2024-05-10T08:19:16.237Z

Vereinsnachrichten
Walter Desch. Foto: Fußballverband Rheinland
Walter Desch. Foto: Fußballverband Rheinland

DFB-Krise: Kritik an persönlichen Zerwürfnissen

Walter Desch, Chef des Fußball-Verbands Rheinland, spricht im Interview über die WM-Affäre

In Hannover beraten am heutigen Dienstag die Präsidenten der Regional- und Landesverbände des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) über die Krise im Verband. Walter Desch, Chef des Fußballverbands Rheinland, sprach mit TV-Redakteur Mirko Blahak über seine Erwartungen, den neuen DFB-Präsidenten, seinen Freund Theo Zwanziger und das Länderspiel am Abend.

Erleben Sie derzeit die bewegendsten Zeiten als Fußball-Funktionär?
Desch: Wenn Sie neben den Vorgängen im DFB die Anschläge in Paris miteinbeziehen, muss ich sagen: Ja. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn einer der Attentäter, der eine Eintrittskarte hatte, ins Stade de France zum Länderspiel Frankreich gegen Deutschland gelangt wäre.

Ist es richtig, das Länderspiel Deutschland - Niederlande heute Abend in Hannover auszutragen?
Desch: Ja. Eine Absage hätte ein Einknicken bedeutet. Wir wollen unseren Lebensstil nicht aufgeben, sondern überzeugend darstellen. Dass die Sicherheitsvorkehrungen verschärft werden , ist klar. Aber eine 100-prozentige Sicherheit kann es bei Großveranstaltungen - auch im Sport - nirgends geben.

Vor dem Länderspiel heute Abend gibt es das Treffen der Präsidenten der Regional- und Landesverbände. Hätten Sie gedacht, dass der DFB jemals so ins Wanken gerät?
Desch: Der DFB hat schon manche unangenehme Situationen durchgemacht. Der Bundesliga-Skandal 1970/71, der Wettskandal 2005. Ich gehe davon aus, dass sich die Lage im DFB relativ schnell beruhigt …

… Aber die Vorgänge rund um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 sind doch noch gar nicht geklärt?
Desch: Nach der Veröffentlichung des Spiegel-Berichts hätten die handelnden Personen von damals - allen voran Franz Beckenbauer als Chef des WM-Organisationskomitees - sagen sollen: So und so wurde seinerzeit gehandelt. Dann hätte es womöglich einen Aufschrei der Empörung gegeben. Und dann hätten sich - glaube ich - die Pragmatiker durchgesetzt, die sagen: Während des Bewerbungsprozesses wurde durch einen großen Fehler eine falsche Weichenstellung vorgenommen. Das hatte aber keinen Einfluss darauf, was durch das Sommermärchen bewirkt worden ist. Stichwort: Die Welt zu Gast bei Freunden. Zu der Gruppe der Pragmatiker zähle ich mich übrigens auch.

Im Fußballverband Rheinland sind Sie als Vorsitzender Nachfolger von Theo Zwanziger. Werden Sie aus dessen Rolle in der aktuellen WM-Affäre schlau?
Desch: Ich bin nach wie vor mit ihm befreundet. Ich habe vor kurzem mit ihm gesprochen, um zu erfahren, was er eigentlich alles weiß. Dabei fällt auf, dass er eine Menge sagen kann. Er hat nach eigener Aussage dem DFB angeboten, bei der Aufarbeitung der WM-Affäre mitzuhelfen. Doch da ist nichts passiert. Ich habe vor ein paar Jahren versucht, den nun zurückgetretenen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger noch mal an einen Tisch zu bringen. Das ist nicht gelungen. Heute wird dies schon gar nicht mehr gelingen. Persönliche Zerwürfnisse sind ein Hinderungsgrund, eine vielleicht relativ leicht aufzuklärende Sache darzustellen.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die heutige Sitzung der Landeschefs?
Desch: Ich hoffe, dass die Dinge, die beim DFB bekannt sind, endlich auf den Tisch kommen. Und ich hoffe, dass wir uns mit der Deutschen Fußball-Liga verständigen können, wann ein neuer DFB-Präsident gewählt wird. Ich persönlich plädiere für eine schnelle Wahl. Und der neue DFB-Präsident muss aus meiner Sicht einen gewissen Stallgeruch haben.

Wen favorisieren Sie?
Desch: (lacht). Ich habe einen Favoriten. Aber Sie dürfen nicht von mir erwarten, dass ich jetzt einen Namen nenne.

DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel gilt als heißer Kandidat. Was halten Sie von ihm?
Desch: Ich kenne ihn schon länger. Er ist oft in Rheinland-Pfalz. Er ist sicherlich ein vorstellbarer Kandidat.

Reinhard Rauball, der derzeit die DFB-Geschäfte mit Rainer Koch führt, fordert mit der Neubesetzung des Chefpostens auch eine Strukturreform des DFB. Wo muss aus Ihrer Sicht Hand angelegt werden?
Desch: Die Mitglieder des DFB sind die Regional- und Landesverbände sowie die Deutsche Fußball-Liga (DFL), der Rauball vorsteht. Der DFB ist also ein großer Laden, hat aber eine Unterstruktur über die Landesverbände. Deren Erfahrungsschatz müssen wir stärker einbringen. Wir müssen bei aller Professionalität des DFB aufpassen, dass nicht das Hauptamt die Federführung übernimmt. Deshalb bin ich auch gegen einen hauptamtlichen DFB-Präsidenten. Und wir müssen darauf achten, dass der Einfluss der DFL im DFB nicht größer wird.

Wie sehr macht sich die Krise an der DFB-Spitze im Fußballverband Rheinland bemerkbar?
Desch: Ich kann nirgends hinkommen, ohne dass ich darauf angesprochen werde, was im DFB läuft. Dass der Fußball leidet, kann ich nicht erkennen. Es ist noch kein Spiel ausgefallen, weil eine Mannschaft gesagt hat, wir machen nicht mehr mit. Es ist auch noch kein Spielerpass zurückgeschickt worden. Rolf Hocke, Präsident des hessischen Fußballverbands, hat gesagt, dass er nicht mehr auf den Sportplatz geht, weil er überall als DFB-Verbrecher tituliert wird. Mir ist das noch nicht passiert.

Extra

Walter Desch (71, Foto) ist seit 2001 als Nachfolger von Theo Zwanziger Präsident des Fußballverbands Rheinland und Vizepräsident des Fußballregionalverbands Südwest. Im DFB ist der ehemalige Berufssoldat seit 2004 Mitglied im 38-köpfigen Vorstand.
Aufrufe: 016.11.2015, 21:12 Uhr
Volksfreund / volksfreund.de Autor