2024-05-02T16:12:49.858Z

Umfrage
Schiedsrichter Felix Zwayer im Gespräch mit Leverkusens Roger Schmidt. Foto: Getty
Schiedsrichter Felix Zwayer im Gespräch mit Leverkusens Roger Schmidt. Foto: Getty

"Der Respekt geht immer mehr verloren"

Spielunterbrechung in Leverkusen - Meinungen aus Rendsburg-Eckernförde, Neumünster, Schleswig-Flensburg und Nordfriesland

Die Spielunterbrechung beim Bundesligaspiel in Leverkusen wurde und wird heiß diskutiert. Fehlt es den Verantwortlichen Respekt gegenüber den Schiedsrichtern? Wir haben uns in Schleswig-Holsteins Kickerszene umgehört.

Klaus-Dieter Tüxen, Schiedsrichter:
,,Ich bin Fußballschiedsrichter mein Leben lang mit Leib und Seele. In der Regel stehe ich stets hinter ihnen und ihren Entscheidungen. Zu meinem Leidwesen gibt es jedoch einige Vertreter dieser Zunft, die der seriösen Schiedsrichterei immer wieder einen Bärendient erweisen. Überwiegend solche, die arrogant und theatralisch daher schreiten. So auch der Schiedsrichter Felix Zwayer in Leverkusen, der unbedingt Mittelpunkt sein wollte, indem er die Begegnung unterbrach, weil Bayer-Trainer Roger Schmidt der indirekten Verbannung über Mannschaftsführer Stefan Kießling auf die Tribüne nicht nachkam.

Hierzu muss festgestellt werden, dass dieser Verweis auf die Tribüne eine persönliche Strafe darstellt und persönliche Strafen haben auch direkt und persönlich zu erfolgen. Er hätte also zum Trainer gehen müssen und ihn unter Angabe des beschuldigten Vergehens verweisen müssen. Der Mannschaftsführer ist zwar in vielen Dingen Ansprechpartner für die Unparteiischen, nicht aber bei der Vergabe von persönlichen Strafen! Dieser Schiedsrichter Felix Zwayer muss noch einmal ernsthaft in die Pflicht genommen werden, ehe er nach einer Bedenkzeit wieder auf ein Bundesligaspiel losgelassen wird."


Manfred Medler, ehemaliger aktiver Fußballer, Trainer und Schiedsrichter:

,,Nach meiner Ansicht haben sich beide nicht so verhalten, wie man sportlich fair miteinander umgehen muss. Dem verbalen Ausbrüchen von Schmidt war ein Fehler von Zwayer vorausgegangen, der den Freistoß für Dortmund, der etwa sechs Meter vom Ort des Fouls entfernt ausgeführt wurde, nicht zurückgepfiffen hat, was dann zum Tor für Dortmund geführt hat. Viele Schiedsrichter achten darauf, dass der Freistoß, wie es in der Regel steht, am Ort des Geschehens ausgeführt wird. Das kann ein oder zwei Meter daneben sein, aber nicht fünf oder sechs Meter. Da kann, ja muss vielleicht sogar ein engagierter Trainer aufbrausen, sollte sich aber auch schnell wider unter Kontrolle haben, denn andersherum würde er seinen Spieler für diese Schlitzohrigkeit des schnellen Ausführens des Freistoßes ausdrücklich loben.

Vor einer Spielunterbrechung wäre es angemessen gewesen, hätte Zwayer noch einmal persönlich mit dem Trainer gesprochen und ihm unmissverständlich klar gemacht, dass es in die Kabinen geht, wenn er seiner Anweisung den Innenraum zu verlassen nicht unverzüglich nachkommt. Insgesamt ist festzustellen, dass der Respekt untereinander immer mehr verloren geht. Nicht umsonst hören viele Schiedsrichter, die gerade mit großem Enthusiasmus ihre Prüfung abgeschlossen haben schon nach kurzer Zeit wieder auf."


Jens Matthiesen, Spieler beim SV Fleckeby:
,,Man war nicht direkt vor Ort dabei, aber es sieht so aus, als ob Zwayer es auch anders hätte lösen können. Er hätte ja einfach einmal zum Bayer-Trainer hingehen können. Ich glaube aber nicht, dass diese Szene auch Auswirkungen auf den Spielbetrieb in den Amateurklassen hat."


Aslan Gastrock, Schiedsrichter Gut Heil Neumünster:
,,Das war eine geile Aktion. Endlich hat mal einer gezeigt: Obacht, so geht's nicht", lobt Neumünsters renommierter Schiedsrichter Aslan Gastrock (Gut Heil) seinen Erstligakollegen aus der Bundeshauptstadt. Gastrock legt Wert darauf, dass es sich bei Zwayers Aktion ,,nur" um eine Unterbrechung und um keinen Abbruch gehandelt hat. ,,Nach dem Spiel war immer wieder zu lesen, es habe sich um einen Abbruch gehandelt. Doch ein Abbruch ist endgültig und nicht mehr verhandelbar", betont der Gut-Heiler, der nach eigenem Bekunden in seiner Laufbahn noch nie etwas mit Zwayers Aktion Vergleichbares erlebt hat. Gastrock stellt rückblickend auf die Geschehnisse in Leverkusen klar: ,,Wir können auf dem Platz nicht alles durchdiskutieren. Denn Diskussionen tun dem Fußball nicht gut."


Sven Boy, Co-Trainer VfR Neumünster:

Dem widerspricht Sven Boy, Co-Trainer des SH-Ligisten VfR. ,,Gerade die Kommunikation gehört doch im Fußball dazu." Der 39-Jährige war zu aktiven Zeiten Kapitän bei Holstein Kiel und stellvertretender Mannschaftsführer beim Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth. ,,Zwei, drei Mal habe auch ich meinen Trainern die Botschaft überbracht, dass sie auf die Tribüne müssen", erinnert sich Boy. ,,Doch Zwayer hätte sich keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn er die 45 Meter zu Schmidt zurückgelegt und ihm mitgeteilt hätte, warum er den Innenraum zu verlassen hat. Stattdessen musste das ja Bayer-Kapitän Stefan Kießling tun."

Generell stellt Boy sich schützend vor die Unparteiischen - insbesondere im Amateurbereich. Er fordert: ,,Jeder sollte sein eigenes Verhalten hinterfragen und nicht den Schiedsrichter in den Vordergrund stellen. Die Spieler müssen endlich mit der Theatralik aufhören. Denn mit genau der fangen viele Probleme im Fußball erst an."


Torsten Block, Trainer des Verbandsligisten TSV Wankendorf:
Eine Lanze für die Referees bricht auch Torsten Block, Trainer des Verbandsligisten TSV Wankendorf. ,,Ich weiß, wie schwierig es für die Schiedsrichter ist. Deswegen versuche ich mich zurückzuhalten. Wir sind ja mittlerweile so weit, dass keiner mehr pfeifen will, weil er von den Fans, Spielern und Trainer nur kritisiert und angegriffen wird. Dennoch ist es manchmal wirklich eine Katastrophe, was da gepfiffen wird. Gerade die Nachwuchsschiedsrichter trauen sich oft nicht, konsequent zu leiten, und so entgleitet ihnen häufig die Partie. Oft kommt es dann auch vor, dass ein eigentlich faires Duell dadurch kaputt gemacht wird. Denn mir fällt immer öfter auf, dass schneller wegen Meckerns als wegen eines Fouls eine Karte gezückt wird. Wir wissen aber auch alle, dass Schiedsrichter ein knappes Gut sind, und müssen versuchen, das Beste daraus zu machen."


Dennis Holstein, Torwart des TSV Gadeland:
Ähnlich äußert sich Dennis Holstein, Torwart des TSV Gadeland: ,,In der Verbandsliga sind mir die sehr jungen Unparteiischen aufgefallen. Es ist ein Problem, dass die Jungs wenig Erfahrung und Autorität haben und dann mit der Situation auch oft überfordert sind. Dementsprechend wird natürlich auch weniger durchgegriffen, und man verliert so als Spieler etwas den Respekt gegenüber den Schiedsrichtern. Deswegen würde ich mir mehr erfahrenere Referees wünschen, denn die machen auf mich als routinierten Torhüter und auch auf die Trainer einen ganz anderen Eindruck."


Björn Hinrichs (Schiedsrichter-Obmann im Kreis Nordfriesland):
Schiedsrichter Felix Zwayer hat absolut richtig gehandelt - er hätte das Spiel sogar abbrechen können. Die Regeln sind klar: Kommunikation über den Mannschaftsführer.Es ist ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem, dass der Respekt abnimmt, da sind Stadien und Sportplätze keine Ausnahme. Im Fußball scheint ,,Gewinnen um jeden Preis" das Motto zu sein. Da sind die Spieler gefordert, aber auch die Vereine, die unsportliches Verhalten decken und sogar unterstützen. Auf der einen Seite werden händeringend Schiedsrichter gesucht - auf der anderen Seite wundern sich Vereine, bei deren Spielen am lautesten über die Unparteiischen geschimpft wird, dass sie keine Kandidaten finden.


Marc Böhnke (Kapitän des ETSV Weiche Flensburg):
Ich kann die Entscheidung des Schiedsrichters nachvollziehen. Und was hinterher abgelaufen ist: Man kann sich keine Interviews mit Rudi Völler mehr ansehen, der schimpft ja nur noch. Sicherlich ist der Respekt vor den Schiedsrichtern verloren gegangen. Ganz großen Einfluss auf das Verhalten von Spielern haben die Trainer und Übungsleiter. Wenn ständig lautstark hereingerufen wird, geben diese Trainer ihren Spielern ein Alibi, sich auf dem Platz ähnlich zu verhalten. So etwas bringt gar nichts. Man kann sich hinterher in der Kabine über den Schiedsrichter aufregen, aber nicht auf dem Platz. Wir sind in der Fairplay-Wertung ganz vorne, kassieren wenige Gelbe Karten wegen Meckerns - und sind trotzdem sportlich erfolgreich.


Bernd Bleitzhofer
(Schiedsrichter und Ehrenvorsitzender des KFV Schleswig-Flensburg):
Felix Zwayer hat das gut begründet - warum soll er an der Seitenlinie auftauchen? Wir geben unseren jungen Schiedsrichtern mit, sich gar nicht auf solche Diskussionen einzulassen. Als erfahrener Schiri kann man mal hingehen und das Ganze pragmatisch regeln.Was micht stört: Vorher wird immer Fairplay gegenüber dem Schiedsrichter gepredigt, aber bei der ersten Entscheidung, die nicht im Sinne der Betroffenen ausfällt, ist es damit vorbei. Emotionen gehören zum Fußball - aber nach dem Schlusspfiff sollte es vorbei sein und man sollte sich die Hand geben.


Joachim (,,Jockel") Press (Trainer des TSB Flensburg):
Natürlich müssen die Schiedsrichter geschützt werden. Und Roger Schmidt hat mit Sicherheit überreagiert. Ein Trainer soll Vorbild sein - und er hat ein Fehlverhalten an den Tag gelegt. Menschlich habe ich aber totales Verständnis: Als Coach bist Du draußen hilflos, leidest mit, fühlst Dich ungerecht behandelt und kannst nur wenig eingreifen. Trotzdem ist das kein Freibrief. Wenn sich ein Trainer dauernd aufregt, dann überträgt sich so ein Verhalten auf die Mannschaft. Und dann kann so ein Spiel auch ganz schnell mal aus dem Ruder laufen.
Aufrufe: 024.2.2016, 07:00 Uhr
SHZAutor