2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Blitzkarriere im Funktionärswesen: Seit zwei Jahren ist die 23-jährige Melanie Kling aus Wittislingen Bezirksspielleiterin im Frauenfußball. Vorrangig verfolgt sie derzeit das Ziel, mehr Mädchen für den Fußball zu motivieren.  Foto: Ernst Mayer
Blitzkarriere im Funktionärswesen: Seit zwei Jahren ist die 23-jährige Melanie Kling aus Wittislingen Bezirksspielleiterin im Frauenfußball. Vorrangig verfolgt sie derzeit das Ziel, mehr Mädchen für den Fußball zu motivieren. Foto: Ernst Mayer

Die Funktionärin 4.0

Jung, weiblich, vernetzt: Melanie Kling ist seit zwei Jahren Bezirksspielleiterin im Frauenfußball +++ Ein Gespräch über die Kunst der Motivation, moderne Mediennutzung und männliche Vorurteile

Frau Kling, der Frauen- und Mädchenfußball in der Region entwickelt sich in die verkehrte Richtung. Im Juniorinnen-Bereich sinkt die Zahl der gemeldeten Mannschaften sogar deutlich. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Kling: Parallel zur Frauen-Weltmeisterschaft von 2011 gab’s einen Boom – und der ist jetzt nicht mehr zu spüren, auch mit Gold bei Olympia nicht. Ich bin mir sicher, dass die Effekte ein bisschen nachhaltiger gewesen wären, wenn Deutschland damals bei den Titelkämpfen im eigenen Land weitergekommen wäre. Mit dem Aus im Viertelfinale haben wir uns keinen Gefallen getan. Aber man muss das schon auch differenziert betrachten. Im Fußball-Kreis Augsburg liegen wir, was den Anteil der Frauen- und Juniorinnenteams an den Fußballmannschaften insgesamt betrifft, sogar über dem bayerischen Schnitt. Auf dem Land geht’s uns im Kreis Donau eigentlich ganz gut (vor allem aufgrund der vielen Teams in der Region Donau-Ries). Im Allgäu dagegen gibt es zum Beispiel nur noch eine Juniorinnen-Liga.

Wie können die Freunde des Frauenfußballs da gegensteuern?

Kling: Um Frauen- und Mädchenfußball zu fördern, muss man viel investieren. Zulaufen werden einem die Mädchen nicht. Das Thema Schulen ist da ein ganz zentrales. Und es muss auch allen klar sein: Die ganzen anderen Sportarten haben ja das gleiche Ziel wie wir, also möglichst viele Mitglieder zu gewinnen. Das ist so eine Art Wettbieten. Das geht teilweise schon im Kindergarten los.

Es gibt doch das Programm Ballbina kickt des Bayerischen Fußball-Verbands. Das soll die Begeisterung junger Mädchen für den Vereinsfußball wecken. Sie sind Ansprechpartnerin für die schwäbischen Vereine.

Kling: Und ich mache da auch immer kräftig Werbung. Aber so richtig kommt das bei den Vereinen nicht an. Dabei ist das vom Verband auch finanziell gut ausgestattet; ich muss da als Verein eigentlich nicht viel leisten. Es geht nur darum, innerhalb von zwei Jahren ein Mädchenteam aufzustellen.

Sie sind augenscheinlich das Gegenmodell zum männlichen Funktionär alter Prägung, stehen als junge Funktionärin mit einem überwiegend weiblichen Team an der Spitze des schwäbischen Frauenfußballs.

Kling: Und es ist auch bekannt, dass es so weitergeht. Man möchte den Frauenfußball in Schwaben weiblich und jung gestalten.

Werden Sie in dieser Position angemessen wertgeschätzt – oder überwiegen unüberlegte Kommentare und merkwürdige Seitenblicke?

Kling: Es gibt natürlich immer beide Seiten. Grundsätzlich ist es aber so, dass weder mein Alter noch der Umstand, dass ich eine Frau bin, negativ bewertet werden. Natürlich versteht man sich nicht mit allen. Aber man kann ja miteinander reden.

Dass Sie sich durchsetzen können, ist bekannt. Seit geraumer Zeit sehen wir Sie an der Seite von Trainer Konrad Nöbauer bei Kreisliga-Spielen des TSV Burgau. Streben Sie eine Trainer-Laufbahn an?

Kling: Ich habe bereits zwei Trainerscheine gemacht. Seit ich fünf bin, habe ich selbst Fußball gespielt, musste aber aufgrund hartnäckiger Rückenprobleme mit 17 aufhören. Ich habe dann als Trainerin angefangen mit den D-Jungs bei meinem Heimatverein in Wittislingen, dann hatte ich bei der SSV Höchstädt zwei Jahre lang C-Junioren betreut, vergangene Saison war ich Co-Trainerin beim TSV Nördlingen in der B-Jugend-Landesliga und jetzt eben Co-Trainerin bei Nöbauer, den ich schon länger kenne. Mein Ziel war, es in den Herrenbereich zu schaffen.

Gibt’s da Probleme mit der Akzeptanz?

Kling: Nein. Und es ist auch nicht so, dass ich in Burgau nur die Hütchen aufstelle. Ich werde da als Coach gesehen und nicht unbedingt als junge Frau.

Nach Ihrem Einstieg in die Laufbahn als Funktionärin wurden Sie innerhalb weniger Monate zur Bezirks-Spielleiterin berufen. In dieser Funktion sind Sie enorm fleißig auf modernen Kommunikationswegen wie Facebook unterwegs. Sehen Sie sich selbst als Funktionärin 4.0?

Kling: Ich glaube, in der heutigen Zeit geht es nur noch über Internet. Ich habe vor einigen Jahren selbst noch Spielberichtsbögen ausgefüllt. Aber wir kommen immer mehr weg vom Papier. Heute ist es wichtig, ob der Laptop funktioniert und nicht, ob ich die Passmappe und einen Stift dabeihabe. Und unsere Zielgruppe hängt nun mal den ganzen Tag an Kanälen wie Facebook. Die Klickzahlen zeigen mir, dass wir unser Ziel erreichen: Da kommen für einzelne Beiträge schon mal mehrere tausend Klicks zusammen.

Ein Blick in die Halle: Da gab’s im vergangenen Winter eine Flut an Meldungen im Frauenbereich. Liegt das an der Einführung von Futsal?

Kling: Eigentlich muss ich als Futsal-Beauftragte für den Kreis Donau sagen, es liegt nur daran. Aber ich selber finde, wie viele andere Spieler und Trainer, beides gut, den klassischen Hallenfußball und Futsal. Wobei Futsal schon der technisch bessere Fußball ist. Da muss ich einfach den klaren Ball spielen und ich muss mich bewegen, muss mir Lösungen erarbeiten. Da reicht es nicht, zu bolzen.

Trotz aller Erfolge im großen Frauenfußball: Ein Ohr am Stammtisch genügt, um zu erleben, dass es immer noch Vorurteile und Vorbehalte gegen diesen Sport gibt. Leisten Sie konstruktive Beiträge zu solchen Diskussionen oder sagen Sie eher: Es gibt Dinge, die ich nicht ändern kann?

Kling: Darauf habe ich keine Pauschalantwort. Für mich ist das situationsbedingt. Wenn die Leute einfach so daherreden, weil sie keine Ahnung haben, versuche ich ihnen das zu erklären. Aber dann gibt’s auch eine Gruppe, die ist unbelehrbar, was das Thema angeht. Da kann ich’s bleiben lassen.

Aufrufe: 09.9.2016, 16:28 Uhr
Günzburger Zeitung / Jan KubicaAutor