2024-05-10T08:19:16.237Z

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Erst Weltmeister, dann Europameister: Rainer Schorer aus Pforzen im Ostallgäu ist Koch beim Deutschen Fußball-Bund und hat innerhalb von vier Wochen mit der A-Nationalmannschaft in Brasilien und mit der U19-Nationalmannschaft in Ungarn zwei große Titel gewonnen.  Fotos: Rainer Schorer
Erst Weltmeister, dann Europameister: Rainer Schorer aus Pforzen im Ostallgäu ist Koch beim Deutschen Fußball-Bund und hat innerhalb von vier Wochen mit der A-Nationalmannschaft in Brasilien und mit der U19-Nationalmannschaft in Ungarn zwei große Titel gewonnen. Fotos: Rainer Schorer

Der Vier-Sterne-Koch

Rainer Schorer (36) hat die deutsche Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien und die U19 bei der Europameisterschaft in Ungarn verpflegt - und beide Titel gewonnen

Hühnersuppe, Pasta, gegrillte Hühnerbrust und Milchreis. Dieses Menü am Tag des Endspiels hat die deutsche Fußballnationalmannschaft in Brasilien zum Weltmeister gemacht, zubereitet von Rainer Schorer. Der 36-Jährige aus Pforzen im Ostallgäu stand zuletzt für den Deutschen Fußballbund (DFB) fast acht Wochen lang am Herd. Jeden Tag kochen für Spieler und Betreuerstab, jeden Tag für 65 Personen. Erst bei der Weltmeisterschaft in Brasilien, dann bei der U19-Europameisterschaft in Ungarn. Er sagt: „Als Mannschaftskoch trägst du fast die größte Verantwortung dafür, dass es den Spielern gut geht.“

Schorer vergleicht die Spitzensportler mit einem Porsche. Den, sagt er, könne man schließlich auch nicht einfach mit Diesel tanken. „Da gerät der Motor ins Stocken. Da braucht man schon den besten Kraftstoff“, meint er. Sprich: Burger und Pizza stehen zwar auch bei den Profifußballern ab und an auf dem Speiseplan, zubereitet wird aber selbst diese Form von Fastfood auf gesunde Art und Weise. In der Regel gibt es für Deutschlands beste Kicker bei Turnieren oder vor Qualifikationsspielen Büffet. Vorspeisen, zwei Fleischsorten, Fisch und Obst. Nach den Spielen wird direkt in der Kabine Pasta zubereitet. „In 90 Minuten verbraucht ein Fußballer an die 1500 Kalorien“, erklärt der Ostallgäuer. An Trainingstagen mit mehreren Einheiten sind es sogar zwischen 3500 und 4500 Kalorien. Alles ist bis ins kleinste Detail ausgeklügelt. Es geht um Kohlenhydrate, Omega-3-Fettsäuren und leicht Verdauliches. Auf Butter und Sahne wird beispielsweise fast komplett verzichtet. „Statt Kuhmilch, die für den Körper nicht ganz so gut zu verarbeiten ist, verwenden wir Soja-Milch“, erklärt Schorer. Gurken zum Beispiel gibt es gar nicht. Weil sie so viel Wasser enthalten. Vor allem WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose achte penibel auf seine Ernährung und die Qualität der Speisen.

Angefangen hat bei Schorer alles ganz beschaulich, wenige Hundert Meter von daheim entfernt in der Hammerschmiede, einem kleinen Gasthof zwischen Kaufbeuren und Pforzen. Beendet hat er die Lehre damals in Dorschhausen bei Bad Wörishofen. Und dann ging es hinaus in die große weite Welt. Eine raue Welt. Nicht nur wegen der Arbeitszeiten – „als Koch arbeitest Du zum Teil sieben Tage die Woche jeweils bis zu 14 Stunden“ –, sondern auch wegen des groben Umgangstons in der Küche. In allen Zwei- und Drei-Sterne-Restaurants des Landes hatte er sich als junger Koch beworben, in der Residenz von Heinz Winkler, einem der besten deutschen Köche, in Aschau wurde er genommen.

Mit der Zeit wurden auch die eigenen Ansprüche größer. Schorer sagt: „Ich wollte nicht so bürgerlich kochen. Ich wollte anders und besser sein als meine Oma und meine Mutter.“ Inzwischen arbeitet er bei Holger Stromberg in dessen Restaurant in Waltrup bei Dortmund als Küchenchef. Gekocht wird auch dort auf Sterneniveau – „regionale Küche neu interpretiert“, sagt der 36-Jährige.

Über Stromberg kam Schorer auch zum Deutschen Fußball-Bund. Als alleiniger Koch ist der Ostallgäuer schon seit vielen Jahren für die deutschen Nachwuchsmannschaften, derzeit speziell die U19-Auswahl, zuständig. Das Abenteuer Brasilien wollte Stromberg – er kocht seit 2007 für die A-Nationalmannschaft – allerdings nicht alleine angehen. Zu groß seien die sprachlichen Barrieren, zu schlecht die örtlichen Hygienestandards in Südamerika. Schorer wurde gefragt und sagte sofort zu, Stromberg zu unterstützen. Schon Ende Mai flogen die beiden Köche los, um in Brasilien die Hotels an den Spielorten der deutschen Nationalmannschaft unter die Lupe zu nehmen. Denn gekocht wurde nicht nur im Mannschaftscamp, sondern eben auch in den verschiedenen Hotelküchen. Während der Weltmeisterschaft war der Tagesablauf Schorers genauso stringent wie anstrengend. Das Frühstück wurde ab 5.45 Uhr vorbereitet, die letzte Mahlzeit des Tages meistens abends gegen 22 Uhr. „Die Spieler schätzen dieses Engagement aber“, sagt der 36-Jährige. Schulterklopfen für das gute Essen gab es nicht selten. Besonders von Per Mertesacker, Lukas Podolski oder Philipp Lahm. Die größte Belohnung war dann aber – wie für Spieler, Trainer, Fans und den gesamten DFB-Tross auch – der Titelgewinn. „In meiner beruflichen Karriere war es immer mein großes Ziel, einen Stern zu erkochen. Jetzt habe ich das gewissermaßen geschafft“, sagt Schorer in Anspielung auf den vierten Stern, der künftig für den vierten WM-Titel auf den Trikots der Nationalmannschaften prangt.

Noch in der Nacht nach dem WM-Endspiel saß der Koch schon wieder im Flugzeug. Auf dem Weg nach Ungarn. Dort bekochte er daraufhin die deutsche U19. Bei den Nachwuchskickern hat Schorer inzwischen einen gewissen Kult-Status. „Ich gehöre zum Team wie jeder einzelne Spieler auch. Das macht mich stolz“, sagt er. Bei den Spielen auf dem Weg zum EM-Sieg war er jedes Mal auch im Stadion dabei. Dann allerdings weniger angespannt wie am Herd. „Wenn die Partie angepfiffen wird, bin ich raus. Dann habe ich meinen Job gemacht und die Jungs sind dran“, sagt er. Und auch in Ungarn funktionierte das Zusammenspiel einwandfrei. Am Ende durfte Schorer mit der U19-Auswahl den silbernen Siegerpokal in den Himmel recken. Nur das Meistermahl war dieses Mal deutlich einfacher: eine schwäbische Flädlesuppe.

Von 30. Mai bis 1. August war Schorer ohne Ruhetag für die deutschen Fußballer im Einsatz. Danach ging es zum Heimaturlaub ins Allgäu. Gekocht wurde auch da wieder. Schließlich sei Kochen nicht nur Arbeit, sondern auch ein entspannendes Hobby. Nur ganz so gesund wie in den Tagen und Wochen mit den Profikickern ging es nicht mehr zu. Schorer: „Das erste, was ich zuhause gegessen habe, war ein leckerer Leberkässemmel.“

Aufrufe: 024.8.2014, 08:17 Uhr
Allgäuer Zeitung / Stephan SchöttlAutor