2024-04-16T09:15:35.043Z

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Der Profi-Platzwart

Werner Vollack war in den achtziger Jahren DFB-Pokalsieger und Europapokalheld. Heute ist er Platzwart und Trainer bei Preußen Krefeld. Ein Besuch in den Katakomben der Kreisliga.

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Wenn Werner Vollack im Sommer nichts zu tun hat, setzt er sich auf die Terrasse des Vereinsheims von Preußen Krefeld. Hier kennt er inzwischen jeden Zentimeter, wie er früher den Strafraum in der Grotenburg beherrschte. Er lässt seinen Blick dann über die Hubert-Houben-Kampfbahn schweifen, hört auf die Geräusche aus dem nahen Freibad und zündet sich eine Zigarette an.

Es gibt schlechtere Orte, um seinen Sommer zu verbringen. Tagsüber Schulsport, nachmittags Jugendfußball und drum herum eine hübsche Wohngegend. „Hartz-4-Empfänger leben hier eher nicht“, sagt Platzwart Vollack.

Im Winter ist der Greenkeeper, wie man ihn heutzutage in der Bundesliga nennen würde, öfter in den Katakomben der einzigen Tribüne zu finden. Es wirkt, als hätte jemand Junggesellenküche und Materiallager zusammengelegt. Die Neonröhre flackert, der Schlagersender WDR4 läuft und ein Weizenglas steht in der Spüle. Gleich nebenan: der Heizöllagerraum. Vollack zündet sich eine Zigarette an und setzt Teewasser auf. Er sagt: „Ich bin eigentlich rund um die Uhr hier.“

In den achtziger Jahren war Bayer 05 Uerdingen, für die er als Torwart seine Handschuhe überstreifte, eine Fußballmacht. Mit Spielern wie Matthias Herget und Friedhelm Funkel schlugen sie im DFBPokal-Finale den FC Bayern München und schafften im Europapokal das „Wunder von Krefeld“. Gegen den DDR-Pokalsieger Dynamo Dresden lagen sie zur Halbzeit aussichtslos zurück, gewannen am Ende aber mit 7:3. Das Fachmagazin „11Freunde“ hat die Partie, bei der Werner Vollack im Tor stand, einmal zum besten Fußballspiel aller Zeiten gewählt. Der erfolgreiche Berufssportler hat nach der Karriere eigentlich alles richtig gemacht.

Er nutzte das Kapital, das ihm 17 Jahre als Profi eingebracht hatten, besuchte eine Berufsschule in Bottrop und eröffnete ein eigenes Reisebüro. Von seinem Schreibtisch in Krefeld-Traar organisierte er Europareisen und gab auch öfter selbst den Gruppenreiseleiter. „Sardinien, Sizilien, Andalusien, das waren Zeiten“, sagt er heute. Doch dann kamen „das Internet und der 11. September“ und die Trennung von seiner Frau. Vollack musste sich noch einmal neu erfinden. Man könnte auch sagen, dass ihn der Fußball wieder aufgefangen hat.

Der erste Schritt zurück ins Leben: 2009 übernahm er die D-Jugend von Preußen Krefeld. In seiner Kabine steht bis heute ein Pokal mit einem Metallschild aus dieser Zeit. „I have a dream – Danke, Werner“, ist darauf zu lesen. Inzwischen ist er vereinsintern zum Cheftrainer der 1. Mannschaft aufgestiegen, die in der Kreisliga A spielt. Die ALizenz als Trainer hatte er erworben, als er Ende der achtziger Jahre unter Peter Neururer auf Schalke spielte. Dass er Platzwart und Trainer in einer Person ist, führt dazu, dass man ihn eigentlich immer antreffen kann, manchmal von morgens um sieben bis abends um halb zehn. Vollack sagt: „Zur Not nehme ich mir ein Butterbrot von zu Hause mit.“ Seine Dienstzeiten als festangestellter Platzwart korrespondieren mit den Trainingszeiten. Er ist offiziell dem Sport- und Bäderamt der Stadt Krefeld unterstellt. Die Spiele finden an seinem freien Sonntag statt. Zwischendurch sitzt Vollack immer wieder in seinem rustikalen Dienstzimmer und trinkt eine Tasse von seinem Lieblingstee. Geschmacksrichtung: Erdbeer-Rhabarber.

Wolfgang Schäfer hat jetzt eine Fußballschule in Tirol, Matthias Herget ist Sportdirektor bei Schwarz-Weiß Essen und Friedhelm Funkel führt 1860 München vielleicht wieder in die Bundesliga. Vollack denkt kurz nach und sagt: „Ich bin noch hier.“ Wie er das sagt, klingt nachdenklich, aber nicht resigniert. An der Pinnwand hat er zwei alte Panini-Sticker von sich aufgehängt. Er erzählt von den alten Mannschaftskameraden Franz Raschid und Horst Feilzer, die mit Mitte 50 verstorben sind.

Vollack hat gerade eine „WhatsApp“-Gruppe eingerichtet, über die er mit seiner Mannschaft kommuniziert. „Es geht den ganzen Tag Ping, Ping, Ping. Ich habe viele Studenten, die müssen ständig Klausuren schreiben und können nicht immer.“ Gerade kommt wieder eine Nachricht rein. Vollack setzt seine Brille auf. Bastian schreibt: „Ich schaffe es heute nicht, muss meine Freundin zum Flughafen bringen, laufe später alleine.“ Der Cheftrainer reagiert gnädig. „Das hat man davon, wenn man eine intelligente Truppe hat“, sagt er. Er kann es verschmerzen, dass er mit einem Spieler weniger um den Elfrather See joggt. Die wichtigste Nachricht lautet: Er hat wieder ein Projekt, das ihm zunehmend Spaß macht. Er sagt: „Der Verein war eigentlich tot.“ Sie haben die Spieler dann überzeugt, „ohne Geld“ zu spielen, längst nicht üblich in der Kreisliga. Werner Vollack, der Held aus der Grotenburg, steht auf dem Platz, inhaliert Zigarettenrauch und sagt: „Ich werde das diese Saison durchziehen. Es ist meine Mission, die Liga zu halten.“

Text: Thorsten Schaar

Aufrufe: 09.4.2014, 11:19 Uhr
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