2024-05-10T08:19:16.237Z

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Der Nachbar wird zum Lebensretter

Der Obmann vom SV Schwafheim erlitt einen Herzinfarkt und wäre ohne das beherzte Eingreifen seines Retters gestorben.

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Es sollte ein ruhiger, sonniger Nachmittag werden, am Tag der Deutschen Einheit. Doch seit diesem Jahr hat das geschichtsträchtige Datum für die Familie von Thorsten Schikofsky eine vollkommen neue Bedeutung.

An jenem 3. Oktober erhielt der ehemalige Fußballspieler - unter anderem beim VfB Homberg, Hamborn 07, SV Sonsbeck, SV Neukirchen und nun schließlich als Trainer beim Bezirksligisten SV Schwafheim aktiv - den Vater zurück. Und seinen drei kleinen Kindern wurde gleichzeitig der Opa gerettet.

Horst Schikofsky, Vater von Thorsten, hat früher auch Fußball gespielt, war nach seiner aktiven Zeit viele Jahre bis etwa zur Jahrtausendwende Fußball-Obmann beim FC Rumeln, wo sein Sohn sein erstes Fußballjahr bei den Senioren gespielt hat. Und seit etwa einem Jahr hat der 60-Jährige das Amt des Fußball-Obmanns nun auch beim SV Schwafheim inne.

An diesem Feiertag hatte es sich der 60-Jährige jedenfalls mit einem Hörbuch auf den Ohren auf der Terrasse im heimischen Garten in Scherpenberg so richtig gemütlich gemacht. Wegen ihrer Müdigkeit und ihres Sekundenschlafs hatte er seine Frau noch ein bisschen aufgezogen - und gab dann obendrein eine Art Schnarchlaut von sich. Nicht gerade zur Freude von Petra Schikofsky. Er solle damit aufhören, ärgerte sich seine Frau. Doch bevor sie noch weiter etwas sagen konnte, bemerkte sie, dass da ganz und gar was nicht stimmte: Das Schnarchgeräusch war kein Spaß, keine Frotzelei mehr, ihr Mann war komplett verkrampft.

Petra Schikofsky erkannte die lebensbedrohliche Situation, rief um Hilfe. Nein, sie schrie. In blanker Angst um das Leben ihres Mann. Horst Schikofsky rang von jetzt auf gleich mit dem Tod. Aber er kämpfte zum Glück nicht allein. Uwe und Andrea Visbeen, die Nachbarn der Schikofskys, die sich an diesem Tag eben in ihrem Garten aufgehalten hatten, waren mittlerweile hellhörig geworden. "Wir waren ja keine 30 Meter entfernt, haben dieses Schnarchgeräusch genau mitbekommen", erinnert sich Uwe Visbeen. Der 50-Jährige sprang kurzerhand in Nachbars Garten, erkannte die Situation, tippte - zu recht - auf einen Herzinfarkt und schnappte sich Horst Schikofsky.

Visbeen begann mit Herzdruckmassagen und Beatmung. Und er hörte nicht mehr auf. Bis der Notarzt eintraf. Visbeen hielt durch, wusste, was zu tun ist. Und auch, dass er nicht aufhören, sich keinesfalls eine Pause gönnen durfte. Auch wenn solche lebensrettenden Maßnahmen mit dieser zeitlichen Dauer einem 20-Kilometer-Lauf nahe kommen.

Das ist eben nicht so wie im Fernsehen, wo drei, vier halbherzige durchgeführte Massagen lebensrettende Wirkung zeigen. Eine Herzdruckmassage, die auch tatsächlich erfolgreich sein soll, erfordert Kraft und Ausdauer. Und starke Nerven. Dazu kommt natürlich noch das Beatmen. Im ständigen regelmäßigen Wechsel.

"Ich habe das ja nicht zum ersten Mal gemacht", wirkt Uwe Visbeen dann etwas in sich gekehrt. Kein Wunder. Vor acht Jahren war er bereits schon einmal in genau dieser Situation. Da saß sein Schwiegervater auf einem Stuhl im Keller. Doch damals kam Uwe Visbeen zu spät.

Für Horst Schikofsky hieß das allerdings, dass er von jemandem behandelt wurde, der solch eine Situation kennt - und auf keinen Fall das gleiche Ende noch einmal erleben wollte. Aber nicht nur deshalb kämpfte Visbeen. Er ließ nicht nach. Bis ihn schließlich der Notarzt und die Rettungssanitäter endlich ablösten.

Dass Uwe Visbeen in dieser wichtigen Sekunde so dermaßen besonnen reagieren konnte, hat zum einen natürlich mit der traurigen Vorgeschichte zu tun. Doch, was in solch einer Situation gemacht werden muss, wie die notwendigen Griffe anzuwenden sind, welche "Knöpfe" schließlich gedrückt werden müssen, um auch wirklich ein Leben zu retten, das ist dem 50-Jährigen nicht einfach so zugeflogen.

"Ich war 20 Jahre lang auf der Zeche beschäftigt", erklärt Uwe Visbeen. "Da wurde immer viel Wert auf die lebensrettenden Sofortmaßnahmen gelegt." Mittlerweile arbeitet er seit 13 Jahren bei dem Aufzug- und Fahrtreppenhersteller Schindler. "Dort werden wir ebenfalls alle zwei Jahre zu den Lehrgängen geschickt." Ein Umstand, dem Horst Schikofsky letztlich das Leben gerettet hat.

Immerhin haben die meisten Menschen mit diesen Sofortmaßnahmen in aller Regel einmal und nie wieder in ihrem Leben zu tun: Wenn sie ihren Führerschein machen.

Horst Schikofsky überlebte. Doch nun musste die Zeit entscheiden, ob er bleibende Schäden davon getragen hat. Eine Woche lang lag der Schwafheimer Fußball-Obmann im Koma. Die Familie bangte und hoffte. "Die Ärzte haben uns klar gesagt, dass die Zeit ohne Sauerstoff schon sehr lange war", erinnert sich Thorsten Schikofsky. Auch in der zweiten Woche wurde es nicht besser. Im Gegenteil. Zwar konnten die Medikamente abgesetzt werden, doch während der Aufwachphase verhielt sich Horst Schikofsky nicht so, wie erhofft. Die Ärzte gingen zu diesem Zeitpunkt von einem starken Hirnschaden aus.

Als er langsam wieder zu sprechen begann, steckte er zuerst gedanklich in den Jahren 1996 und 2002 fest. Doch mit jedem Tag wurde zumindest die Sprache besser - nicht aber das, wovon er erzählte. Er erkannte auch seine Enkel nicht. Den zehnjährigen Lino, nach dessen Geburt er aufgehört hatte zu rauchen, genauso wenig wie die dreieinhalbjährigen Zwillinge Leni und Mila.

In der vierten Woche durfte er von "Intensiv" auf die "normale" Station. Und er machte gewaltige Fortschritte. Manchmal aber auch gewaltigen Blödsinn. Etwa, wenn er nachts über die Station spazierte, kann Sohn Thorsten heute darüber schmunzeln. Auch deshalb, weil zu diesem Zeitpunkt bei seinem Vater die Erinnerungen zurückkehrten.

Er erkannte seine Enkel wieder, seine Schwiegertochter und erinnerte sich auch an sein Ehrenamt als Fußball-Obmann beim SV Schwafheim. "Zuvor hatte er mir gar nicht geglaubt, dass ich wirklich Trainer beim SV Schwafheim bin. Er war sicher, ich würde noch beim VfB Homberg spielen", erzählt Thorsten Schikofsky.

Schließlich die Entlassung und die weitere Genesung in heimischer, vertrauter Umgebung. Die Familie konnte beinahe zuschauen, wie es wieder aufwärts ging. Die Ärzte freuten sich, obgleich sie anfangs ganz andere Befürchtungen hatten. Und siebeneinhalb Wochen nach dem Herzinfarkt stand Horst Schikofsky plötzlich beim Training der ersten Mannschaft vom SV Schwafheim an der Seitenlinie.

Und er sorgte dafür, dass sein erwachsener Sohn feuchte Augen bekam.Dass die Familie nun gemeinsam Weihnachten feiern kann, ist dem sensationellen Eingreifen von Nachbar Uwe Visbeen zu verdanken.

Und der Reha-Maßnahme, die unverständlicherweise zwar erst fünf Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus gestartet, aber schließlich am vergangenen Wochenende pünktlich zum Fest auch wieder beendet wurde.

Aufrufe: 028.12.2014, 11:00 Uhr
RP / Uwe ZakAutor