2024-04-19T07:32:36.736Z

Allgemeines
Nach dem BSC Woffenbach schlägt nun auch Thomas Bach von der SG 83 Nürnberg/Fürth Alarm: Die aktuelle Vertragsamateur-Regelung schadet den Ausbildungsvereinen. (Foto: Zink/Grafik: FuPa)
Nach dem BSC Woffenbach schlägt nun auch Thomas Bach von der SG 83 Nürnberg/Fürth Alarm: Die aktuelle Vertragsamateur-Regelung schadet den Ausbildungsvereinen. (Foto: Zink/Grafik: FuPa)

Die Ausbildungsvereine schlagen Alarm

Regelung für Vertragsamateure stürzt Klubs ins Dilemma +++ Nachwuchsarbeit in Gefahr

Der BSC Woffenbach machte kürzlich mit einem "Brandbrief" den Anfang: Die aktuelle Regelung bei Vereinswechseln von Vertragsamateuren brächte die Vereine nicht nur um ihre besten Talente, sondern auch um eine angemessene Entschädigung der geleisteten Arbeit. Jetzt springt Thomas Bach, Abteilungsleiter der SG 83 Nürnberg/Fürth, dem BSC Woffenbach bei - und bringt eine weitere problematische Dimension zur Sprache.

Sebastian hatte Talent. In der ersten D-Jugend-Saison seines kleinen Dorfvereins schoss er fast nebenbei 60 Tore. Zwei Jahre später wurde auf einem Sichtungstag auch das Nachwuchsleistungszentrum eines Bundesligisten auf den Jungen aufmerksam. Seine Eltern sprachen mit Sebastian über das Angebot. Zu viel Aufwand, sagten sie sich letztlich, zu viel Fahrerei. Der Junge war einverstanden. Er wollte ohnehin nicht alles dem Sport unterordnen. Er wollte einfach Fußball spielen.

Also ging er 30 Kilometer weiter in die Nachwuchsabteilung eines Bezirksligisten, ein kleines, lokales Sammelbecken für Talente. Lizenzierte Trainer, drei Trainingsplätze, eine eigene Halle, Spielbetrieb in höheren Jugendligen. Eine gute Mischung aus Leistungsanspruch und Spaß, dachten sich die Eltern. Sebastian würde sich hier nicht mehr langweilen. Er durchlief in Folge alle Jugendmannschaften, arbeitete mit den verschiedensten Trainern an seinen Schwächen, fuhr auf Abschlussfahrten, in Trainingslager, bekam eine solide taktische Ausbildung mit auf den Weg. In seinem zweiten U19-Jahr sorgte er als Torjäger fast für den Aufstieg seiner BOL-Mannschaft. Ein ambitionierter Fünftligist rief eines Abends an; Sebastian sprach mit seinem Verein darüber. Der Abteilungsleiter kannte die BFV-Tabelle auswendig: Sollte der Junge zu Saisonbeginn – und ohne eine halbjährige Wartefrist - als Amateur wechseln, stünden dem Bezirksligisten für seine Arbeit 2500 Euro zu; ein Teil der Summe würde auch an den Heimatverein fließen. Der Fünftligist aber hatte andere Pläne: Er stattete Sebastian mit einem Amateurvertrag aus. Der Bezirksligist bekam für seine Arbeit an dem Jungen: keinen einzigen Cent.

Zum Nulltarif

Sebastian ist ein fiktiver Fall. Aber er beschreibt einen Tatbestand, den viele Ausbildungsvereine als Dilemma empfinden: Bis ins Jahr 2005 hinein erhielten Vereine für Talente, die zu Vertragsspielern gemacht wurden, finanzielle Entschädigung. Dann aber kippte das OLG Oldenburg diese Regelung mit Hinweis auf die "Freiheit der Berufswahl", und DFB und Verbände mussten das funktionierende System zähneknirschend umstellen. Die Folge: Vereine konnten sich ab sofort zum Nulltarif an der Jugendarbeit anderer bedienen – insofern sie mit Verträgen hantierten.

"Es gibt für den aufnehmenden Verein eine Break-Even-Kalkulation", sagt Thomas Bach und rechnet vor: 250 Euro beträgt die vorgegebene monatliche Mindestaufwendung für einen Vertragsspieler, hinzu kommen rund 70 Euro Sozialversicherungsbeiträge: „Der Verein gibt das Geld also lieber dem Spieler, dem er ohnehin etwas zahlen müsste. Diese Entschädigungssummen waren zwar schon immer Verhandlungssache, inzwischen aber wird uns schonmal die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder ihr reduziert das, oder wir machen aus dem Spieler einen Vertragsamateur."

Bach ist Fußball-Abteilungsleiter der SG 1883 Nürnberg/Fürth, eines Bezirksligisten an der Stadtgrenze. Seine SG hat den Ruf, engagierte Jugendarbeit zu leisten – etwas, das längst nicht mehr alle Fußballvereine auf der Agenda haben. Probleme entstünden laut Bach vor allem mit Vereinen, die ihr Herrenteam nur über Transfers in den hohen Spielklassen halten könnten: "Wir haben 20 Mannschaften, 20 Trainer, dazu Betreuer, Jugendleiter, Plätze, Strom, Wasser - andere Vereine nehmen das Geld her und stecken es in ihre erste Mannschaft".

Monetäre Zuwendungen gibt es bei der SG-Herrenmannschaft nicht, umso mehr ärgert es Bach, dass Vereine mit einer Ausrichtung wie seiner nicht besser geschützt werden können. Etwa ein Talent pro Saison verliert die SG auf diesem Wege – und damit Mittel, die bei der Finanzierung der Jugendarbeit fehlen. Und er ist damit nicht alleine: Zuletzt beklagte sich der Neumarkter Bezirksligist BSC Woffenbach in einem offenen Brief über die Zustände. Weniger Sponsorenzuwendungen, steigende Trainerkosten - "einem Verein bleibt nichts anderes übrig, als kontinuierlich zusätzlichen finanziellen Aufwand in Kauf zu nehmen", konnte man da lesen. Dazu habe der BSC mit dem ASV Neumarkt einen ambitionierten Verein im Umkreis, der sich gerne mal aus seiner Jugend bediene. "Finanziell niederschmetternd" nennt man bei Woffenbach diesen Umstand.

Keine Kontrolle

Ist es beim BSC vor allem der Ärger über die generelle Ungerechtigkeit der Regelung, offenbart sich im Falle der SG eine problematische Begleiterscheinung. Das "System Vertragsspieler" wird durchaus auch missbräuchlich verwendet. Schon länger kursieren Gerüchte: Vereine, bei denen die im Vertrag festgehaltene Vergütung gar nicht an die Spieler fließen. Summen, die per Spenden an den Verein rücküberwiesen würden. Auch Bach hat davon schon gehört: "Der Verband weiß nicht, ob die Gelder tatsächlich bezahlt werden; nur die Summen, die an die Bundesknappschaft (die Sozialversicherung - Anm.d.R.) gehen, sind zu kontrollieren.", sagt Bach und moniert: "Jede zu zahlende Ehrenamtspauschale muss ein Verein nachweisen können, aber Budgets, etwa für Vertragsamateure, muss man nicht vorlegen. Es gibt Vereine, die können die Verbandsabgaben nicht entrichten, haben aber 20 Vertragsspieler in ihren Reihen."

Auch weitere Umstände sorgen bei Bach für Unmut: "Die Wechselfrist für Vertragsspieler ist vier Wochen länger als bei uns. Da kommt dann ein Verein und nimmt uns den Spieler nach dem dritten Saisonspiel weg, und wir bekommen weder Entschädigung noch können irgendetwas dagegen tun." Dem Verband sind weitgehend die Hände gebunden, 2010 hob er die Mindestaufwendung auf 250 Euro pro Monat an. „Vielleicht müsste man die aber für einen Vertragsspieler weiter erhöhen“, schlägt Bach vor. Hinzu gibt ein weiterer Sachverhalt der Problematik einen absurden Touch. Er betrifft den Fall einer Reamateurisierung: Vertragsspieler, deren Verträge auslaufen und die danach als Amateur zu einem anderen Verein wechseln, sind nicht automatisch ablösefrei. Der abgebende Verein hat auch hier die Möglichkeit, die Zustimmung zum Vereinswechsel zu verweigern. Im Falle Sebastians also würde das bedeuten: Nicht der Bezirksligist, der tatsächlich für seine Ausbildung zuständig war, sondern der Fünftligist bekäme eine mögliche Ausbildungsentschädigung.

Ein Dilemma. Eine Situation, die zwei Möglichkeiten der Entscheidung bietet, die beide zu einem unerwünschten Resultat führen. Schon mit dem Gedanken gespielt, das Engagement zurückzuschrauben? "Nein, wir werden nichts ändern, unsere Philosophie ist es, Jugendliche auszubilden", sagt Bach. Anders sieht es in Woffenbach aus, wie BSC-Pressesprecher Herbolzheimer bestätigt: "Es sind erste Diskussionen im Gange. Darüber, ob sich das noch lohnt, oder ob wir das Geld nicht, wie andere Vereine, gleich direkt in die erste Mannschaft stecken." "Wenn Vereine wie wir das Ausbilden aufhören, wohin führt das dann?", fragt Bach.

Das Dilemma betrifft nicht nur die Ausbildungsvereine selbst - Konsequenzen für den ganzen Amateurfußball scheinen nicht ausgeschlossen.

BFV Ausbildungsentschädigungs-Tabelle

Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach der Spielklassenzugehörigkeit der ersten Mannschaft:

3. Liga und darüber

5.000 €

Regionalliga

3.750 €

Bayernliga

2.500 €

Landesliga

1.500 €

Bezirksliga

750 €

Kreisliga

500 €

Kreisklasse und darunter

250 €



Aufrufe: 09.7.2014, 13:14 Uhr
Jan MauerAutor