2024-05-02T16:12:49.858Z

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Hier geht nichts mehr: Willi Leissner und Günther Henning (v.l.) wollen das Kapitel VfB Nordmark  am Bahnhof endlich und in Würde beenden. Foto: Staudt
Hier geht nichts mehr: Willi Leissner und Günther Henning (v.l.) wollen das Kapitel VfB Nordmark am Bahnhof endlich und in Würde beenden. Foto: Staudt

Der VfB Nordmark kann nicht sterben

Im Herbst hatte die Bahn den Verein am Mühlendamm vor die Tür gesetzt

Von der Stadtplanung kaltgestellt – aus dem Vereinsregister nicht zu entfernen: Niemand will dem Traditionsklub den Gnadenschuss geben.
Am Mühlendamm vergraben zwei in Ehren ergraute Männer die Hände tief in den Jackentaschen. Mehr als 40 Jahre hatten Günther Henning und Willi Leissner hier beim VfB Nordmark von 1921 ihr sportliches Zuhause. Jetzt stehen sie vor den verschlossenen Türen des ehemaligen Vereinsheims. Leissner und Henning sind hier nicht mehr erwünscht. Die Bahn hat im Herbst die Schlösser ausgetauscht und den Verein im Winter fristlos vor die Tür gesetzt. Sie führt Verkaufsverhandlungen mit der Stadt. Die will hier ein neues Wohngebiet errichten, und Leissner und Günther wissen jetzt genau, wie sich das anfühlt, wenn man dem Fortschritt im Wege ist. Das Gelände verfällt, der Verein ist ruiniert – und so wie es aussieht, können sie den VfB nach 94 Jahren nicht einmal in Würde sterben lassen.

Die beiden langjährigen Mitglieder sind verbittert. Verbittert, weil anscheinend niemand mehr da ist, der dem VfB Nordmark ein anständiges Begräbnis spendiert. Gerade mal vier Jahre dauerte es vom Bekanntwerden erster Gerüchte über die städtische Planung bis zum Aus für den Traditionsclub. Das Gift der Ungewissheit. Einzelne Mitglieder wechselten zu Vereinen mit Zukunft. Dann ging komplett die Football-Abteilung, am Ende das sportliche Aushängeschild, die Verbandsliga-Fußball-Mannschaft, die Sponsoren sowieso. Am 30. Juni letzten Jahres fand Christoph Meißner als Versammlungsleiter der außerordentlichen letzten Mitgliederversammlung niemanden mehr, der für einen Vorstandsposten auf dem sinkenden Schiff kandidieren wollte.

Seither fristet der VfB Nordmark die Existenz eines Untoten. Alle Post wird – so Henning – durch die Bahn-Dienstleisterin Bundeseisenbahnvermögen (BEV) ungeöffnet an die Absender zurückgeschickt. Es sollen ansehnliche Stapel sein. Henning: „Ich bin sicher, dass da noch viele Rechnungen offen sind. Aber es gibt niemanden, der die Geschäfte führt, niemanden, der den Verein abwickelt.“

Er und sein Freund Leissner, die eigentlich 2013 als „Feuerwehr“ aufgestellt wurden, um den angeschlagenen Verein zu retten, können das nicht tun. „Wir haben kein Mandat“, sagt Leissner. Sie haben auch schlichtweg Angst, durch Übernahme von Verantwortung in Haftung genommen zu werden. Christoph Meißner hatte Ende letzten Jahres einen solchen Versuch mit einem Manöver des letzten Augenblicks abgebrochen. Er hatte beim Amtsgericht beantragt, einen ehrenamtlichen Notvorstand zu ernennen und mit der Abwicklung zu beauftragen, wahlweise das Insolvenzverfahren zu eröffnen. „Ich wurde aufgefordert, 1500 Euro Kostenvorschuss zu zahlen, da war das für mich erledigt.“

Laut Gerichtsdirektor Dr. Ralf Bauer muss da in der Kommunikation etwas schief gelaufen sein. „Der Verein muss einfach nur tätig werden. Es reicht, wenn er einen Vorstand nur für die Einleitung des Insolvenzverfahrens bestellt“, so Bauer. „Das Verfahren kostet 2500 Euro, die Masse beim Verein dürfte gleich Null sein. Das belastet niemanden.“ Nur wenn der Verein nicht tätig werden sollte, drohe ein Ende als Karteileiche. Nach zwei, drei Jahren lasse sich auf Antrag prüfen, ob der Verein von Amts wegen gelöscht könne. Weil es keine Vereinsmitglieder mehr gibt. Und daher kein Vereinsleben.

Aber auch das dürfte nicht funktionieren. „Ich bin noch Mitglied – wie andere auch“, sagt Henning. „Wir haben einfach niemanden mehr, der noch eine Kündigung entgegen nimmt.“
Holger Ohlsen
Aufrufe: 027.1.2015, 13:45 Uhr
SHZ, Holger OhlsenAutor