2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Bezirksspielleiter Richard Sedlmaier lässt in der neuen Saison den Versuchsballon steigen.  Archivfoto: mar
Bezirksspielleiter Richard Sedlmaier lässt in der neuen Saison den Versuchsballon steigen. Archivfoto: mar

Die Elf steht? Neun Spieler reichen auch

Pilotprojekt in ganz Niederbayern: In der Reserve sind künftig Neuner-Teams erlaubt. "Wir reagieren auf die Absagen" +++ Klubs zeigen sich äußerst skeptisch

Elf Spieler benötigt eine Herren-Mannschaft. Dieses eherne Gesetz des Fußballs gerät in der Region Kelheim zur neuen Saison ins Wanken. Künftig sollen in Reserve-Teams auch neun Spieler für eine Partie genügen. „Wir reagieren mit diesem Pilotprojekt auf 225 Spielabsagen in Niederbayern, die durch Personalmangel bedingt waren“, sagt Bezirksspielleiter Richard Sedlmaier. Ein weiterer Schritt ist die verpflichtende Austragung der Reserve-Partie nach dem Spiel der ersten Mannschaft, um so Ersatzspieler der ersten Reihe für die zweite Truppe aufbieten zu können. Die Vereine reagieren zurückhaltend.

Spieltag ohne ein einziges Spiel

Für den Ihrlersteiner Sedlmaier ist die Notwendigkeit dieser Reform unumgänglich. „Wir können nicht erst reagieren, wenn etwas kaputt ist.“ Die erwähnten 225 Spielabsagen bei den Reserven im Bezirk in der Saison 2015/16 seien ein klares Indiz für Personalmangel in vielen Vereinen. „In der A-Klassen-Reserve Landshut hatten wir die Situation, dass an einem Spieltag keine einzige Partie stattfand, weil einige Klubs schon gar keine zweite Mannschaft mehr haben und dann noch zwei Ausfälle wegen Personalnot hinzukamen.“ In dieser Staffel gebe es heuer insgesamt nur 42 Spiele – über die ganze Saison hinweg.

„Das Spielfeld wird verkleinert, ein Tor rückt auf die Strafraumlinie vor.“ Richard Sedlmaier

In ganz Niederbayern soll nun für 2017/18 dieses „Pilotprojekt“ steigen. „Mitte März werden wir die genauen Regularien in einer Tagung aller 13 Spielgruppenleiter ausarbeiten.“ Wichtig sei zu unterscheiden: „Die flexible Mannschaftsstärke bezieht sich nur auf Reserven im nicht aufstiegsberechtigten Spielbetrieb.“ Gemeint sind also die klassischen zweiten (oder dritten) Teams, die parallel zu ihrer ersten Garde in einer Reserveliga spielen. Außen vor stehen Mannschaften wie TSV Abensberg II, ATSV Kelheim II oder TSV Neustadt II, die alle in Ligen (Kreis- und A-Klasse) antreten, wo sie auch auf- und absteigen können.

Konkret soll es so aussehen, dass Vereine vor Saisonbeginn angeben, ob sie mit elf oder neun Kickern in der Reserve auflaufen wollen. „Die überwiegende Zahl wird natürlich beim bisherigen Format bleiben.“ Sehe man sich nicht imstande, die Elf aufbieten zu können, sei es vor jeder Paarung möglich, den Gegner um die Variante „Neun gegen Neun“ zu ersuchen. „Das ist doch viel besser, als wenn man das Spiel ausfallen lässt.“ Das Spielfeld werde dann verkleinert, indem ein Tor auf die Strafraumlinie vorrückt. „Der neue Strafraum oder der verschobene Mittelkreis müssen nicht großartig markiert werden, es reicht, wenn Linien angedeutet oder Hütchen aufgestellt werden“, sagt Sedlmaier.


Hütchen statt Linie – „eine Demütigung“

Markus Hagl, Abteilungsleiter des SC Kirchdorf, meint in einer Umfragerunde unserer Medienhauses bei einigen Vereinen dazu: „Ich finde, es ist für einen Reservespieler eine Demütigung, wenn er mit Hütchen spielt. Die Spieler haben doch das gleiche Recht wie die von der ersten Mannschaft.“ Generell sträuben sich die Klubs gegen die reduzierte Mannschaftsstärke. „Das geht vor allem stark zu Lasten von Vereinen, die einen großen Kader haben. Wer 14 oder 15 Spieler für die Reserve hat, muss kurzfristig einigen beibringen, dass sie nun doch nicht zum Einsatz kommen, weil der Gegner nur mit neun Mann antritt“, sagt Harald Forster, Abteilungsleiter beim SC Kelheim. Er fürchte zudem, dass Vereine gar nicht mehr versuchten, auf elf Kicker zu kommen, „weil neun ja auch reichen“.

„Muss ich meinem Spieler dann sagen, du läufst nicht auf, weil der Gegner nur zu neunt kommt?“ Sebastian Kneitinger

„Da tut sich der Verein aber nichts Gutes, weil er damit potenzielle Reservekicker verprellt“, entgegnet Sedlmaier, der betont, „dass es sich bei meinen Ideen nur um Vorschläge handelt. Ich will den Vereinen nichts Böses, aber wenn die Spielabsagen immer mehr zunehmen, steht der Reservespielbetrieb bald insgesamt auf der Kippe. Schon jetzt haben manche zweiten Mannschaften zwei, drei Wochen spielfrei, weil die Gegner keine zweiten Teams mehr haben. Da verliert doch jeder die Lust am Fußball.“

„Mir fehlt noch die Fantasie, wie das in der Praxis laufen soll“, erklärt Sebastian Kneitinger, Abteilungsleiter im TSV Abensberg, das mit Team III am Reservespielbetrieb teilnimmt. Die Babonen verfügen über einen breiten Kader. Auch er sieht sich wie SC-Kollege Forster vor einzelnen Kickern stehen und sagen: „Du darfst dieses Wochenende nicht spielen, nächste Woche vielleicht, wenn der Gegner genügend Spieler hat.“ Markus Amann, Vorsitzender des SV Großmuß, wähnt „Altbewährtes aufgeweicht. Gemeinschaften in den Teams gehen verloren.“ Die Vereinsverantwortlichen räumen ein, „dass wir aus der Position von Klubs mit genügend Spielern sprechen, anderen geht es sicher nicht so gut“. An die „Solidarität“ mit eben diesen darbenden Vereinen appelliert Sedlmaier. „Was ist die Alternative? 15Kicker spielen nicht, weil der Gegner nicht elf Spieler zusammen bringt.“ Diplomatisch gibt sich Ralf Graßl vom SV Ihrlerstein. „Die flexible Mannschaftsstärke sollte man in der Pilotsaison testen und sich dann eine Meinung bilden, ehe man es von vorneherein komplett ablehnt. Mir ist ein Spiel ,Neun gegen Neun‘ lieber als eine Spielabsage“, so der Vorsitzende.


„Nicht per Dekret diktieren“

Ein weiterer Kniff soll verhindern, dass es zu diesen „Neuner-Partien“ überhaupt kommt. „Die Vereine werden verpflichtet, ihre Reservepartien nach der ersten Mannschaft auszutragen“, so Bezirksspielleiter Sedlmaier. Vorteil: Ersatzspieler aus der ersten Mannschaft dürfen für die zweite Reihe auflaufen und selbst Kicker der ersten Truppe könnten für eine Halbzeit noch in der Reserve aushelfen.

„Wer schaut der Reserve noch zu, wenn sie nach der ersten Mannschaft spielt?“ Markus Hagl

Befürworter dafür findet der Brandler in Ralf Graßl und Harald Forster, der erklärt: „Wir haben das zu Beginn der Saison eingeführt und dadurch eine, wenn nicht sogar mehrere Spielabsagen verhindert.“ Markus Hagl und Sebastian Kneitinger sind anderer Ansicht: „Wer schaut der Reserve dann noch zu?“ Der Babonenchef ergänzt: „Ich würde mir wünschen, dass die Entscheidung bei den Vereinen bleibt und nicht per Dekret diktiert wird.“ Im Mai 2018 will Richard Sedlmaier die Erfahrungen mit Neuner-Teams und den hintan gesiedelten Anstoßzeiten der Reserven abfragen. „Wir werden die Reform streichen, wenn das Urteil negativ ausfällt. Aber schon oft war der Aufschrei über Änderungen groß und am Ende passt’s doch allen.“

Aufrufe: 025.2.2017, 11:00 Uhr
Martin RutrechtAutor