind die Momente, die den Trainerjob so interessant machen und an denen man wächst“, sagt Klaus Gallmann.

Sie wollen den A-Schein machen. Streben sie als Fußballtrainer nach mehr? „Man träumt davon“, sagt Klaus, „realistisch gesehen sind die Chancen jedoch gering, weil damit ein Orts- und Jobwechsel verbunden wäre.“ Sie sind verwurzelt in der Region, im Schwarzwald fühlen sie sich wohl. Zum Abschied gibt es einen Laib Brot. Schmeckt hervorragend. Hat die Mutter gebacken. Kein Wunder, dass die Söhne so gut geraten sind.
Aufrufe: 017.11.2016, 08:00 Uhr
Jürgen Ruoff (BZ)Autor