2024-05-08T14:46:11.570Z

Kommentar
Borussia Pankow - Rotation Prenzlauer Berg (0:0). Foto: Ian Stenhouse (www.nodicemagazine.com)
Borussia Pankow - Rotation Prenzlauer Berg (0:0). Foto: Ian Stenhouse (www.nodicemagazine.com)

Derby ist der große Schwanzvergleich im Kiez

Kolumne von ABHB

Wo hört die Freundschaft auf? Wann fürchten die Ladeninhaber um die Ecke um ihr Inventar? Wann ist das Bier im Supermarkt eine Rarität? Wo treffen sich die Haudegen aus alten Tagen zu einem gemeinsamen Plausch? Wo ist Pyro noch erwünscht? Nach welchem Anlass traut man sich mit Vereinsjacke nicht in die Schule? Wann bekommen die großen Fußballerfinder, also Leser der Fußball-Woche, ihren großen Rahmen um alle mal wieder vollzulabern?

Die Rede ist vom Derby, vom Spiel des Jahres, vom Salz in der Suppe, vom Schokokern im Nogger! Von der Happy-Hippo-Figur im Überraschungs-Ei. Heutzutage sind leider fast alle Spiele laut Medienlandschaft Derbys: Nord-Süd-Derby, Ruhrpottderby, Ost-Derby, Südgipfel, Rhein-Main-Derby, Automarken-Sponsorenlogo-Derby. Da wird man ja bekloppt, wenn der Trainer in der Kabinenansprache jede Woche vom besonderen Derbycharakter der heutigen Begegnung spricht. Das stumpft doch ab. Nun lassen wir mal die Kirche im Dorf! Köpenick-Oberspree gegen Heiligensee ist kein Berlin-Diagonal-Derby!

Aber was nur macht diese Faszination aus? Warum gelten Buddelkasten-Freundschaften am Derbytag nicht? Es muss ein Fetisch sein, seine besten Kumpels oder aber bekannte Personen aus dem Kiez zwei mal pro Jahr auf dem grünen Geläuf umzutreten und sie mit netten Worten zu überhäufen.

19.10.2014, 14.15 Uhr, Kissingen-Stadion: Fortuna Pankow empfing Borussia Pankow. Diese Teams hatten seit über fünfzehn Jahren kein Pflichtspiel gegeneinander bestritten. Vielleicht gerade deshalb fanden sich über 150 Zuschauer am Kunstrasen ein. Pyrotechnik und Spruchband zu Beginn: "In Pankow gibt es nur 1 Verein und das wird Fortuna Pankow sein!". Die "Petras Berlin", Fangruppierung der Fortunen, lassen sich aber auch immer wieder was feines einfallen. Dazu 'n bissel Pyro, herrlich. Derbytime auf dem Platz entfachten aber nur die Gäste. Im Spiel erzielte man drei Treffer, draußen tobte der jungsche Mob. Derbys verleiten halt zum absoluten Klub-Patriotismus. Das "Scheiß Fortuna!" in der Uffta nach Spielende, die übrigens ohne Doppel-F stattfand, unterschreibt die gegenseitige Liebe.

Trotzdem fragt sich der objektive Buchleser, Teetrinker und Galerist, warum es immer diese Nachbarschafts-Anti-Sympathie-Stimmung gibt. Ist es vielleicht der gedankliche Maschendrahtzaun, der die Grundstücke der Vereine trennt? Die Hecke, die zu kurz geschnitten wurde oder aber das Auto, das im Halteverbot steht?

Stell dir vor, du fährst zu Mutti sonntags zum essen. Mutti hat vergessen einzukaufen, ihr fehlen Zutaten. Sie zieht die Schlappen an und klingelt beim Nachbarn: "Du Sieglinde, hast du mal drei Eier und 'n bissel Mehl?" Sieglinde: "Für' ne Derbyverlierer-Mutti? Haste doch gehört Sonntag, scheiße ist dein Klub! Kannste dir abschminken. Da hat der Maurer 'n Loch gelassen, Verfatz you!"

Willst du Mutti das antun? Soll Mutti im Regen stehen? Willst du Eierkuchen ohne Ei? Kannste dich nicht zügeln mit deinen Kumpels und lieber schauen, wer die Punkte nötiger braucht? Oder ein Berliner-Freunde-Frühstück des Berliner Fußballverbandes organisieren für den harmonischen Austausch?

Ähhhm, warte mal kurz, lass mich überlegen, ich hab's: NÖÖÖÖÖÖÖ!

Denn Fakt ist, ein Derby ist der große Schwanzvergleich im Kiez! Es beeinflusst das Kaufverhalten der nächsten Woche bzw. ob überhaupt noch was im Kühlschrank ist, da man sich nicht raus traut. Erst einen Monat später ist alles wieder vergessen. Dann tollt und tobt man wieder Arm in Arm dem runden Leder nach und die Frage, wo man denn spielt, gerät in den Hintergrund.

Zum echten Derbyerlebnis kann ich nur sagen: Scheißt auf den Profifußball - Derby ist Amateursache! Unfassbar was da manchmal auf Dörfern abgeht. Mein Opa berichtete mir mal von rot-weiß gestrichenen Toren. Die Rot-Weißen konnten wohl nachts nicht schlafen und machten schon mal 'ne kleine Platzbegehung bei den Blau-Weißen. Legendär aber auch verätzte Rasenplätze, entfernte Mittelkreise, fehlende Tore oder eine Betonmauer auf der Mittellinie. Das geht nur da, wo keine Zäune und hunderte Kameras den Fußballplatz vom Fan trennen. Da wo Fußball noch Spaß macht. Sorry nach Blankenburg für den Spruchdiebstahl.

Liebe Medienlandschaft, liebe Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit von Vereinen, bitte hört auf mit dieser Derby-Reizüberflutung! Sonst wird's so 'ne müde Geschichte wie heute bei Borussia gegen Rotation. Ein Derby wird dann seinem Namen und Ruf gerecht, wenn es ein seltenes Gut bleibt, wenn man sich die ganze Saison auf diese Partien freut.

Und liebe "Petras Berlin", kommt es tatsächlich in der Rückrunde der Kreisliga A zum Derbymarsch, dann gibt's nen Kasten Mate von mir!

Hoch lebe das Derby! Der große Nachbarschaftsfasching! "High Life" in Tüten!

Aufrufe: 030.10.2014, 10:11 Uhr
HB (ABHB)Autor